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Steuereinnahmen-Prognose enttäuscht Ampel-Koalition

Die Schätzer prognostizieren weniger Einnahmen bis 2028. Finanzminister Lindner sieht zusätzliche Konsolidierung als notwendig.

Erst maue Konjunkturerwartungen, jetzt sagen Schätzer auch niedrigere Steuereinnahmen für 2025 voraus. (Archivbild)
Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Einige Mitglieder der Ampel-Koalition hatten hohe Erwartungen an diese Zahlen: Wie viele Steuereinnahmen werden im nächsten Jahr erwartet und könnten sie möglicherweise dazu beitragen, das schwierige Problem des Bundeshaushalts 2025 zu lösen? Die Schätzer haben nun ihre Prognose veröffentlicht und es ist offensichtlich: Es wird eine minimale Entlastung für den Haushalt von Finanzminister Christian Lindner (FDP) geben – jedoch können die Steuereinnahmen allein das Problem nicht lösen.

Die Schätzer prognostizieren für das Jahr 2025 Steuereinnahmen in Höhe von 982,4 Milliarden Euro für den Gesamtstaat, also Bund, Länder und Kommunen zusammen. Dies entspricht einer pessimistischen Abweichung von 12,7 Milliarden Euro im Vergleich zu den Prognosen im Mai. Auch für das laufende Jahr wird ein Minus von 8,7 Milliarden Euro erwartet. Bis 2028 gehen die Schätzer nun von 58,1 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen aus als noch im Frühjahr.

Für den Bund allein rechnen die Schätzer zwar mit einem Mini-Plus von 0,7 Milliarden – das liegt aber vor allem an geänderten Abführungen an die EU. Im Vergleich zur Frühjahrs-Erwartung, auf die Lindners Haushaltsentwurf aufbaut, bringt das kaum neue Spielräume. «Im Gegenteil: Wir werden zusätzlich konsolidieren müssen. Nicht jede staatliche Leistung wird noch möglich sein», erklärte der FDP-Chef bei Vorstellung der Zahlen in Washington. «Wir brauchen wirtschaftliches Wachstum.»

Der unfertige Bundeshaushalt

Die Ampel-Regierung plant, im nächsten Jahr fast 490 Milliarden Euro auszugeben, wovon mehr als ein Zehntel durch Kredite finanziert wird. Obwohl dies durch die Schuldenbremse erlaubt ist, halten Opposition, Rechnungshof, Bundesbank und Ökonomen Lindners Zahlenwerk dennoch für mehr oder weniger unseriös oder unrealistisch.

Der FDP-Chef hat den Abgeordneten eine anspruchsvolle Aufgabe übertragen, da er sich bis zum Schluss nicht mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) einigen konnte, wo Einsparungen vorgenommen werden sollten. Dies führte dazu, dass eine Finanzierungslücke von zwei bis drei Milliarden Euro bestand, als der Entwurf dem Bundestag vorgelegt wurde.

Union vermutet noch größere Finanzierungslücke

Dieses Geld müssen nun die Abgeordneten auftreiben. So massiv mit der Axt an den Haushalt zu müssen, «ist eigentlich nicht der Job des Parlaments», beschwerte sich die SPD-Haushälterin Bettina Hagedorn gerade bei «Politico». 

Einige waren gespannt auf die Steuerschätzung, aber 0,7 Milliarden reichen nicht aus, um die Lücke zu schließen. Es könnte helfen, dass die Fördermittel für die Ansiedlung von Intel in Magdeburg vorerst nicht benötigt werden aufgrund der Verschiebung. Im Jahr 2025 wären es drei Milliarden – aber Scholz, Habeck und Lindner sind sich noch nicht einig über deren Verwendung.

Die Union glaubt außerdem, dass die Finanzierungslücke noch viel größer ist als die Ampel angibt. Sie hält die Prognosen zum Bürgergeld und zum Effekt der geplanten Wachstumsinitiative mit Steuererleichterungen und Arbeitsanreizen für schöngerechnet. Unions-Fraktionsvize Mathias Middelberg warnte in der «Neuen Osnabrücker Zeitung» bereits: Sollte die Ampel-Koalition den Haushalt so beschließen, «droht 2025 erneut ein Spontan-Stopp von Förderprogrammen».

Die taumelnde Wirtschaft

Ein maßgeblicher Grund für die Ergebnisse der Steuerschätzung sind die mauen Erwartungen der Bundesregierung an die wirtschaftliche Entwicklung. «Die Herausforderungen sind größer, als wir sie uns vielleicht eingestanden haben in den letzten Jahren», konstatierte Wirtschaftsminister Habeck neulich. 

Soeben hat er die zweite Rezession in Folge für 2024 angekündigt. Die Wirtschaftsleistung geht unter anderem zurück, da Unternehmen und Privatpersonen aufgrund der geopolitischen Lage Investitionen zurückhalten. Auch interner Streit innerhalb der Ampel trägt zur Unsicherheit bei, gestand Habeck ein.

Mehr Spielraum für neue Schulden

Durch einen Mechanismus in der Schuldenbremse ermöglicht die schlechte Konjunktur Lindner jedoch auch die Aufnahme neuer Kredite. Der Finanzminister darf im nächsten Jahr rund 5,4 Milliarden Euro mehr aufnehmen als ursprünglich geplant. Dies hilft bei der Schließung der Finanzierungslücke – ob sie jedoch vollständig geschlossen wird, ist ungewiss, da bei schwacher Konjunktur in der Regel auch höhere Ausgaben, wie beispielsweise beim Bürgergeld, berücksichtigt werden müssen.

Grüne und SPD geben die Hoffnung nicht auf, eine Ausnahme von der Schuldenbremse zu erreichen oder schuldenfinanzierte Sondertöpfe außerhalb des Haushalts einzurichten. So könnte der neue Vorschlag von Wirtschaftsminister Robert Habeck – ein Investitionsfonds für die Wirtschaft – finanziert werden. Lindner lehnt neue Sondervermögen ab – und hat in dieser Debatte nun ein neues Argument: Denn Deutschland hat Schwierigkeiten, die Schuldenregeln der EU einzuhalten. Und hier zählen Sondervermögen voll mit – anders als bei Berechnung der nationalen Schuldenbremse. In Brüssel gilt: Schulden sind Schulden.

Der Haushalts-Fahrplan

Nach der Steuerschätzung wird es nun ernst im Bundestag. Die Haushälter haben noch drei Wochen Zeit, um die fehlenden Milliarden zu beschaffen. Dann findet die Bereinigungssitzung im Haushaltsausschuss statt – der legendäre Showdown, der in der Regel bis in die frühen Morgenstunden dauert. Der Etat soll nach aktuellem Stand Ende November im großen Plenum verabschiedet werden.

dpa