US-Präsident Trump hat die Ukraine und die Europäer mit seinem neuen Friedensplan geschockt. Kann daraus trotzdem noch eine Chance für eine gerechte Beendigung des Krieges werden?
Schicksalstage für die Ukraine: Wie kann Europa noch helfen?

Der Ernst der Situation wird deutlich, als Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) in Johannesburg vor die Kameras tritt. Kurz zuvor hat er mit den europäischen Staats- und Regierungschefs über den Friedensplan von US-Präsident Donald Trump diskutiert. Ein Plan, der nicht nur den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, sondern auch seine europäischen Verbündeten schockiert. Japan und Kanada schließen sich an. Es sind praktisch alle versammelt, die die Ukraine in der entscheidenden Phase des Abwehrkampfes gegen Russland unterstützen wollen.
Es handelt sich darum, den Friedensplan, der für die Ukraine schlichtweg inakzeptabel ist, möglicherweise doch noch auf den richtigen Weg zu bringen. Und das unter großem Zeitdruck. Bis Donnerstag will Trump ein Ergebnis. Sein Vorschlag sieht beispielsweise vor, dass die Ukraine auch bisher verteidigte Gebiete an Russland abtritt, ihre militärischen Fähigkeiten begrenzt und die Nato auf jegliche Erweiterung verzichtet. Das würde einer Kapitulation gleichkommen.
Erzwungene Kapitulation, diktierter Frieden?
Die Europäer betrachten den Umgang mit dem amerikanischen Plan als äußerst riskant. Sie befürchten, dass die Sicherheitslage für sie noch schlimmer werden könnte, wenn Russland jetzt weitreichende Zugeständnisse gemacht werden.
Viele Staats- und Regierungschefs sind gleichzeitig mit Wählern konfrontiert, die die kostspielige Unterstützung für die Ukraine infrage stellen. Insgesamt wurden von der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten knapp 190 Milliarden Euro mobilisiert.
Es wird auch kritisch gesehen, dass seit einer Lockerung der Reisebeschränkungen viele junge ukrainische Männer ihre Heimat in Richtung EU verlassen, um dem Militärdienst zu entgehen. Die Frage lautet: „Warum sollte man das Land weiter unterstützen, wenn nicht einmal junge Ukrainer bereit sind, für die Zukunft ihres Landes zu kämpfen?“
Kaum Druckmittel gegen Trump
Die Europäer haben kaum Druckmittel gegen US-Präsident Trump. Viele Spitzenpolitiker haben eingestanden, dass es ohne Unterstützung der USA wahrscheinlich aussichtslos wäre, die Ukraine zu verteidigen, da ihnen die notwendigen militärischen Fähigkeiten fehlen. US-Flugabwehrsysteme vom Typ Patriot sind entscheidend, um den ukrainischen Luftraum zu schützen. Gleiches gilt für US-Geheimdienstinformationen und Raketenwerfer.
Es ist wahrscheinlich sehr schwierig für die Bevölkerung in verschiedenen Ländern zu akzeptieren, dass teure und riskante Versuche unternommen werden, um die Ukraine zu unterstützen. Innerhalb der EU können weitreichende Pläne zur Unterstützung der Ukraine nicht umgesetzt werden, da sie eine einstimmige Zustimmung erfordern und Länder wie Ungarn und die Slowakei dagegen sind.
Europäer wollen Trump zum Umdenken bringen
Die Europäer planen daher, Trump davon zu überzeugen, dass die Umsetzung des aktuellen Plans auch für Amerika gefährlich wäre. Sie könnten argumentieren, dass dies China dazu bringen könnte, Taiwan gewaltsam zu annektieren.
Die Hoffnung besteht darin, dass sich die Dinge so entwickeln könnten wie im Sommer. Auch damals gab es nach dem persönlichen Treffen von Trump und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Alaska die große Befürchtung, dass die Ukraine zu einem Friedensvertrag gezwungen werden könnte. Die Europäer schafften es jedoch, Trump zum Umdenken zu bewegen. Ein geplantes zweites Treffen in Budapest kam bisher nicht zustande. Stattdessen verhängte Trump sogar neue Sanktionen gegen russische Energieunternehmen.
Widersprüche bei Urheberschaft des Plans
In der Nacht kam es zu einem ungewöhnlichen öffentlichen Widerspruch über die Urheberschaft des Plans. Zwei US-Senatoren erklärten, Außenminister Marco Rubio habe sie in einem Telefonat unterrichtet, dass der Plan gar nicht in Washington entstanden sei. Der republikanische Senator Mike Rounds erklärte, der Plan sei von einem Repräsentanten Russlands an die US-Regierung herangetragen worden. Der parteilose Senator Angus King sagte unter Berufung auf das Gespräch mit Rubio, der Plan sei «im Wesentlichen die Wunschliste der Russen».
Kurze Zeit später widersprach ihnen der Minister aber auf der Plattform X und betonte, dass die USA Urheber des Plans seien. Dieser diene «als solider Rahmen für die laufenden Verhandlungen». Er sei von den USA erstellt worden und basiere auf «Anregungen der russischen Seite, aber auch auf früheren und aktuellen Beiträgen der Ukraine», schrieb Rubio.
Erste Kontaktaufnahme am Sonntag
Aber wie wird es jetzt genau weitergehen? Heute findet der erste direkte Kontakt zwischen den USA und der Ukraine sowie ihren wichtigsten europäischen Verbündeten auf der Ebene der außenpolitischen Berater der Staats- und Regierungschefs statt. Deutschland wird von Merz‘ Top-Diplomat Günter Sautter nach Genf vertreten. Wie Regierungssprecher Stefan Kornelius mitteilte, tagte am Abend der Nationale Sicherheitsrat unter dem Vorsitz des Bundeskanzlers zum Thema Ukraine. Großbritannien und Frankreich sind ebenfalls in Genf vertreten, ebenso wie die EU-Kommission und vermutlich auch Italien.
Nach diesem Treffen wird man sehen, ob es Chancen gibt, die US-Friedensinitiative auf ein breiteres Fundament zu stellen, das auch die Europäer mittragen können. Sie sind vorbereitet für das Treffen und haben am Samstag Änderungsvorschläge nach Washington geschickt.
Es liegen also zwei Dokumente auf dem Tisch, wenn am Sonntag die Verhandlungen in Genf beginnen. Dann bleiben bis zu der von Trump gesetzten Frist nur noch vier Tage Zeit. Einen Hoffnungsschimmer gab es am Samstagabend. Trump verneinte in Washington die Frage einer Reporterin, ob sein Friedensplan denn nun das letzte Angebot sei. «Wir versuchen, die Sache auf die eine oder andere Weise zu beenden», fügte er hinzu.








