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Belgien: Rechtsruck mit neuer Regierungskoalition

Belgien bekommt eine von Rechten angeführte Regierungskoalition. Eine sogenannte Arizona-Koalition soll drastische Reformen und Einschnitte im Sozialstaat umsetzen.

Der Termin für die Vereidigung der Regierung wird laut Palast zu einem späteren Zeitpunkt bekanntgegeben.
Foto: Dirk Waem/Belga/dpa

Mit Belgien erhält ein weiterer EU-Staat eine von Rechten geführte Regierungskoalition. Die migrationskritischen flämischen Nationalisten der N-VA haben sich mit vier anderen Parteien auf die Bildung einer Koalition geeinigt. Der designierte Ministerpräsident wird der N-VA-Vorsitzende Bart De Wever sein. Der 54-Jährige war bisher Bürgermeister der Hafenstadt Antwerpen. Ein deutlicher Rechtsruck in Belgien ist jedoch unwahrscheinlich, da die anderen Mitte-Parteien zusammen weiterhin eine klare Mehrheit haben.

https://x.com/Bart_DeWever/status/1885440817264734243

Parteien formen «Arizona-Koalition»

Die N-VA, die unter anderem mehr Autonomie für den wirtschaftsstärkeren Landesteil Flandern anstrebt, war bei der Wahl für eine neue Abgeordnetenkammer im Juni stärkste Kraft geworden. Gemeinsam mit der liberalen Partei MR aus der französischsprachigen Wallonie, den Christdemokraten aus beiden Landesteilen (Les Engagés und CD&V) sowie den flämischen Sozialdemokraten (Vooruit) soll nun eine sogenannte Arizona-Koalition gegründet werden.

Der Name stammt von den Farben der Parteien, die mit denen der Flagge des US-Bundesstaates übereinstimmen: Orange (CD&V), Blau (MR und Les Engagés), Rot (Vooruit) und Gelb (N-VA).

https://x.com/GLBouchez/status/1885435555179008388

Ziel der neuen Regierung ist vor allem ein Abbau der großen Schuldenlast sowie der Neuverschuldung Belgiens. Erwartet werden demnach drastische Reformen mit schweren Einschnitten in den Sozialstaat. Wann die Regierung antreten kann, blieb zunächst unklar. «Der Termin für die Vereidigung des Premierministers und der Regierungsmitglieder wird zu einem späteren Zeitpunkt bekanntgegeben», teilte der Königspalast mit.

De Wever schrieb nach der Einigung auf der Plattform X «Alea iacta est» («Der Würfel ist gefallen»). Der Chef der liberalen Partei MR aus der Wallonie, Georges-Louis Bouchez, kommentierte: «Heute Abend wird die Zukunft klarer. Für Belgien. Für jeden Belgier. Wir sind bereit.» Die Partei wurde bei der Wahl im Juni drittstärkste Kraft hinter dem radikal rechten Vlaams Belang aus Flandern.

N-VA bislang in der Opposition

Schon bei der letzten Parlamentswahl 2019 erhielt die N-VA die meisten Stimmen, blieb aber in der Opposition. Erst nach etwa 16 Monaten Verhandlungen wurde damals die sogenannte Vivaldi-Koalition aus sieben Parteien gebildet – den Grünen, den Liberalen und den Sozialdemokraten aus beiden Landesteilen sowie den Christdemokraten aus Flandern.

Die N-VA bezeichnet sich selbst als «eurorealistische Partei», die sich traue, Fragen zur Arbeitsweise der EU zu stellen. Die Staatengemeinschaft dürfe nicht als selbstverständlich betrachtet werden. Weiter heißt es auf der Webseite der Partei: «Die EU kann nur dann auf genügend Rückhalt rechnen, wenn sie in der Lage ist – bzw. sich traut –, die richtigen Entscheidungen zu treffen.» 

Ein Ziel der Partei ist eigenen Angaben nach ein unabhängiges Flandern als Mitgliedstaat von Europa. «Der Weg dorthin soll Schritt für Schritt zurückgelegt werden, und zwar auf demokratische Weise», heißt es auf der Webseite. Ob die neue Regierungskoalition versuchen wird, den Regionen in Belgien mehr Autonomie zu geben, bleibt abzuwarten.

Die N-VA-Abgeordneten im Europäischen Parlament gehören zur konservativ-rechten EKR-Fraktion, in der auch die Abgeordneten der Partei Fratelli d’Italia der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni vertreten sind.

Meistens langwierige Regierungsbildungen in Belgien

Regierungsbildungen in Belgien sind kompliziert und oft langwierig. Dies liegt auch daran, dass die meisten Parteien entweder in der französischsprachigen Wallonie oder im niederländischsprachigen Flandern antreten. Der König übernimmt dabei eine Vermittlerrolle.

Insgesamt wurden etwa acht Millionen Belgierinnen und Belgier zur Wahl aufgerufen. In Belgien besteht Wahlpflicht. Personen, die ohne anerkannten Grund nicht wählen, riskieren eine Strafe.

dpa