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Scholz‘ China-Reise: Balanceakt zwischen Wirtschaft und Kritik

Der Kanzler besucht drei Städte in China, um wirtschaftliche Interessen zu wahren und Kritik an Menschenrechtsverletzungen zu üben.

Während seiner China-Reise wird Olaf Scholz auch politische Gespräche mit Xi Jinping führen.
Foto: Kay Nietfeld/dpa Pool/dpa

Bundeskanzler Olaf Scholz hat noch nie so viel Aufmerksamkeit einem einzelnen Land mit einer Reise geschenkt. Von Sonntagmorgen bis Dienstagabend wird er sich drei volle Tage lang in China aufhalten und dabei gleich drei Metropolen besuchen.

Neben Peking führt die Reise nach Chongqing – mit 32 Millionen Einwohnern im Zentrum und Umland die wohl bevölkerungsreichste Stadt der Welt – sowie in die Wirtschaftsmetropole Shanghai. Der Kanzler wird bei seinen Gesprächen in Peking von drei Ministern begleitet und auf der gesamten Reise von etwa einem Dutzend Top-Managern unterstützt.

Warum dieser Einsatz für ein Land, das die demokratische Inselrepublik Taiwan bedroht, Russland die Treue hält und mit harter Hand gegen Oppositionelle und ethnische Minderheiten im eigenen Land vorgeht?

China sei «gleichzeitig Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale», heißt es in der China-Strategie, auf die sich die Ampel-Regierung im vergangenen Sommer nach langen Beratungen verständigt hat. In diesem Sinne ist eine Kanzler-Reise nach China immer ein schwieriger Balanceakt zwischen der Wahrung wirtschaftlicher Interessen und der Notwendigkeit, an der einen oder anderen Stelle klare Kante zu zeigen.

Der Antrittsbesuch war nur ein Tagestrip

Der Kanzler reist zum zweiten Mal nach China, seit er im Dezember 2021 vereidigt wurde. Der Antrittsbesuch im November 2022 war aufgrund der anhaltenden Corona-Pandemie nur ein Tagestrip. Diesmal plant er, drei Tage zu bleiben, um politische Gespräche mit Staats- und Parteichef Xi Jinping sowie Ministerpräsident Li Qiang in Peking zu führen. Außerdem wird er Standorte deutscher Unternehmen besuchen und mit Studenten diskutieren. In Chongqing ist sogar eine Bootsfahrt auf dem Jangtse-Fluss geplant.

Die einzige ähnlich umfangreiche Reise des Kanzlers in ein Land war sein Antrittsbesuch in Kanada, wo Scholz im August des vergangenen Jahres ebenfalls an drei Orten Station machte, aber insgesamt nur rund 48 Stunden blieb. Vergleicht man die Scholz-Reise mit den China-Trips der Vorgänger, wirkt sie jedoch nicht mehr ganz so beeindruckend. Dass man eine China-Reise nicht auf Peking beschränkt, war schon bei Helmut Kohl, Gerhard Schröder und Angela Merkel so.

Schröder hatte auch schon mal 50 Manager im Schlepptau

Auch die Beteiligung einer Wirtschaftsdelegation ist üblich. Schröder hat bereits 50 Manager mitgenommen, um dann mit Milliardenverträgen im Gepäck zurückzukehren. Unter Merkel gehörten der Wirtschaftsdelegation in der Regel noch etwa 20 bis 25 Manager an.

Bei Scholz ist es jedoch etwas bescheidener. Er möchte nicht, dass die Reise als Verkaufsveranstaltung angesehen wird. Schließlich strebt seine Regierung an, die wirtschaftliche Abhängigkeit von China zu verringern, um ein ähnliches Szenario wie bei der Kappung der russischen Gaslieferungen nach dem Angriff auf die Ukraine zu vermeiden.

Die Strategie zündet nicht wirklich in der deutschen Wirtschaft. Die rund 5000 deutschen Unternehmen in China machen sich eher Sorgen um unfaire Wettbewerbsbedingungen und die Exporteure um sinkende Absatzzahlen. Im Gegenzug überfluten günstige chinesische Elektroautos den europäischen Markt. Die EU-Kommission hat daher eine Untersuchung wegen möglicher illegaler Subventionierung eingeleitet. Wenn dies zu Gegenmaßnahmen führt, könnte dies einen Handelskrieg auslösen, besonders befürchten das die deutschen Autobauer. Die Kanzlerin wird sich in Peking dazu positionieren müssen.

Ukraine: Entscheidende Rolle Chinas bei Friedensgipfel

Bei der Reise geht es jedoch nicht nur um Wirtschaft. Ein Erfolg des Antrittsbesuchs des Kanzlers in Peking vor anderthalb Jahren war, dass Xi sich nach seinem Gespräch mit Scholz gegen die russischen Drohungen mit dem Einsatz von Atomwaffen stellte. Diesmal wird es wahrscheinlich auch um die Ukraine-Friedenskonferenz gehen, die Mitte Juni in der Schweiz stattfinden soll. Der mögliche Erfolg hängt entscheidend von der Teilnahme Chinas ab. Scholz wird daher wahrscheinlich genau dafür werben.

China bleibt der wichtigste Partner Russlands und setzt sich aktiv dafür ein, den Konflikt zu lösen. Im letzten Jahr hat die chinesische Regierung ein Positionspapier vorgelegt und ihren Sondergesandten Li Hui bereits zweimal nach Europa geschickt – zuletzt im März.

China wird aber auch verdächtigt, Russland Güter zu liefern, die auch militärisch nutzbar sind. Auch das könnte bei dem Besuch Thema werden. «Es geht darum, dass China Russland nicht dabei unterstützt, gegen seinen Nachbarn Ukraine einen brutalen Krieg zu führen», sagte Scholz vor der Reise der «tageszeitung». «Auch China kann klar machen, dass dieser unsinnige imperialistische Krieg enden muss.»

Taiwan: Chinas Drohungen halten an

In Bezug auf Taiwan dürfte Scholz seine Warnung vor Gewaltanwendung gegen die Inselrepublik wiederholen. Der Repräsentant Taiwans in Deutschland, Jhy-Wey Shieh, beklagt, dass die chinesischen Drohungen seit der letzten Reise des Kanzlers eher noch zugenommen hätten. «Vielleicht haben die Chinesen den Schuss damals nicht so richtig verstanden», sagt er. Daher wäre es «nicht schlecht, wenn Herr Scholz das noch einmal deutlich im Klartext sagen würde».

Menschenrechte: Scholz will «Dialog auf Augenhöhe»

Und dann ist da wie bei jeder Reise noch das Thema Menschenrechte, zum Beispiel Repressalien gegen Angehörige der muslimischen Minderheit der Uiguren in Xinjiang. «Ein Dialog auf Augenhöhe bedeutet für mich, auch über solche Themen offen zu sprechen. So hat es meine Vorgängerin auch gehalten», sagt Scholz.

Deutsche Menschenrechtsorganisationen sind da aber skeptisch. «Unser Eindruck ist: Für Olaf Scholz haben Menschenrechte kaum Priorität», sagt David Missal von der Tibet Initiative Deutschland. Er beklagt, dass Scholz vor der Reise Gespräche mit Menschenrechtsorganisationen abgelehnt habe und «chinafreundliche Minister» wie Verkehrsminister Volker Wissing mitnehme, der sich gegen einen Ausschluss des chinesischen Telekommunikationskonzerns Huawei aus dem deutschen 5G-Netz stemme.

In der China-Strategie der Bundesregierung heiße es, dass sie sich für Menschenrechte und weniger Abhängigkeiten von China einsetzen wolle, moniert Missal. «Scholz‘ China-Reise deutet in die genau gegenteilige Richtung.»

dpa