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Regierung will Plan gegen Wohnungslosigkeit beschließen

Das Ziel ist ambitioniert: Bis 2030 sollen alle Menschen in Deutschland Zugang zu einer Wohnung haben. Die Bauministerin legt einen Aktionsplan vor. Doch kann dieser Obdachlosigkeit beenden?

Hunderttausende Menschen in Deutschland haben keine eigene Wohnung.
Foto: Christian Charisius/dpa

Hunderttausende Menschen in Deutschland haben keine eigene Wohnung und schlafen auf der Straße, unter Brücken, in Zelten oder bei Freunden und Verwandten. Die Bundesregierung hat versprochen, bis 2030 allen von ihnen angemessenen und bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen.

Heute will das Kabinett einen von Bauministerin Klara Geywitz (SPD) vorgelegten Aktionsplan beschließen. «Gemeinsam für ein Zuhause», heißt das Papier. Vertreter der Betroffenen vermissen allerdings konkrete Lösungen – vor allem zur Frage, wie Wohnungslose angesichts der Konkurrenz auf dem Mietmarkt an diese Wohnungen kommen sollen.

Wie viele Menschen betroffen sind

Niemand weiß genau, wie viele Menschen in Deutschland obdachlos sind. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) schätzt, dass im Verlauf des Jahres 2022 insgesamt 607.000 Menschen betroffen waren – manche vorübergehend, manche über Monate oder das ganze Jahr.

Die offensichtlichste Form von Wohnungslosigkeit ist Obdachlosigkeit – wenn Menschen im Freien, in U-Bahnhöfen, Zelten oder verlassenen Gebäuden schlafen. Laut Schätzungen lebten im Jahr 2022 etwa 50.000 Menschen ohne jegliche Unterkunft auf der Straße. Noch größer – jedoch verborgener – ist der Anteil der Menschen, die aufgrund fehlender eigener Wohnung bei Freunden oder Verwandten unterkommen.

Laut Schätzungen ist die Anzahl der obdachlosen Menschen insgesamt in letzter Zeit stark gestiegen, hauptsächlich aufgrund von Geflüchteten aus der Ukraine.

Warum Menschen ihre Wohnung verlieren

Im Aktionsplan des Bauministeriums werden verschiedene Gründe aufgeführt. „Jeder Vierte hatte Mietschulden“, und dies aus verschiedenen Ursachen wie Arbeitslosigkeit, Krankheit, Sucht oder Schicksalsschlägen. Viele haben ihre Wohnung aufgrund von Trennung, Scheidung oder dem Tod von geliebten Menschen verloren. Junge Leute werden aus dem Elternhaus geworfen.

Viele Menschen, insbesondere Frauen, sind vor Partnerschaftsgewalt geflohen. Auch Kündigungen aufgrund von Eigenbedarf seitens der Vermieter führten dazu, dass Menschen buchstäblich obdachlos wurden. Allen ist gemeinsam, dass plötzlich der Boden unter ihren Füßen weggezogen wird.

Laut dem Wohnungslosenbericht des Bundes hatten rund 39 Prozent der Betroffenen noch nie eine eigene Wohnung in Deutschland – darunter sind viele Geflüchtete, aber auch junge Erwachsene, die freiwillig oder gezwungenermaßen aus dem Elternhaus ausziehen.

Was fehlt

Vor allem in den Großstädten ist der Wettbewerb um erschwingliche Wohnungen sehr hoch – so hoch, dass obdachlose Menschen kaum eine Chance haben, selbst eine Unterkunft zu finden. Notunterkünfte sind keine langfristige Lösung – auch wenn viele Betroffene monatelang dort unterkommen. Andere nehmen die Hilfe überhaupt nicht in Anspruch, wie es im Aktionsplan des Bauministeriums heißt. Sie kommen nicht zurecht mit der Vielzahl an Menschen auf engem Raum, dem Mangel an Privatsphäre, erleben Gewalt und Diebstahl. Zudem gibt es zu wenig Angebote für Frauen oder Hilfesuchende mit Haustieren.

Doch das ist nicht das einzige Problem: Menschen, die obdachlos sind, leiden oft unter gesundheitlichen Problemen. Doch einen Hausarzt zu finden, gestaltet sich besonders für Obdachlose schwierig. Ihr Versicherungsstatus ist häufig ungeklärt. Hinzu kommt Scham und die Angst vor Sprachproblemen. Viele Obdachlose haben zudem Traumata, da Gewalt für sie an der Tagesordnung steht.

Was die Politik plant

Laut Koalitionsvertrag wollen SPD, Grüne und FDP «bis 2030 Obdach- und Wohnungslosigkeit überwinden». Zuständig für die Versorgung mit Wohnraum sind zwar in erster Linie Kommunen und Länder, die Ampel will aber für stärkere Zusammenarbeit sorgen. Kernziel sind mehr bezahlbare Wohnungen und das Verhindern von Wohnungsverlust.

Bund, Länder und Kommunen sollen überprüfen, ob sie bei ihrer Wohnraumförderung ausreichend auf Wohnungslose eingegangen sind. Das Bauministerium betont, dass bereits jetzt Rekordsummen in den sozialen Wohnungsbau fließen. Zudem wurde das Wohngeld verdoppelt und für eine deutlich größere Anzahl von Haushalten zugänglich gemacht.

Es soll verbesserte Beratung und Unterstützung beim Begleichen von Mietschulden geben. In Notunterkünften müssen Mindeststandards für mehr Privatsphäre eingehalten werden. Alle obdachlosen Menschen sollen Zugang zur Krankenversicherung erhalten. Um ihnen die Teilnahme am öffentlichen Leben zu ermöglichen und beispielsweise Wohnungsinserate zu finden, soll kostenloses WLAN an öffentlichen Orten und in Notunterkünften ausgebaut werden.

Wie das bewertet wird

Sozialverbände und Vertreter von Betroffenen begrüßen es, dass die Bundesregierung das Problem angeht. Allerdings fehlen ihnen im Aktionsplan konkretere Lösungsansätze. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe und der Mieterbund erklärten, dass beispielsweise im Mietrecht eine Reform zur Schonfristzahlung fehlt.

Dabei geht es um die Frage, ob eine Kündigung bei Nachzahlung von Mietschulden noch wirksam ist oder nicht. Die Bundesmittel für den sozialen Wohnungsbau reichten zudem nicht aus. Die Diakonie kritisierte: «Es fehlt an konkreten, wirksamen sozialen und wohnungsbezogenen Maßnahmen zur Schaffung von Wohnraum für wohnungslose Menschen sowie zur Verhinderung von Wohnungsverlusten.»

dpa