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Rückkehr ohne Risiko: Syrer warten ungeduldig auf Regelung

Die Zerstörung ist immens, die Versorgung schlecht. Deshalb zögern viele Syrer mit einer Rückkehr. Die Bundesregierung bemüht sich derweil um Abschiebungen von Straftätern nach Syrien und Afghanistan.

Die Syrien-Rückkehrer finden häufig zerstörte Häuser vor, wie hier im Stadtteil Masaken Hanano in Aleppo. (Archivbild)
Foto: Khalil Hamra/AP/dpa

„Während Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien nach mehreren Gewalttaten kontrovers diskutiert werden, warten viele syrische Flüchtlinge mit Ungeduld auf die von der Bundesregierung angekündigte Möglichkeit für genehmigte Erkundungsreisen in die alte Heimat. Denn bei Reisen ohne Erlaubnis würden sie ihren Schutzstatus in Deutschland riskieren.“

«Da müssen jetzt ziemlich schnell pragmatische Lösungen her, wenn wir Ausreisen nach Syrien unterstützen wollen», sagt die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Lamya Kaddor, der Deutschen Presse-Agentur. «Ich werde häufig von syrischen Geflüchteten angesprochen, die wissen wollen, wann es eine Regelung zu solchen Reisen endlich geben soll.» 

Ein Sprecher teilte mit, dass der Verband Deutsch-Syrischer Hilfsvereine sich bereits an mehrere Ressorts der Bundesregierung gewandt habe.

Die Union setzt einen anderen Schwerpunkt. Ihr innenpolitischer Sprecher, Alexander Throm, sagt: «Wir müssen Rückführungen nach Afghanistan und Syrien so schnell wie möglich auf die Tagesordnung setzen, nochmal jahrelangen Stillstand wie unter der Ampel kann Deutschland sich nicht erlauben.» 

Die Zahlen zu Asylanträgen zeigen, dass Rückführungen nach Syrien und Afghanistan erforderlich sind – insbesondere nach den Anschlägen von Menschen aus diesen Ländern in Aschaffenburg, München, Solingen und Mannheim.

Bundesinnenministerium feilt an genauen Vorgaben

Aus dem Bundesinnenministerium heißt es, man arbeite noch an einer Lösung, «um für Syrerinnen und Syrer kurzzeitige Heimreisen zwecks Prüfung der Lage zur Vorbereitung einer dauerhaften freiwilligen Rückkehr ohne Verlust des Schutzstatus zu ermöglichen». Auch bei Abschiebungen von Straftätern und als gewaltbereit eingeschätzten Islamisten nach Syrien würde die Regierung gerne vorankommen. Abschiebungen nach Syrien gibt es seit 2012 nicht mehr.

Kurz vor dem Ende der Regierungszeit von Präsident Baschar al-Assad und seines brutalen Sicherheitsapparats am 8. Dezember 2024 gab es offenbar Pläne, durch Kontakte in die kurdische Autonomieregion voranzukommen. Die veränderte Situation erforderte jedoch einen Strategiewechsel.

Ein Sprecher des Innenministeriums teilt auf Nachfrage mit: «Als Teil der Syrien-Taskforce der Bundesregierung arbeitet das Bundesinnenministerium intensiv daran, den Kontakt zur syrischen Übergangsregierung herzustellen und auch über Rückkehrfragen zu beraten.»

Assad im Dezember gestürzt

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) äußerten im Januar die Meinung, dass es angebracht sei, syrischen Flüchtlingen eine Erkundungsreise zu ermöglichen, ohne dass dies Auswirkungen auf ihren Schutzstatus hätte.

Wenn Schutzberechtigte in ihre Herkunftsländer reisen, gilt generell die gesetzliche Vermutung, dass die Voraussetzungen für den Schutz nicht mehr vorliegen. Ausnahmen gibt es nur, wenn die Reise «sittlich zwingend geboten ist» – etwa bei schweren Krankheiten oder Todesfällen von Familienangehörigen. Ansonsten droht der Verlust des Schutzstatus. Außerdem muss die Reise der Ausländerbehörde vorab angezeigt werden.

Kaddor könnte sich Sondererlaubnis für ein Jahr vorstellen

Grünen-Innenpolitikerin Kaddor sagte: «Mein Vorschlag wäre es, dass man entweder die Zahl der erlaubten Reisen festlegt oder einen bestimmten Zeitraum, beispielsweise ein Jahr, in dem man beliebig häufig nach Syrien reisen kann, um sich ein Bild von den Lebensbedingungen vor Ort zu machen.» 

Während ihres Aufenthalts in Syrien in diesem Monat traf sie ehemalige Flüchtlinge, die aus dem Libanon oder der Türkei zurückgekehrt waren. Viele von ihnen bereuten die Rückkehr – zum Beispiel, weil es an ihrem alten Wohnort weder Strom noch Schulunterricht für die Kinder gab.

UN-Flüchtlingshilfswerk: Einige Tausend aus Europa zurückgekehrt 

Seit dem Sturz von Assad sind laut UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) mehr als 300.000 Syrer in ihre Heimat zurückgekehrt. Die meisten von ihnen hatten zuvor in Jordanien, Libanon oder der Türkei gelebt. Ein UNHCR-Sprecher in Berlin berichtet von einigen Tausend Rückkehrern aus europäischen Ländern.

Die Idee von Sondierungsreisen sei zu begrüßen, denn «viele Menschen wollen sehen, ob das Haus noch steht, ob die Nachbarschaft zerstört ist und welche Chancen es gibt, wieder ein Leben aufzubauen».

Gemäß dem Ausländerzentralregister lebten am 31. Dezember 2024 in Deutschland 975.061 syrische Staatsangehörige. Davon waren 10.231 Personen ausreisepflichtig. 9.156 von ihnen hatten eine Duldung. Syrien bleibt weiterhin das Hauptursprungsland von Personen, die in Deutschland einen Asylantrag stellen.

Weitere Flüge nach Afghanistan?

Ende August 2024 wurden mit Unterstützung von Katar 28 männliche Straftäter aus Deutschland nach Afghanistan abgeschoben. Die Länder wurden vor einigen Wochen erneut aufgefordert, die Namen vollziehbar ausreisepflichtiger Afghanen mitzuteilen. Seitdem hat es jedoch keinen weiteren Flug gegeben. Der letzte deutsche Abschiebeflug vor dem Machtwechsel fand am 6. Juli 2021 nach Kabul statt.

Gespräche mit den Taliban? 

Die Bundesregierung hat keine diplomatischen Beziehungen zu den militant-islamistischen Taliban, die im August 2021 in Kabul wieder die Herrschaft übernommen haben.

Baerbock und der Grünen-Kanzlerkandidat, Robert Habeck, seien «unaufrichtig, wenn sie auf angeblich fehlende Kontakte zu den afghanischen Regierungsbehörden verweisen», sagt Throm. Schließlich habe die Bundesregierung mehrfach «auf technischer Ebene» Kontakt zu Vertretern der De-facto-Regierung in Afghanistan gehabt – unter anderem zu Fragen der Reisefreiheit von Afghaninnen und Afghanen.

dpa