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Reservisten proben Ernstfall in Rostocker Hafen

Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine hat sich die sicherheitspolitische Lage in Europa deutlich verschärft. Das merkt man bei der Bundeswehr an der Wortwahl und am zunehmenden Takt der Übungen.

Anderthalb Wochen übten Reservisten der Bundeswehr den Schutz und die Sicherung verteidigungswichtiger Infrastruktur.
Foto: Jens Büttner/dpa

«Die Vorführung beginnt in Kürze», lautete die Regieanweisung. Dann folgte in Rostock Teil eins einer Heimatschutzübung. An einem Checkpoint am Seehafen waren schwer bewaffnete Reservisten der Heimatschutzregimenter und aktive Bundeswehr-Soldaten im Einsatz. Auf einer Tribüne verfolgten mehr als 200 geladene Gäste die Fähigkeitsdemonstration, darunter Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD).

Mit der Präsentation endete die eineinhalbwöchige Übung «National Guardian», die seit 22. April an verschiedenen Standorten Deutschlands lief. «Nur was geübt wird, kann funktionieren», erklärte der Befehlshaber des Territorialen Führungskommandos (TFK), André Bodemann, zum Einsatzzweck.

In Rostock wurde unter anderem die Kontrolle von Fahrzeugen an einer Zugangsschleuse zum Seehafen geprobt, der im Ernstfall als Verlege- und Logistikhafen eine zentrale Rolle für die Streitkräfte und die Nato spielt. Schwere Betonbarrieren, Stacheldrahtzaun und gesicherte Wachposten umgaben den Checkpoint. Die Funksprüche wurden zu Demonstrationszwecken laut übertragen, sodass die Gäste die Kommunikation hören konnten. Zum Abschluss der ersten rund 20-minütigen Übung erhielten die Soldaten Applaus von den Zuschauerrängen.

Truppenverlegung zur Abschreckung

«Das konkrete Szenario sieht so aus, dass es eine große Truppenzusammenziehung an der Nato-Ostflanke gegeben hat. Russland hat zu Manövern aufgerufen, die ein Potenzial haben, tatsächlich das Nato-Territorium zu bedrohen», nannte Bodemann die Rahmenbedingungen des Manövers. «Wir sind glücklicherweise nicht im Krieg, aber auch schon lange nicht mehr im Frieden.»

In dem Übungsszenario entschied die Nato, große Teile ihrer Truppen über die logistische Drehscheibe Deutschland zur Abschreckung an die Ostflanke zu verlegen. Der Trainingseinsatz in Rostock gehörte zur deutschen Übungsserie «Quadriga», die wiederum Teil des Nato-Großmanövers Steadfast Defender (etwa: «Standhafter Verteidiger») ist.

Für das Nato-Mannöver wurden in Rostock schweres Gerät, darunter Kampf-, Schützen- und Transportpanzer sowie Lkw auf eine Roll-on-Roll-off-Fähre geladen und nach Klaipeda in Litauen eingeschifft. Diesen zweiten Übungsabschnitt verfolgten die Gäste vom Wasser aus, an Bord eines Fahrgastschiffs. Auch ein Rettungshubschrauber der Bundeswehr knatterte im Tiefflug über Wasser und Gelände, auf der in die Ostsee mündenden Warnow drängten Marine-Schnellboote Angreifer im Schlauchboot ab, auf dem Land zeigte die Bundeswehr, wie sie einen Verdächtigen inklusive Hundeeinsatz stellt und der Polizei übergibt. Auch danach gab es Zuschauer-Applaus vom Schiff.

Auch wenn die Vorführung bei blauem Himmel, Sonne und 26 Grad einige Beobachter eher an eine Werbeveranstaltung erinnerte, hatte der Übungseinsatz aufgrund der geänderten geopolitischen Lage seit Russlands Angriff auf die Ukraine einen aktuellen Bezug. Russlands Präsident Wladimir Putin bedrohe die Friedensordnung, sagte Bundesratspräsidentin Schwesig. «Wir müssen für den Ernstfall gerüstet sein.» Es gelte das Motto: «Wir hoffen das Beste, bereiten uns aber auf das Schlimmste vor.»

Reservisten fester Teil der Verteidigungsstrategie

Heimatschutzkräfte der Bundeswehr gehören zur Reserve und sind sozusagen Soldaten im Nebenberuf, wie der stellvertretende Generalinspekteur der Bundeswehr, Andreas Hoppe, formulierte. Der Auftrag der Bundeswehr sei aktueller denn je. «Wir sind gut beraten, unsere Bundeswehr so vorzubereiten, dass sie in der Lage ist, einen militärischen Gegner auf dem Gefechtsfeld zu schlagen und zu besiegen. Allein die Wortwahl zeigt ja schon, dass wir in einer anderen Welt jetzt unterwegs sind», sagte Hoppe. Ohne Reserve gehe es nicht.

In dem Übungsszenario wurde angenommen, dass im Verteidigungsfall größere Teile der Bundeswehr nicht mehr in Deutschland sein werden, sondern an der Front kämpfen müssen. Reservisten und die neuen Heimatschutzregimenter sollen dann militärische Schutzaufgaben in Deutschland übernehmen – und von den Polizeibehörden und anderen Institutionen unterstützt werden. Auch dazu wurde der Operationsplan Deutschland (OPLAN) ausgearbeitet.

Es gab Proteste am Rande der Veranstaltung. Einige Demonstranten kritisierten den Plan und warnten vor einer wachsenden Militarisierung.

dpa