In der Ukraine wird heftig gekämpft, Russlands Luftangriffe lassen nicht nach. Beide Seiten warten auf den neuen US-Präsidenten. Ein bestimmter Charakterzug Donald Trumps bereitet Sorge wie Hoffnung.
Russische Truppen rücken in Ostukraine vor
Russische Truppen erleiden trotz hoher Verluste in der Ostukraine weiterhin Rückschläge, aber sie rücken auch im neuen Jahr unaufhaltsam vor. Nach Angaben von Militärbeobachtern mussten die ukrainischen Verteidiger nahe der seit Monaten umkämpften Stadt Pokrowsk im Donbass drei weitere Dörfer aufgeben.
Der ukrainische Militärblog «DeepState» nannte die Orte Datschenske, Nowyj Trud und Wowkowe wenige Kilometer südlich von Pokrowsk. Ein ähnliches Bild zeichnete der Blog «Liveuamap», während der offizielle Lagebericht des Generalstabs für Freitagabend Nowyj Trud noch als umkämpft darstellte.
Laut den ukrainischen Militärangaben hat die russische Armee allein am Freitag am Frontabschnitt Pokrowsk mehr als 300 Soldaten verloren, die getötet oder verwundet wurden. Solche Informationen sind nicht im Detail überprüfbar und die Führung in Moskau hüllt sich in Schweigen oder verbreitet Zahlen, denen kaum Glauben geschenkt wird. Allerdings deuten alle Daten der vergangenen Monate auf hohe russische Verluste an Soldaten wie Technik hin.
Russen stehen kurz vor dem Gebiet Dnipropetrowsk
Dennoch schreitet der Vormarsch voran. Die russische Armee hat sich zuletzt darauf konzentriert, die Bergbau- und Industriestadt Pokrowsk nicht mehr direkt anzugreifen, sondern im Süden zu umgehen. Die Russen stehen kurz davor, die Grenze des ukrainischen Verwaltungsgebiets Dnipropetrowsk zu erreichen. Dieses Gebiet ist seit Beginn des Krieges 2022 von Bodenkämpfen verschont geblieben. Die Invasoren kommen dem Ziel immer näher, die für annektiert erklärten ukrainischen Gebiete Luhansk und Donezk auch tatsächlich unter Kontrolle zu bringen.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj räumte das kontinuierliche Vorrücken der Russen in der Ostukraine ein. In einem Fernsehinterview führte er es vor allem auf fehlende Reserven der ukrainischen Armee zurück. «Wir tun alles dafür, dass es im Januar eine Frontstabilisierung gibt», sagte er.
Schwere russische Luftangriffe
Russland habe die Ukraine in den ersten drei Tagen des neuen Jahres mit mehr als 20 Raketen und etwa 300 Kampfdrohnen angegriffen, schrieb Selenskyj am Freitagabend im sozialen Netzwerk X. Dabei habe es Todesopfer und Verwundete gegeben. «Dieser russische Terror, der mit nicht nachlassender Intensität weitergeht, verlangt von uns und allen unseren Partnern, beim Aufbau unserer Flugabwehr nicht nachzulassen», schrieb Selenskyj. Er kündigte für kommende Woche weitere Gespräche mit ausländischen Unterstützern an.
Die russischen Luftangriffe, die normalerweise auf die Nacht konzentriert sind, dauerten am Freitag fast den ganzen Tag. Nach Drohnenangriffen am Morgen in der Nähe der Hauptstadt Kiew mit einem Toten und mehreren Verletzten schlugen nachmittags drei ballistische Raketen in Tschernihiw ein. In der Großstadt etwa 150 Kilometer nördlich von Kiew wurde ein Zivilist getötet und vier wurden verletzt, wie Gebietsgouverneur Wjatscheslaw Tschaus mitteilte.
Bürgermeister Dmytro Bryschynskyj berichtete von drei Einschlägen am Stadtrand, als die Stadt vor dem Krieg knapp 300.000 Einwohner hatte. Zwei Wohnhäuser wurden beschädigt. Auch andere Städte wurden angegriffen. “3 Lenkraketen und 19 von 32 Drohnen wurden abgefangen”, teilte die Luftwaffe mit.
Hoffnung auf die Unberechenbarkeit Trumps
In allen Überlegungen zu einem Ausweg aus dem seit fast drei Jahren andauernden Krieg warten die Ukraine und Russland derzeit auf den Amtsantritt des zukünftigen US-Präsidenten Donald Trump am 20. Januar. In Kiew und bei ausländischen Partnern herrscht die große Befürchtung, dass der Republikaner die Militärhilfe kürzen und die Ukraine zu Verhandlungen zwingen könnte.
Selenskyj stellte indes Überlegungen an, ob nicht gerade Trumps vielzitierte Unberechenbarkeit den Ausschlag zugunsten seines Landes geben könnte. «Ich halte ihn für stark und unberechenbar. Ich wünschte mir sehr, dass die Unberechenbarkeit von Präsident Trump vor allem die Seite der Russischen Föderation betrifft», sagte der Staatschef in einem vom ukrainischen Fernsehen ausgestrahlten Interview.
Selenskyj vertraut darauf, dass Trump tatsächlich an einem Friedensabkommen interessiert ist und Russlands Präsident Wladimir Putin den zukünftigen US-Präsidenten fürchtet, obwohl es dafür nur wenige Hinweise gibt. In seiner Neujahrsansprache hat Selenskyj auch einen Teil der Bitte an Washington gewidmet, die Unterstützung der Ukraine nicht zu verringern.