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Richtungsweisende Wahl in Georgien: Wohin strebt das Land?

Georgien im Südkaukasus wählt ein neues Parlament. Davon hängt ab, ob der Staat sich künftig gen Westen oder an Russland orientiert. Das Land mit dem Status eines EU-Beitrittskandidaten ist gespalten.

Die Südkaukasusrepublik Georgien steht vor einer richtungsweisenden Wahl. (Archivbild)
Foto: Katharina Schröder/dpa

In der Schwarzmeer-Republik Georgien wird an diesem Samstag ein neues Parlament gewählt. Die Abstimmung wird als wegweisend für die Zukunft des Landes angesehen. Es besteht die Möglichkeit einer Annäherung an die EU oder einer verstärkten Zusammenarbeit mit Russland. Etwa 3,5 Millionen Menschen sind zur Wahl aufgerufen. Obwohl die Südkaukasusrepublik ein EU-Beitrittskandidat ist, ruht der Prozess derzeit aufgrund umstrittener Gesetze.

Die prowestliche Opposition hat sich in vier Wahlbündnissen zusammengeschlossen, ist jedoch uneins. Einig sind sie sich nur darin, dass das Land einen europäischen Kurs einschlagen soll. Die regierende Partei Georgischer Traum, die seit 2012 an der Macht ist, strebt danach, an der Macht zu bleiben. Umfragen in dem traditionell polarisierten Land haben teilweise widersprüchliche Ergebnisse erbracht und gelten nach Meinung von Experten als unzuverlässig. Daher haben auch Nichtregierungsorganisationen viele Beobachter im Einsatz, um die Abstimmung zu überwachen. Wahlrechtsexperten haben bereits einen Missbrauch staatlicher Ressourcen durch die Regierungspartei kritisiert.

Die proeuropäische Präsidentin Salome Surabischwili hat eine Reformagenda, die Georgische Charta, initiiert. Große Teile der Opposition haben sie unterzeichnet. Demnach soll die Opposition bei einem Wahlsieg eine «technische Regierung» bilden, die Reformen umsetzt und das Land wieder auf einen europäischen Kurs bringt. In einem Jahr soll es dann vorgezogene Neuwahlen geben. Weil die Opposition zerstritten ist, gibt es Zweifel im Land, ob dieser Plan gelingt.

Regierungspartei schürt Kriegsängste bei Sieg der Opposition

Der von Milliardär Bidsina Iwanischwili gegründete Georgische Traum verspricht den Wählern Stabilität und Frieden. Die Partei vertritt einen nationalkonservativen Kurs und strebt wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Russland an. Iwanischwili hat sein Vermögen im Banken- und Rohstoffsektor gemacht und besaß lange Zeit auch einen russischen Pass. Seine Partei schürt Ängste vor einem Krieg mit dem großen Nachbarn im Norden, falls die Opposition gewinnen sollte.

Iwanischwili macht die Partei des inhaftierten Ex-Präsidenten Michail Saakaschwili, Vereinte Nationale Bewegung, für den Krieg mit Russland 2008 verantwortlich. Moskau erkannte danach die abtrünnigen georgischen Gebiete Abchasien und Südossetien als unabhängige Staaten an. So verlor Georgien 20 Prozent seines Staatsgebiets. Die Vereinte Nationale Bewegung regierte bis 2012 und ist nun die größte Oppositionspartei. Iwanischwili kündigte mehrfach an, sie verbieten zu wollen, sollte der Georgische Traum bei der Wahl eine Zweidrittelmehrheit im Parlament erlangen.

Die EU wirft der georgischen Regierung einen antieuropäischen Kurs vor. Obwohl das Land am Schwarzen Meer seit Ende 2023 EU-Beitrittskandidat ist, liegt der Prozess aufgrund der Verabschiedung umstrittener Gesetze auf Eis. Die Regierung hat ein Gesetz verabschiedet, das den angeblichen ausländischen Einfluss auf die Zivilgesellschaft einschränken soll, ähnlich dem russischen Muster. Zudem wurden die Rechte sexueller Minderheiten eingeschränkt.

Kundgebungen vor der Wahl

Das Land ist in zwei Lager gespalten. Kurz vor der Wahl versammelten sich Tausende in der Hauptstadt Tiflis (Tbilissi), um für eine Annäherung an die EU zu demonstrieren. Wenige Tage später nahmen ebenfalls Tausende an einer Kundgebung der Regierungspartei in Tiflis teil. Die Partei hatte Busse organisiert, um viele Menschen aus verschiedenen Regionen Georgiens in die Hauptstadt zu bringen.

Elektronische Auszählung

Bei dieser Parlamentswahl werden erstmals elektronische Geräte in den Wahllokalen verwendet. Diese dienen der Identifizierung der Wähler, der Auszählung der Stimmen sowie der Feststellung und Übermittlung der vorläufigen Wahlergebnisse. Die Wahlkommission betonte mehrfach, dass die Geräte nicht mit dem Internet verbunden sind und das Wahlgeheimnis gewahrt bleibt.

Georgien hat etwa 3,7 Millionen Einwohner, wobei 3,5 Millionen Menschen wahlberechtigt sind, einschließlich der im Ausland lebenden Bürger. Die Wahllokale sind von 8.00 bis 20.00 Uhr geöffnet (6.00 bis 18.00 Uhr MESZ). Es wird erwartet, dass aussagekräftige Ergebnisse am späten Samstagabend vorliegen. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die mit 500 Wahlbeobachtern im Einsatz ist, plant ebenfalls, den Urnengang nach demokratischen Gesichtspunkten zu bewerten.

dpa