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Scholz fasziniert von Bhutans «Bruttonationalglück»

Das Königreich Bhutan hat weniger als 800.000 Einwohner – und trotzdem einiges zu bieten, was den Bundeskanzler interessiert. Zum Beispiel Klimaneutralität und ein Bruttonationalglück.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) empfängt heute Bhutans Ministerpräsidenten Lotay Tshering.
Foto: Michael Kappeler/dpa

Bundeskanzler Olaf Scholz hat sich dafür ausgesprochen, den Wohlstand Deutschlands nicht nur am Bruttoinlandsprodukt zu messen. Beim ersten Besuch eines Regierungschefs aus dem Himalaya-Königreich Bhutan zeigte er sich beeindruckt von dem dort erhobenen «Bruttonationalglück», das neben der Wirtschaftskraft auch andere Faktoren des Wohlbefindens einbezieht.

«Bei der Messung von Wohlstand spielt Bhutan eine Vorreiterrolle», sagte der SPD-Politiker auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Ministerpräsident Lotay Tshering. «Bhutans Idee, das Glücksgefühl seiner Bürgerinnen und Bürger einzubeziehen, ist faszinierend.»

Die Idee für das Bruttonationalglück hatte in den frühen 1970er Jahren der damalige König Jigme Singye Wangchuck. Es basiert auf Indikatoren wie gutes Regieren, nachhaltige soziale und wirtschaftliche Entwicklung, Kulturförderung und Umweltschutz. Scholz sagte dazu: «Ich finde es sehr sinnvoll unseren Wohlstand nicht nur anhand von ökonomischen Größen zu messen, sondern auch nicht-materielle Faktoren einzubeziehen.» Mit dem ersten Jahreswirtschaftsbericht der Ampel-Regierung sei ein Schritt gemacht worden, indem man dort auch soziale und Ökologische Indikatoren berücksichtigt habe. Das war im Koalitionsvertrag so vereinbart worden und von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) so umgesetzt worden.

Übertragbar auf Deutschland? – «Ich weiß es nicht»

In Bhutan hat das Glück als Staatsziel eine jahrhundertelange Tradition. Schon in einem Rechtskodex aus dem 17. Jahrhunderts ist der Satz zu finden: «Wenn die Regierung kein Glück für ihr Volk schaffen kann, dann gibt es keinen Grund für den Bestand dieser Regierung.» Heute ist das Bruttonationalglück ein echtes Alleinstellungsmerkmal des kleinen Staates mitten im Himalaya-Gebirge.

Ob er es für übertragbar auf Deutschland hält, wollte Tshering nicht sagen. «Das weiß ich wirklich nicht», räumte er ein. «Ich renne übrigens auch nicht durch die Gegend und predige Glück. Es ist eine Regierungs-Philosophie oder ein Konzept, dem wir folgen.» Alle Regierungsmitglieder würden dieser Philosophie im Alltag folgen und sie dann auch auf ihre Regierungsarbeit übertragen.

«Land des Donnerdrachens» ein Kleinstaat

Bhutan liegt zwischen den beiden Großmächten Indien und China, hat weniger als 800.000 Einwohner und ist etwa so groß wie Baden-Württemberg. Das Land mit seinen mehr als 7000 Meter hohen Gipfeln, das in der eigenen Sprache «Land des Donnerdrachens» heißt, zählt zu den abgeschottetsten der Welt. Mit Deutschland nahm es erst im November 2020 diplomatische Beziehungen auf.

Ministerpräsident Tshering ist nun als erstes Regierungsmitglied Bhutans in Deutschland. Obwohl er einen der kleinsten Staaten der Welt repräsentiert, wurde er in Berlin protokollarisch so empfangen wie ein französischer oder amerikanischer Präsident bei einem Antrittsbesuch: Militärische Ehren vor dem Kanzleramt, gemeinsame Pressekonferenz mit dem Kanzler nach dem Gespräch. Auch ein Besuch bei Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue steht auf seinem Programm.

Einziges klimaneutrales Land der Welt

Das Bruttonationalglück ist nicht das einzige Alleinstellungsmerkmal des Landes. Es gilt auch als einziges klimaneutrales Land der Welt. Das heißt: Es werden mindestens so viele klimaschädliche Gase abgebaut wie ausgestoßen. Bhutan erreicht das durch riesige Wälder, die mehr als zwei Drittel der Landesfläche bedecken und massenweise Kohlendioxid binden. Dass es mindestens 60 Prozent Wald sein müssen, ist in der Verfassung festgeschrieben. Das stark industrialisierte Deutschland hat sich vorgenommen, die Klimaneutralität bis 2045 zu erreichen – vor allem durch eine Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energien etwa aus Wind, Wasserstoff oder Sonne.

dpa