Scholz betont Deutschlands Unterstützung und Solidarität mit der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg.
Deutschland verspricht weitere Rüstungslieferungen an die Ukraine

Bundeskanzler Olaf Scholz ist in Kiew zu seinem ersten Ukraine-Besuch seit zweieinhalb Jahren angekommen. Bei seiner Ankunft mit dem Zug kündigte der SPD-Politiker weitere Rüstungslieferungen im Wert von 650 Millionen Euro an das von Russland angegriffene Land noch im Dezember an. «Ich möchte hier vor Ort deutlich machen, dass Deutschland der stärkste Unterstützer der Ukraine in Europa bleiben wird», sagte er.
«Die Ukraine kann sich auf Deutschland verlassen»
Sein Besuch sei ein Zeichen der Solidarität mit einem Land, dass sich seit mehr als 1000 Tagen «auf heldenhafte Art und Weise gegen den erbarmungslosen russischen Angriffskrieg» verteidige. «Die Ukraine kann sich auf Deutschland verlassen. Wir sagen, was wir tun. Und wir tun, was wir sagen.»
Deutschland gilt nach den USA als wichtigster Waffenlieferant der Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland. Nach deutschen Regierungsangaben wurden seit der russischen Invasion am 24. Februar 2022 deutsche Waffen und militärische Ausrüstung im Wert von rund 28 Milliarden Euro in die Ukraine geliefert oder zugesagt. Dazu gehören die von Scholz angekündigten Lieferungen für 650 Millionen Euro im Dezember. «Deutschland macht in diesem Jahr mehr als Großbritannien und Frankreich zusammen. Da könnte man sogar noch ein paar Länder mit draufpacken», hatte der Kanzler erst am Wochenende gesagt.
Treffen mit Selenskyj in Kiew
Er plant, den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Kiew zu treffen. Der Besuch wurde aus Sicherheitsgründen nicht im Voraus angekündigt. Kiew wird derzeit regelmäßig von russischen Drohnen angegriffen.
Der Kanzler besuchte kurz vor der russischen Invasion im Februar 2022 erstmals die ukrainische Hauptstadt. Im Juni 2022 folgte ein weiterer Besuch zusammen mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem damaligen italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi, vier Monate nach dem russischen Angriff. Die drei ebneten den Weg dafür, dass die Ukraine EU-Beitrittskandidat wurde.
Einladung in die Nato: Selenskyj erhöht den Druck
Der Wunsch nach einer formellen Einladung in die Nato wurde der Ukraine dagegen bis heute nicht erfüllt. Selenskyj erhöht angesichts der russischen Gebietsgewinne in den vergangenen Wochen nun allerdings den Druck. «Die Einladung in die Nato ist eine notwendige Sache für unser Überleben», sagte er am Sonntag in Kiew. Er machte deutlich, dass er sich einen entsprechenden Beschluss beim Nato-Außenministertreffen in Brüssel an diesem Dienstag und Mittwoch wünsche. Dass es dazu kommt, hält der Ukrainer allerdings für unwahrscheinlich. Als Grund nannte er explizit die Skepsis in den USA, Deutschland und Ungarn.
Es kann sicher davon ausgegangen werden, dass Selenskyj das Thema bei seinem Treffen mit Scholz ansprechen wird. Insbesondere die Länder an der Nato-Ostflanke wie Polen und die baltischen Staaten hatten bereits im letzten Jahr beim Nato-Gipfel in Vilnius auf eine Einladung an die Ukraine gedrängt, während Deutschland und die USA noch zögerten.
Kein «Russisch Roulette»: Ukraine als Wahlkampfthema
Der Besuch des Kanzlers erhält zusätzliche Brisanz durch den beginnenden Wahlkampf. Scholz betont seine Doppelstrategie in der Ukraine-Politik als Alleinstellungsmerkmal der SPD: Einerseits verspricht er der Ukraine weitere Waffenlieferungen für den Abwehrkampf gegen Russland. Andererseits strebt er danach, zu verhindern, dass Deutschland und die Nato in den Krieg hineingezogen werden.
Das bedeutet konkret, dass Scholz die bereits im Mai 2023 von der Ukraine angeforderten Marschflugkörper Taurus mit einer Reichweite von 500 Kilometern nicht liefert und auch keine grundsätzliche Erlaubnis für den Einsatz der von Deutschland gelieferten Waffen gegen russisches Territorium erteilt. Die einzige Ausnahme bildet die Region um die ukrainische Großstadt Charkiw nahe der Grenze, wo die deutschen Raketenwerfer Mars II mit einer Reichweite von 84 Kilometern eingesetzt werden dürfen.
Beim Wahlkampfauftakt der SPD warf Scholz seinem Herausforderer Friedrich Merz (CDU) am Wochenende vor, mit seinem Ukraine-Kurs die Sicherheit Deutschlands aufs Spiel zusetzen. Der Unions-Kanzlerkandidat wolle der Nuklearmacht Russland mit Blick auf eine mögliche Taurus-Lieferung ein Ultimatum stellen, sagte Scholz. «Ich kann da nur sagen Vorsicht: Mit der Sicherheit Deutschlands spielt man nicht Russisch Roulette.» Merz hatte im Bundestag vorgeschlagen, der russischen Führung mit der Lieferung von Taurus an die Ukraine zu drohen, falls sie die Angriffe auf die ukrainische Zivilbevölkerung nicht einstelle.
Selenskyj verärgert über Telefonat mit Putin
Für Irritationen sorgt in der Ukraine nicht nur Scholz‘ Haltung zum Einsatz weitreichender Waffen gegen Ziele auf russisches Gebiet, sondern auch das diplomatische Agieren des Kanzlers. Mitte November hatte Scholz zum ersten Mal seit knapp zwei Jahren wieder mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin telefoniert. Selenskyj sagte anschließend, Scholz habe damit die «Büchse der Pandora» geöffnet.
Ähnlich äußerte sich der ukrainische Botschafter in Berlin, Oleksii Makeiev, am vergangenen Freitag. «Wir haben gesehen, dass Russland und Putin nicht auf Gespräche setzen, sondern auf harte Taten», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Russland müsse nun mit «harten Tatsachen» dazu gezwungen werden, sich aus der Ukraine zurückzuziehen.
Sorge vor Amtsantritt Trumps
Die ukrainischen Streitkräfte sind derzeit auf dem Schlachtfeld stark unter Druck. „Die russischen Truppen konnten in letzter Zeit erneut bedeutende Geländegewinne verzeichnen.“
Der Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump am 20. Januar bereitet der Ukraine ebenfalls Sorgen. Es ist unklar, ob er die Militärhilfe der USA fortsetzen wird. Die Europäer wären kaum in der Lage, diese Lücke zu füllen.
Beinahe jede Nacht Luftalarm in Kiew
Die Sicherheitslage in Kiew hat sich seit September verschlechtert. Fast jede Nacht gibt es aufgrund von russischen Drohnenangriffen stundenlange Luftalarme. Die ukrainische Flugabwehr kann die Angriffe in der Regel abwehren, aber immer wieder werden Gebäude durch herabstürzende Trümmerteile beschädigt. Es kommt selten zu Verletzten und Toten. Darüber hinaus hat die russische Luftwaffe im November ihre massiven Raketenschläge gegen die Energieinfrastruktur wieder aufgenommen.