Die erste Wahlrunde in Rumänien endet mit einer großen Überraschung: Der extrem rechte Tiktok-Wahlkämpfer Calin Georgescu holt mehr Stimmen als der amtierende Regierungschef. Viele sind geschockt.
Rumänien: Rechtsextremer geht in Stichwahl um Präsidentenamt
Der rechtsextreme pro-russische Calin Georgescu hat überraschend die Stichwahl um das Amt des Staatsoberhaupts in Rumänien erreicht. Der parteilose Populist fiel durch antiwestliche Positionen und Verehrung der rumänischen Faschisten aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs auf. Seine Konkurrenten und die traditionellen Medien haben Georgescu größtenteils ignoriert, doch er ist sehr erfolgreich auf der Online-Plattform Tiktok. Im ersten Wahlgang landete er vor dem zweitplatzierten Ministerpräsidenten Marcel Ciolacu von der Sozialdemokratischen Partei. Die Entscheidung zwischen beiden fällt nun am 8. Dezember – eine Woche nach der Parlamentswahl.
Rumänien, der östlichste EU-Mitgliedstaat, hat etwa 19 Millionen Einwohner, wird als eines der ärmsten Länder Europas betrachtet und grenzt im Norden an die Ukraine, die seit fast drei Jahren einer russischen Invasion standhält.
Rechtsextremes Lager bündelt Kräfte für Stichwahl
Am Wahlabend sagte Georgescu auf einer via Facebook übertragenen Pressekonferenz, das rumänische Volk sei «zum Bewusstsein erwacht» und habe seinen Willen bekundet, «nicht weiter auf Knien, nicht weiter unter Invasion, nicht weiter erniedrigt» zu bleiben. Wirtschaftliche Unsicherheit habe zu diesem Votum geführt. «Heute Abend hat das rumänische Volk “Frieden” gerufen», fügte Georgescu hinzu – wohl mit Blick auf Russlands Angriffskrieg auf die benachbarte Ukraine.
Im ersten Wahlgang erhielt der Extremist nach Angaben des Zentralen Wahlbüros rund 22 Prozent der Stimmen, Ciolacu holte nur etwa 20 Prozent. Nicht berücksichtigt sind dabei die separat ausgewiesenen Stimmen der im Ausland lebenden Rumänen, bei denen Georgescus Anteil sogar fast doppelt so hoch liegt.
Der Bewerber George Simion von der rechtsextremen Parlamentspartei AUR, der als Viertplatzierter mit 14 Prozent der Stimmen ausgeschieden ist, hat angekündigt, Georgescu in der Stichwahl zu unterstützen. Elena Lasconi, die Kandidatin der konservativ-liberalen Reformpartei, belegte den dritten Platz mit knapp 19 Prozent. Bisher hat sie sich für keinen der übrig gebliebenen Kandidaten ausgesprochen.
Erinnerungen an denkwürdiges Duell werden wach
Bei der Präsidentenwahl im Jahr 2000 gab es eine vergleichbare Situation: Zu dieser Zeit konkurrierten in der Stichwahl der Sozialdemokrat Ion Iliescu und der Rechtsextremist Corneliu Vadim Tudor. Die demokratischen Parteien schlossen sich zusammen und konnten dank der starken Unterstützung durch europäische Verbündete einen Extremisten im höchsten Staatsamt verhindern.
In Rumänien hat der Präsident die Befugnis, die Außen- und Verteidigungspolitik zu bestimmen und ist an der Überwachung der Geheimdienste beteiligt. Seine Macht ist größer als die des deutschen Bundespräsidenten, aber geringer als die des Staatsoberhaupts in Frankreich. Das Abschneiden der Kandidaten in der ersten Runde der Präsidentenwahl wird voraussichtlich auch die Parlamentswahl am 1. Dezember beeinflussen.
Freund Russlands und der rumänischen Faschisten
Wegen des Vorwurfs der Verherrlichung faschistischer Kriegsverbrechen ermittelt die rumänische Staatsanwaltschaft gegen Georgescu, über den Fortschritt dieser Untersuchungen ist laut rumänischen Medien aber nichts bekannt. Ebenso wie die als «Legionäre» bekannten rumänischen Faschisten rühmt Georgescu häufig die orthodoxe Kirche und benutzt Bibelzitate. Er war früher Mitglied der extrem rechten Parlamentspartei AUR, trat aber im Streit aus.
Der 62-jährige Agrarwissenschaftler und Tiermediziner hatte hauptsächlich auf Tiktok für sich geworben. Kommentatoren in Bukarest meinten am Wahlabend, dass klassische Medien und etablierte Politiker sich vorwerfen lassen müssten, dass Georgescus politische Propaganda in sozialen Medien bisher nicht genügend beachtet wurde. Auch Meinungsforscher hatten seinen Erfolg nicht voraussehen können, selbst Nachwahlbefragungen am Wahlabend ließen das Ergebnis nicht erahnen.