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Putin deutet Kompromissbereitschaft in Ukraine-Krieg an

Fast drei Jahre dauert der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine nun schon an. In einer großen TV-Show signalisiert Kremlchef Putin zwar Kompromissbereitschaft, bleibt aber provokant.

Putin stellt sich den Fragen von Journalisten und Bürgern (Archivbild)
Foto: Aleksey Nikolskyi/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa

Russlands Präsident Wladimir Putin hat seine Bereitschaft zu Verhandlungen über ein Ende des Ukrainekriegs bekräftigt. Dabei sei er auch zu Eingeständnissen bereit, sagte Putin auf seiner viereinhalbstündigen Jahrespressekonferenz auf eine Frage des US-Senders NBC. «Politik ist die Kunst der Kompromisse.» Details zu möglichen Kompromissen nannte er nicht. Zumindest rückte er von Vorbedingungen für Gespräche ab.

Bei einem Treffen im Sommer mit dem diplomatischen Korps hatte der Kremlchef noch die Abtretung der vier von Russland nach Kriegsausbruch 2022 annektierten ukrainischen Gebiete Cherson, Donezk, Luhansk und Saporischschja zu einer der Voraussetzungen für den Beginn von Gesprächen gemacht. Diesmal sagte er: «Wir haben keine Bedingungen für Verhandlungen mit der Ukraine».

Russland hält Ansprüche auf ukrainisches Gebiet aufrecht

Das bedeutet jedoch nicht, dass Russland auf seine Ansprüche verzichtet. Putin sagte, dass Gespräche sich an den realen Gegebenheiten vor Ort, also den russischen Eroberungen in der Ukraine, orientieren sollten. In allen vier Gebieten hat Russland große Territorien unter seine Kontrolle gebracht.

Putin hat auch darauf gedrängt, dass die Vereinbarung von Istanbul als Grundlage für einen Friedensvertrag genutzt werden sollte. In Istanbul hatten die beiden Kriegsparteien kurz nach Beginn der russischen Invasion über die Bedingungen für deren Ende verhandelt. Dabei sollte die Ukraine auf einen Nato-Beitritt verzichten und ihre Streitkräfte reduzieren. Es handelte sich jedoch – entgegen der Darstellung des Kremlchefs – nicht um ein fertiges Dokument und war für die Ukraine inakzeptabel.

Putin äußerte sich optimistisch bei der Fragerunde, bei der auch Bürger aus verschiedenen Regionen des Landes, meist zu sozialen Problemen, zugeschaltet wurden. Trotz der westlichen Sanktionen boomt die Wirtschaft, und die russischen Truppen sind entlang der gesamten Front im Vormarsch, sagte der 72-Jährige. In Bezug auf Waffentechnologie sei Russland der Ukraine trotz der westlichen Hilfe überlegen.

Herausforderung zu einem Duell mit Oreschnik

Er behauptete, dass westliche Flugabwehrsysteme gegen die neue russische Mittelstreckenrakete Oreschnik hilflos seien. Falls der Westen an der Leistungsfähigkeit der Rakete zweifeln würde, könne er gerne ein Ziel in Kiew benennen, das von Oreschnik beschossen werden solle und von allen verfügbaren Flugabwehrwaffen geschützt sei.

Putin sprach von einem «Experiment, einem hochtechnologischen Duell des 21. Jahrhunderts». Der Westen könne dort alle Flugabwehrwaffen und Raketenschirme stationieren, die er habe. Dann werde sich herausstellen, ob sie die Mittelstreckenrakete aufhalten könnten. Russland sei zu so einem Experiment bereit.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, der kurz nach Putins TV-Marathon bei einer Pressekonferenz in Brüssel auftrat, kritisierte die Herausforderung zu einem Raketenduell in Kiew scharf. «Meinen Sie, dass dieser Mensch noch adäquat ist? Einfach Schwerverbrecher», sagte er. 

Putin will Stärke demonstrieren

Putin wollte hauptsächlich vor seinen eigenen Bürgern und der internationalen Presse Stärke zeigen. Er hat bewusst Probleme heruntergespielt: “Die Inflation ist zwar hoch”, gab er zu. Russland werde sie jedoch unter Kontrolle bekommen. Experten für Wirtschaft sehen dabei die Gefahr eines massiven Wirtschaftseinbruchs bei anhaltender Inflation, einer sogenannten Stagflation in Russland.

Auf die Frage einer Bewohnerin der Region Kursk, wann die Menschen dort denn wieder nach Hause zurückkehren könnten, entgegnete Putin verlegen um eine konkrete Antwort nur: «Alles wird erledigt.» Seit vier Monaten können die russischen Truppen – seit einigen Wochen auch von nordkoreanischen Soldaten unterstützt – das ukrainische Militär nicht entscheidend zurückdrängen. Er könne kein Datum nennen, sagte er. Aber ganz sicher würden die Ukrainer wieder vertrieben, versicherte Putin trotzdem.

Putin sieht Assads Sturz nicht als eigene Niederlage

Auch den Sturz und die Flucht seines Protegés Baschar al-Assad aus Syrien wollte Putin nicht als Niederlage für Russland verstanden wissen. «Sie wollen die Ereignisse in Syrien als Niederlage Russlands ausgeben. Ich versichere Ihnen, das ist nicht so», sagte Putin einem westlichen Journalisten. 

«Wir sind nach Syrien gegangen, um zu verhindern, dass dort eine terroristische Enklave entsteht. Im Großen und Ganzen haben wir unser Ziel erreicht. Und die Gruppen, die dort waren, haben sich verändert», sagte er.

Putin betonte, dass er Israel als den Hauptprofiteur der Situation in Syrien betrachte. Gleichzeitig warnte er vor einem Zerfall des Landes angesichts der Besetzung syrischer Gebiete. Er erwähnte auch, dass Israel und die Türkei derzeit Sicherheitsfragen in dem Bürgerkriegsland klären. Assad und seine Familie haben in Russland Asyl erhalten, wie Putin bestätigte. Während der Fragerunde kündigte Putin ein Treffen mit Assad an.

Selenskyj: Partner sollten Putin nicht überschätzen

Der ukrainische Präsident Selenskyj hat seine westlichen Partner aufgefordert, Russland und Kremlchef Putin nicht zu überschätzen. «Wir sehen seine Schwächen», sagte Selenskyj. «Er ist nur stark, weil er über Atomwaffen spricht, weil er viele Raketen verschießt.»

Gleichzeitig habe Putin alle seine kampffähigen Truppen in der Ukraine stehen, wo er nur langsam vorankomme. Dies offenzulegen, sei ein Grund für die ukrainische Sommer-Offensive im russischen Gebiet Kursk gewesen, sagte Selenskyj. «Wir wollten zeigen, dass seine gesamte Armee auf unserem Territorium steht, und dass alles, was übrig ist, nicht stark ist.»

Auch Selenskyj hat kürzlich seine Bereitschaft zu Verhandlungen verstärkt gezeigt. Dabei betonte er, dass die Ukraine in eine Position der Stärke gebracht werden müsse, um ein gerechtes Ergebnis zu erzielen, forderte er von den westlichen Partnern.

dpa