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Rückkehr zur Wehrpflicht? Union für Vorbereitungen

Um der Bedrohung durch Russland zu begegnen, hat die Nato hat ein großes Aufrüstungsprogramm beschlossen. Doch wie sollen mehr Soldaten gefunden werden? Die Debatte wird schärfer.

Wieviel Freiwillige können für die Bundeswehr gewonnen werden - und was, wenn das nicht reicht? Die Koalition diskutiert.
Foto: Hannes P Albert/dpa

In der Koalition gibt es immer mehr Meinungsverschiedenheiten über eine schnelle Wiedereinführung der Wehrpflicht. Der Fraktionsvorsitzende der Union, Jens Spahn, befürwortet die Schaffung der Voraussetzungen für einen möglichen Pflichtdienst in der Bundeswehr vorsorglich – die SPD lehnt dies ab.

«Es muss auf jeden Fall eine Struktur bei der Bundeswehr geschaffen werden, die eine zügige Rückkehr zur Wehrpflicht möglich macht. Das geht nicht von heute auf morgen, aber wir müssen mit den Vorbereitungen beginnen», sagte Christdemokrat Spahn der «Rheinischen Post». «Wenn das über Freiwilligkeit gelingen sollte, gut. Mein Eindruck aber ist, dass wir die Wehrpflicht dafür brauchen werden.» 

Auch der Wehrbeauftragte des Bundestags, der CDU-Politiker Henning Otte, pochte in der «Welt am Sonntag» auf eine Absicherung, falls es nicht genug Freiwillige gibt. 

Bundestagspräsidentin Julia Klöckner verwies auf das Adverb «zunächst» für die im Koalitionsvertrag vereinbarte Freiwilligkeit. «Das schließt also nicht aus, dass man perspektivisch nach Bedarf und mit entsprechender Infrastruktur eine Wehrpflicht wiedereinführt», sagte die CDU-Politikerin dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Sie sei allerdings Fan einer allgemeinen Dienstpflicht, die auch andere Bereiche des sozialen Lebens umfasst.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte vor kurzem «zusätzliche Schritte» beim Wehrdienst nicht ausgeschlossen.

Was im Koalitionsvertrag steht 

Im Koalitionsvertrag von Union und SPD kommt das Wort «Wehrpflicht» nicht vor. Darin heißt es stattdessen: «Wir schaffen einen neuen attraktiven Wehrdienst, der zunächst auf Freiwilligkeit basiert.» Hier hatte sich die SPD in den Verhandlungen gegen die Union durchgesetzt. 

Der Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat wiederholt betont, dass die vereinbarte Freiwilligkeit nur dann gilt, wenn der Bedarf an Soldaten auf diese Weise gedeckt werden kann.

Was die Nato für nötig erachtet

Die Nato-Verteidigungsminister haben nun festgelegt, was jedes Mitgliedsland in Zukunft leisten muss, um sicherzustellen, dass die Allianz angemessen verteidigungsfähig ist und potenzielle hochgerüstete Angreifer wie Russland abschrecken kann. Laut Pistorius benötigt Deutschland daher 50.000 bis 60.000 zusätzliche aktive Soldaten.

Aber schon das bisherige Ziel von 203.000 Männern und Frauen in den stehenden Streitkräften wurden nicht erreicht. Trotz Werbekampagnen und Social-Media-Auftritten, vielfach verkündeter «Personalwenden» und gesenkter Anforderungen sank die Zahl auf kaum mehr als 181.000 Soldaten.

Wie Anforderungen und Zahlen zusammenpassen

Gemessen am seit Jahren verkündeten alten Ziel müsste die Bundeswehr in der Lage sein, kurzfristig gut 20.000 Soldaten auszurüsten und zu trainieren. Doch soll der neue Wehrdienst zunächst mit 5.000 Freiwilligen beginnen, wie es zuletzt hieß. Für mehr fehlten schon die Ausbilder.

Es wird deutlich, dass es in der Diskussion um mehr als nur die umstrittenen Rechtsgrundlagen geht. Wer die Bedingungen für eine Wehrpflicht schaffen möchte, muss rechtzeitig Kasernen, Ausrüstung und Ausbilder bereitstellen. Die Zeit drängt, erklären Nachrichtendienste und Fachpolitiker. Bis 2029 sei Russland in der Lage, einen Angriff auf Nato-Gebiet durchzuführen.

Warum es die Wehrpflicht nicht mehr gibt

Die Wehrpflicht wurde im Jahr 2011 unter Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) nach 55 Jahren ausgesetzt. Bis dahin galt sie ausschließlich für Männer und wird für Männer wieder aktiviert, wenn der Bundestag den Spannungs- oder Verteidigungsfall feststellt. Um die Wehrpflicht auch auf Frauen auszudehnen, müsste das Grundgesetz geändert werden.

Das Gesetz über einen neuen Wehrdienst, das nun erforderlich ist, wird im Verteidigungsministerium verfasst und befindet sich derzeit in der sogenannten Ressortabstimmung zwischen den Ministerien.

Was die SPD will

Die SPD-Fraktion äußerte sich zurückhaltend zu einer Rückkehr zur Wehrpflicht. «Über eine Wehrpflicht kann man dann gegebenenfalls in der kommenden Legislaturperiode verhandeln, in dieser nicht», hatte jüngst SPD-Fraktionschef Matthias Miersch der «Neuen Osnabrücker Zeitung» gesagt.

Der verteidigungspolitische SPD-Fraktionssprecher, Falko Droßmann, sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Wir arbeiten hart daran, junge Männer und Frauen für den Dienst in unseren Streitkräften zu begeistern. Dafür muss die Infrastruktur der Bundeswehr massiv verbessert werden und es müssen attraktive und flexible Laufbahnmodelle angeboten werden. Da sind wir mit Hochdruck dran. Wer diese notwendigen Anstrengungen scheut und allein auf Zwang setzt, macht es sich deutlich zu leicht.»

Was der Wehrbeauftragte sich vorstellen kann

Auch der Wehrbeauftragte Otte kann sich noch mehr Anreize für junge Menschen vorstellen, sich freiwillig zu melden. «Dazu könnten Erleichterungen beim Studienzugang oder zusätzliche Rentenpunkte gehören», sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Das müsse sich dann konkret in der nötigen gesellschaftlichen Diskussion über den Dienst in der Bundeswehr ergeben.

dpa