Eine Zwei-Drittel-Mehrheit im neuen Bundestag zu erreichen, ist für eine neue Regierung kompliziert. Das erschwert auch eine mögliche Reform der Schuldenbremse. Gibt es kurzfristig noch Bewegung?
Kommt es zu einer schnellen Reform der Schuldenbremse?
Kurz nach der Wahl ist eine Debatte über eine Reform der Schuldenbremse noch durch den bestehenden Bundestag entbrannt. Mit Blick auf das Wahlergebnis sprachen sich die Grünen dafür aus, dass noch der alte Bundestag eine Reform beschließt. Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz schließt das ebenso wie die Einrichtung eines Sondervermögens für die Ukraine-Hilfen nicht aus. «Unsere Überlegungen dazu sind nicht abgeschlossen», sagte Merz. Er kündigte Gespräche darüber mit SPD, Grünen und FDP an. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) reagierte zurückhaltend.
Für eine Änderung der im Grundgesetz festgelegten Schuldenbremse ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich. Im neuen Bundestag haben jedoch AfD und Linke zusammen knapp mehr als ein Drittel der Sitze. Die beiden Parteien am politischen Rand haben daher gemeinsam eine sogenannte Sperrminorität. Selbst wenn sich Union, SPD und Grüne auf eine Reform einigen würden, hätten sie im neuen Bundestag nicht die notwendige Mehrheit.
Gemäß Artikel 39 des Grundgesetzes muss der neue Bundestag spätestens am 30. Tag nach der Wahl zusammentreten. Das wäre der 25. März. Eine Reform der Schuldenbremse müsste noch vom alten Bundestag unter großem Zeitdruck erfolgen, möglicherweise sogar mit einer Sondersitzung. Union, SPD und Grüne hätten zusammen die erforderliche Mehrheit. Auch der Bundesrat müsste mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit zustimmen.
Grüne eröffnen Debatte
Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) sagte im ARD-«Morgenmagazin»: «Wir haben keine Zwei-Drittel-Mehrheiten mehr im neuen Deutschen Bundestag, um die Verfassung zu ändern, damit wir mehr für Bildung, mehr für Infrastruktur, mehr für Verteidigung tun können. Wir könnten aber noch in diesem Monat mit dem bestehenden Bundestag uns zusammensetzen mit Bündnis 90/Die Grünen, mit der CDU/CSU, mit der SPD, um dafür sorgen, dass wir mehr ausgeben können für die Landesverteidigung.»
Auch Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und der Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck sprachen sich für eine Reform innerhalb der nächsten Wochen aus. Angesichts der Annäherung der US-Regierung von Donald Trump an Russland steht vor allem die Frage im Raum, wie Deutschland steigende Verteidigungsausgaben bewältigen kann. Habeck befürwortete ebenfalls Investitionen im großen Stil zur Ankurbelung der Wirtschaft.
Reform umstritten
Seit langem wird über eine Reform der Schuldenbremse debattiert, die neue Schulden nur begrenzt zulässt. Der Streit über die Nutzung einer Ausnahmeregelung der Schuldenbremse aufgrund der Ukraine-Milliardenhilfen war ein Hauptgrund für das Scheitern der Ampel. Die FDP war dagegen.
Merz: Noch Zeit
Merz sagte, der aktuelle Bundestag sei noch bis einschließlich 24. März im Amt. «Das heißt also, wir haben jetzt noch vier Wochen Zeit, darüber nachzudenken.» Es gebe im nächsten Bundestag eine Sperrminorität «der ganz linken und der ganz echten Seite», sagte Merz. Ein solcher Fall könne schon bei Stimmenthaltung oder der Ablehnung eines Vorschlages eintreten. «Dann haben wir keine Mehrheiten mehr, um das Grundgesetz zu ändern» und etwa Richter zum Bundesverfassungsgericht zu wählen. «Das ist eine schwierige Lage», räumte Merz ein.
Die Bundeswehr benötigt dringend mehr Geld. „Ich bin generell der Meinung, dass der Staat mit dem Geld auskommen muss, das die Steuerzahler zahlen“, so Merz. Vorher hatte Unionsfraktionsmanager Thorsten Frei eine Reform, die noch vom aktuellen Bundestag abgelehnt wurde. Er erwähnte, dass der Staat etwa 1.000 Milliarden Euro Steuern pro Jahr einnimmt. Die derzeitige Situation erfordert eine Neupriorisierung staatlicher Aufgaben.
Scholz abwartend
Kanzler Scholz sagte mit Blick auf eine schnelle Reform der Schuldenbremse, wenn, dann müsse sich ein solcher Vorstoß aus Kontakten zwischen Union und SPD ergeben «Alles andere macht gar keinen Sinn und deshalb will ich da nicht vorgreifen.» Bisher habe es keinen Kontakt gegeben. Sollte es zu Gesprächen kommen, müsse man in dem Zusammenhang «alles Mögliche erörtern, mit größter Vorsicht selbstverständlich». Es sei selten, aber nicht unmöglich, dass der alte Bundestag nach einer Bundestagswahl noch einmal zusammenkomme.
Linke nennt Bedingungen
Die Linke könnte einer Änderung des Grundgesetzes zur Reform der Schuldenbremse zustimmen, wenn mehr staatliches Geld in die soziale Infrastruktur investiert wird. Parteichefin Ines Schwerdtner erklärte jedoch, dass sie einer Aufrüstung nicht zustimmen werde.