Eingeschüchterte Wähler und eine Siegerpartei, die schon feststeht: Die erste Wahl in Myanmar seit dem Militärputsch gilt bereits im Vorfeld als Farce. Was bezwecken die Generäle mit dem Votum?
«Scheinwahl» in Myanmar: Junta will Macht legitimieren

Fast fünf Jahre nach dem Militärputsch in Myanmar lässt die Junta in dem Krisenland erstmals ein neues Parlament wählen. Internationale Beobachter und Menschenrechtler bezeichneten das umstrittene Votum aber bereits im Vorfeld als «Farce». Die Wahl soll in drei Phasen abgehalten werden: Nach Sonntag sind zwei weitere Termine am 11. und 25. Januar geplant. Wann die Ergebnisse bekanntwerden, ist noch unklar – voraussichtlich aber Ende Januar.
Am 1. Februar 2021 putschte die Armee und stürzte die demokratisch gewählte De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi. Die geplanten Wahlen wurden mehrmals unter dem Vorwand, dass die Gewalt im Land dies nicht zulasse, verschoben.
Sieger schon absehbar
Derweil gilt schon im Vorfeld als sicher, dass die vom Militär unterstützte «Union Solidarity and Development Party» (USDP) wohl klar gewinnen wird. Gewählt wird größtenteils in Wahlbezirken, in denen die Junta die Gewalt hat. Schätzungen zufolge kontrollieren Widerstandsgruppen und Rebellen aber mittlerweile mehr als 50 Prozent des Landes. Wegen anhaltender Kämpfe ist die Durchführung einer Wahl in vielen Landesteilen gar nicht möglich.
Sowohl China als auch Russland, die Hauptlieferanten von Flugzeugen und Waffen für die Junta, unterstützen jedoch die Wahlen. Beide Länder haben wirtschaftliche Interessen in Myanmar. China hat außerdem umfangreiche technische Hilfe vor der Abstimmung geleistet.
Bürger würden gerne boykottieren
Die meisten Bürger würden das Votum hingegen gerne boykottieren, werden aber quasi zur Stimmabgabe gezwungen. «Die Gemeindeverwaltung hat uns zur Wahl aufgefordert und will die Wählerlisten Straße für Straße überprüfen – wir können uns also nicht entziehen», sagte Sein Htay (37) aus der größten Stadt Yangon (früher: Rangun).
Normalerweise hätten die meisten einen ungültigen Stimmzettel abgegeben, betonte er. Das sei aber dieses Mal nicht möglich, weil die Wahlzettel maschinell verarbeitet würden und sofort angezeigt werde, wer gewählt habe und ob ein Stimmzettel gültig sei oder nicht. «Die elektronische Stimmabgabe ermöglicht es dem Militär, die Wahlergebnisse nach Belieben zu manipulieren», sagte ein politischer Beobachter dem Sender Radio Free Asia.
Junta will ihre Macht legitimieren
Kritiker sind der Meinung, dass die Generäle um ihren Chef Min Aung Hlaing durch das Votum lediglich ihre Macht legitimieren wollten. «Die Scheinwahlen der Militärjunta in Myanmar sind ein verzweifelter Versuch, nach fast fünf Jahren brutaler Militärrepression internationale Legitimität zu erlangen», sagte Elaine Pearson, Asien-Direktorin von Human Rights Watch, im Vorfeld. Regierungen, die der Wahl irgendeine Glaubwürdigkeit verliehen, signalisierten damit ein völliges Desinteresse an einer zivilen Demokratie in Myanmar.
Gleichzeitig hat die Junta strengere Wahlgesetze eingeführt, die es Oppositionsparteien erschweren, sich zu registrieren, und Einzelpersonen als Kandidaten ausschließen. Das Wahlsystem wurde so umgestellt, dass es der militärnahen Partei eindeutig Vorteile bringt. Dutzende Bürgerinnen und Bürger, die das bevorstehende Votum in sozialen Netzwerken kritisiert hatten, wurden festgenommen. Laut der Zeitung «The Irrawaddy» wurden allein bis Anfang November fast 90 Kritiker inhaftiert.
Ein Rückblick
Die Generäle hatten ihren Staatsstreich Anfang 2021 mit angeblichem Wahlbetrug im November 2020 gerechtfertigt, bei dem die Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi und ihre Partei Nationale Liga für Demokratie (NLD) mit großem Vorsprung gewonnen hatten. Es wurden keine Beweise vorgelegt. Seitdem versinkt das ehemalige Birma in Chaos und Gewalt. Die Junta versucht, den Widerstand der Bevölkerung mit Gewalt zu unterdrücken. Die NLD und alle anderen bedeutenden oppositionellen Kräfte sind von den aktuellen Wahlen ausgeschlossen.
Die Generäle waren schon lange unzufrieden mit der Beliebtheit von Suu Kyi. Sie wurde verhaftet und später wegen mehrerer angeblicher Vergehen zu einer langen Haftstrafe verurteilt. Wo die 80-jährige ehemalige Freiheitsikone festgehalten wird, ist unklar. International war die Politikerin bereits seit einiger Zeit umstritten – insbesondere wegen der staatlichen Diskriminierung der Rohingya und ihres Schweigens zur systematischen Gewalt gegen die muslimische Minderheit.
«Ausweg für die Junta, nicht für Myanmar»
Ob sich in Myanmar nach der Wahl etwas an der dramatischen Lage für große Teile der Bevölkerung ändern wird, ist fraglich. Seit dem Putsch habe die Junta gezielt die Rechtsstaatlichkeit und die jungen demokratischen Strukturen des Landes demontiert und im Vorfeld der Wahlen Repression und Gewalt sogar noch verschärft, betonte Human Rights Watch. Ein politischer Analyst in Yangon sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Die Wahl ist als Ausweg für die Junta gedacht – aber nicht für Myanmar.»








