Mit Arrow 3 baut Deutschland erstmals ein Raketenabwehrsystem auf, das feindliche Flugkörper noch außerhalb der Atmosphäre zerstören soll. Nun wird der erste Schritt gemacht.
Raketenwehr Arrow 3: Deutschland spannt den Schutzschirm auf

Mit der heute anstehenden Inbetriebnahme erster Elemente des neuen Raketenabwehrsystems Arrow 3 sieht Verteidigungsminister Boris Pistorius die Luftverteidigung Deutschlands und seiner Partner deutlich gestärkt. «Wir erlangen damit erstmals die Möglichkeit zur Frühwarnung und zum Schutz unserer Bevölkerung und Infrastruktur vor weitreichenden ballistischen Raketen. Mit dieser strategischen Fähigkeit, die im Kreis unserer europäischen Partner einmalig ist, sichern wir unsere zentrale Rolle im Herzen Europas», sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.
«Damit schützen wir also nicht nur uns, sondern auch unsere Partner. Wir stärken damit den europäischen Pfeiler der Nato und übernehmen ein Nato-Planungsziel», sagte Pistorius dazu. Deutschland übernehme Verantwortung.
Die Luftwaffe wird am Mittag auf dem Luftwaffenstützpunkt Schönewalde/Holzdorf an der Landesgrenze von Sachsen-Anhalt und Brandenburg die sogenannte Erst- oder Anfangsbefähigung des Systems erklären. Dieser Schritt – von der Nato Initial Operational Capability (IOC) genannt – bedeutet nach Militärangaben, dass erste Systemanteile in Betrieb genommen werden: Radar, Startgeräte und geschultes Personal sind verfügbar, um den Schutzbetrieb in einem begrenzten Umfang aufzunehmen. Die Erstbefähigung ist damit der Auftakt für den eigentlichen Einsatz, gefolgt von der Full Operational Capability (FOC), bei der das System seine volle Leistungsfähigkeit erreicht und alle geplanten Funktionen verfügbar sind.
Raketenabwehr wird an dritten Standorten stationiert
Der Bau des in Israel erworbenen Systems ist eine Reaktion auf die Bedrohung durch Russland. Das Verteidigungssystem soll feindliche Raketen in einer Höhe von über 100 Kilometern zerstören können – eine Fähigkeit, die es bisher nicht in der Bundeswehr gibt. Der Luftwaffenstützpunkt Schönewalde/Holzdorf ist der erste von drei geplanten Arrow-Standorten.
Der Verlauf des Krieges in der Ukraine verdeutlicht die Verwundbarkeit eines Landes und seiner Infrastruktur auch weit hinter der Front – durch vergleichsweise kostengünstige Drohnen, aber auch durch ballistische Raketen.
Europäische Staaten haben die Verteidigung militärischer und ziviler Ziele gegen Angriffe aus der Luft nach dem Ende des Kalten Krieges reduziert und dann lange Zeit vernachlässigt. In Nato-Planungskreisen wurde kürzlich festgestellt, dass die Verteidigungsfähigkeiten gegen Luftangriffe insgesamt wahrscheinlich um 400 Prozent gesteigert werden müssen.
Die Flugabwehr wird von der Bundesregierung nun verstärkt unterstützt. Deutschland hat die Initiative für ein europäisches Luftverteidigungssystem (European Sky Shield Initiative/ESSI) ins Leben gerufen. Inzwischen haben sich 23 Partnerstaaten dem Projekt angeschlossen.
Arrow 3 wehrt Raketen in größter Höhe ab
Arrow 3 wurde gemeinsam von Israel und den USA entwickelt. Der «Pfeil» kann feindliche Flugkörper außerhalb der Atmosphäre im beginnenden Weltraum durch einen direkten Treffer zerstören. Das System bildet damit die oberste Schicht eines Verteidigungssystems.
Das gesamte System setzt sich aus dem Gefechtsstand, Radarsensoren, Startgeräten mit Lenkflugkörpern und weiteren Peripherie-Geräten zusammen.
Laut Hersteller ist das System darauf ausgelegt, «die neuesten Bedrohungen mit größerer Reichweite abzufangen und zu zerstören», insbesondere solche, die Massenvernichtungswaffen tragen. Schädliche Stoffe wie etwa Kampfstoffe sollen in großer Höhe möglichst gefahrlos zerstäubt werden.
Die israelischen Streitkräfte bezeichnen das als das größte Rüstungsgeschäft in der Geschichte Israels. Die Bundeswehr investiert 3,6 Milliarden Euro in das System, das erstmals außerhalb Israels positioniert wird.
«Die Sicherheitspartnerschaft auf Augenhöhe entwickelt sich gut und liegt im Interesse beider Länder», sagt der israelische Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, der Deutschen Presse-Agentur. Er weist auf Gefahren aus Iran hin, während deutsche Politiker Russland als Bedrohung benennen – wobei beide Staaten militärisch kooperieren.
«So sind zuletzt Drohnen iranischer Bauart in Polen eingeschlagen. Es ist durchaus möglich, dass künftig auch ballistische Raketen aus dem Iran auf Europa zielen. Dagegen schützt Arrow 3», sagt Prosor. «Israel ist stolz darauf, hier einen konkreten Beitrag zur Sicherheit Deutschlands leisten zu können.»
Im Schlagabtausch mit Iran eingesetzt
Das Abwehrsystem kam in Israel seit 2024 mehrfach zur Abwehr iranischer Raketen zum Einsatz. Die «Jerusalem Post» schreibt, am 13. und 14. April 2024 sei Arrow entscheidend gewesen, um die «große Mehrzahl» von 120 abgefeuerte ballistischen Raketen Irans zu zerstören.
Am 1. Oktober des Jahres hat Iran 180 Raketen auf Israel abgefeuert, wobei nur ein kleiner Teil zerstört wurde. Laut der Zeitung gab es jedoch Hinweise darauf, dass die israelischen Streitkräfte Angriffe auf bereits evakuierte eigene Militäranlagen nicht abgewehrt haben.
Im Juni dieses Jahres führte Israel schwerwiegende Angriffe auf iranische Atomanlagen durch. Laut israelischen Angaben feuerte der Iran während des zwölf Tage dauernden Krieges etwa 550 ballistische Raketen ab. Zwischen 20 und über 40 Raketen durchdrangen je nach Angaben den Hightech-Schutzschirm. 28 Israelis starben und mehrere wurden verletzt. Die Zeitung stellt fest, dass es keinen hermetischen Schutz gibt.








