Neue Ministerposten besetzt, Ressortzuschnitte geändert. Kritik an Regierungsumbau wächst, Probleme bei Energieversorgung steigen.
Umbau der Regierung in der Ukraine geht weiter
Der Umbau der Regierung in der Ukraine, den Präsident Wolodymyr Selenskyj parallel zum Kampf gegen den russischen Angriffskrieg angekündigt hat, schreitet voran. Nachdem Außenminister Dmytro Kuleba seinen Rücktritt eingereicht hat, steht die Entscheidung darüber noch aus, ob das Parlament – die Oberste Rada in Kiew – zustimmt.
Als möglicher neuer Chefdiplomat der Ukraine ist der 49 Jahre alte bisherige stellvertretende Außenminister Andrij Sybiha im Gespräch, wie das Kiewer Nachrichtenportal «Ukrajinska Prawda» unter Berufung auf die Präsidentenpartei «Sluha Naroda» («Diener des Volkes») meldete. Formell muss die Rada über den Rücktritt abstimmen.
Einige der bisherigen Minister und Spitzenbeamten, die ihre Posten zur Verfügung gestellt hatten, werden in neue Regierungsämter kommen, während die Zukunft von Kuleba ungewiss ist. Die bisherige Vizeregierungschefin Iryna Wereschtschuk gab bekannt, dass sie zukünftig stellvertretende Leiterin der Präsidialverwaltung sein werde. Sie wird auch weiterhin für Sozialfragen zuständig sein.
Olha Stefanischyna, die nach einem Rücktrittsgesuch entlassen wurde, soll erneut als Vizeregierungschefin für EU- und Natointegration eingesetzt werden und zusätzlich das Justizministerium übernehmen. Zuvor hatte die Rada das Rücktrittsgesuch von Justizminister Denys Maljuska angenommen.
Partei: Selenskyj bei Sitzung zum Regierungsumbau
Etwa die Hälfte der Ministerposten sollen insgesamt neu besetzt und einige Ressortzuschnitte geändert werden, heißt es. Das Ministerium für Fragen der Reintegration der vorübergehend besetzten Gebiete wird beispielsweise als eigenständige Behörde aufgelöst. Die Zuständigkeiten werden dem Ministerium für die Entwicklung der Gemeinschaften und Gebiete der Ukraine übertragen. Andere Schlüsselministerien wie das Finanz-, Innen- und Verteidigungsministerium sind von den Umbaumaßnahmen nicht betroffen.
Nach dem Bericht der «Ukrajinska Prawda» sind die Vorschläge für den großen Umbau im Kabinett mitten im Krieg bei einer Sitzung der Präsidentenpartei unter Vorsitz von Rada-Fraktionschef David Arachamija vereinbart worden. Laut Arachamija war bei der Zusammenkunft der Partei auch Präsident Selenskyj anwesend. Der Staatschef hatte den Regierungsumbau damit begründet, dass das Land einen Neustart brauche. «Wir brauchen heute neue Energie», sagte der Staatschef.
In seiner abendlichen Videobotschaft, die in Kiew veröffentlicht wurde, erwähnte Selenskyj nicht das bisher beispiellose Neuaufstellungsprogramm. Kritiker betrachten die Umstrukturierung als Täuschung und Aktionismus, um Veränderungen vorzutäuschen und von den Misserfolgen im Abwehrkampf gegen die russische Invasion abzulenken. Die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der eigenen Führung wächst auch aufgrund der Probleme bei der Energieversorgung aufgrund der ständigen russischen Angriffe auf die Infrastruktur.
Präsident pocht auf Ziele der Kursk-Offensive
Selenskyj teilte mit, dass ihn der Oberkommandierende der Streitkräfte, Olexander Syrskyj, erneut über die Lage an der Front informiert habe. In seiner Videobotschaft betonte der Präsident, dass vor allem die am 6. August begonnene ukrainische Invasion im russischen Gebiet Kursk erfolgreich verlaufe. «Es ist sehr wichtig, dass absolut alle für die Kursk-Operation ausgelegten Ziele auch umgesetzt werden», sagte Selenskyj. Er hob dabei einmal mehr hervor, dass vor allem der Bestand an russischen Kriegsgefangenen weiter für die nächsten Gefangenenaustausche aufgefüllt worden sei.
Syrskyj informierte auch über die Situation in der umkämpften Region Donezk im Osten der Ukraine. Selenskyj gab keine Einzelheiten bekannt. Allerdings wird von Militärbeobachtern, sowohl unabhängigen als auch denjenigen der jeweiligen Konfliktparteien, berichtet, dass die russischen Truppen in der Region weiterhin vorrücken. Bisher hat das Kalkül der Militärführung in Kiew nicht funktioniert, dass Moskau Truppen aus der Ukraine abzieht, um sein eigenes Gebiet in Kursk zu verteidigen und damit den Druck von den ukrainischen Streitkräften zu nehmen.
Dagegen hatte der russische Präsident Wladimir Putin erklärt, dass Russland die «Banditen» im Gebiet Kursk vernichten, die Ordnung wiederherstellen und seine Kriegsziele in der Ukraine trotzdem erreichen werde. Das russische Verteidigungsministerium meldet inzwischen täglich Gebietsgewinne und auch die Einnahme von Ortschaften im Raum Donezk.
In Pokrowsk, einer Stadt, die als strategisch wichtiger Bahnknotenpunkt gilt, steht die ukrainische Armee unter Druck. Die Behörden haben eine Evakuierung in der Großstadt angeordnet, jedoch sollen dort noch über 20.000 Menschen verweilen.
Was am Donnerstag wichtig wird
Mehr als zweieinhalb Jahre nach Beginn seines Angriffskrieges gegen die Ukraine wird Kremlchef Putin voraussichtlich erneut zur Invasion Stellung nehmen. Der Präsident, der den Überfall auf die Ukraine am 24. Februar 2022 angeordnet hatte, wird beim Wirtschaftsforum in Wladiwostok am Pazifik eine Rede auf einer Plenarveranstaltung halten. Putin hatte die Kursk-Offensive als irrelevant für den Kriegsverlauf bezeichnet. Auch die Regierungsumbildung in Kiew werde laut Moskau keine Auswirkungen auf den Kampf haben.