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Scholz oder Pistorius: Es kann nur einen geben

Während Olaf Scholz in Rio beim G20-Gipfel über die Weltlage diskutierte, bröckelte in Berlin die Unterstützung für seine Kanzlerkandidatur. Jetzt steht die Entscheidung an.

Kanzler Scholz ist nach dem G20-Gipfel in Rio zurück in Berlin. Wie wird nun die K-Frage der SPD beantwortet?
Foto: Kay Nietfeld/dpa

Armutsbekämpfung, Klimakrise, Taurus-Marschflugkörper: Dies sind die Themen, mit denen sich Kanzler Olaf Scholz in den vergangenen drei Tagen bei hochsommerlichen Temperaturen beim G20-Gipfel in Rio de Janeiro befasst hat. Um 10.34 Uhr landete er bei zwei Grad wieder in Berlin. Ab jetzt gibt es für ihn zunächst nur noch eins: die Kanzlerkandidatur der SPD.

Warum stellt sich die K-Frage überhaupt?

Scholz hatte sich bereits im Juli auf seiner traditionellen Sommerpressekonferenz quasi selbst zum Kanzlerkandidaten erklärt. «Ich werde als Kanzler antreten, erneut Kanzler zu werden», sagte er damals. Nun ist jedoch seine Ampel-Regierung zerbrochen, die er eigentlich zu einem Projekt für mehr als vier Jahre machen wollte. Scholz ist jetzt nur noch Kanzler auf Abruf. In den Umfragen erhält er seit Monaten schwache Werte, während sein Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) in allen Politiker-Ranglisten stabil auf Platz eins steht.

In der SPD wird schon seit langem unter der Hand über eine Einwechslung des Niedersachsen Pistorius als Ersatzkandidaten debattiert. Die Debatte nahm jedoch erst Fahrt auf, nachdem der Vorstand vergangene Woche beschloss, in seiner ersten Sitzung nach der Entscheidung für eine Neuwahl des Bundestags keine klaren Verhältnisse zu schaffen.

Was spricht für Scholz?

Scholz verfügt über umfangreiche Regierungserfahrung. Vor seiner Amtszeit als Bundeskanzler war er sowohl Arbeitsminister als auch Finanzminister unter der CDU-Kanzlerin Angela Merkel. Darüber hinaus leitete er sieben Jahre lang Hamburg als Erster Bürgermeister und kennt daher die Länder sehr gut. Er ist in allen Themen tief verwurzelt und hat bereits gezeigt, dass er schlechte Umfragewerte umdrehen kann. Bei der letzten Bundestagswahl lag er zweieinhalb Monate vor dem Wahltermin 16 Prozentpunkte hinter seinem Konkurrenten Armin Laschet von der CDU – und siegte.

Was spricht für Pistorius?

Er wird als authentisch und zupackend angesehen und ist daher wahrscheinlich in allen Umfragen der beliebteste Politiker. Zudem ist er ein neues Gesicht im Wahlkampf, das die Union möglicherweise verunsichern könnte. Bisher hat sich die Union voll und ganz auf Scholz konzentriert. Pistorius könnte den Wahlkämpfern der SPD neuen Schwung verleihen. Außerdem könnte er einige Wähler mobilisieren, die frustriert von der Politik in Berlin sind.

Wer entscheidet über die Kanzlerkandidatur?

Der Vorstand der SPD besteht aus 34 Politikern. Lars Klingbeil und Saskia Esken sind die Vorsitzenden, während Matthias Miersch der Generalsekretär ist. Alle drei haben sich bereits vor dem Ende der Ampel-Koalition hinter Scholz gestellt. Pistorius ist ebenfalls Teil des Gremiums, Scholz jedoch nicht. Der Kanzler nimmt jedoch in der Regel an den Vorstandssitzungen teil. Die Entscheidung des Parteivorstands muss noch vom Parteitag am 11. Januar bestätigt werden, was jedoch in der Regel als Formsache gilt.

Wann fällt die Entscheidung?

Klar ist nur, dass die Entscheidung des Vorstands bis zum 30. November fallen soll. Dann will die SPD ihren Kanzlerkandidaten auf ihrer «Wahlsiegkonferenz» erstmals groß präsentieren und den Wahlkampf einläuten. Bis dann sind es noch zehn Tage. In diesem Zeitraum wird die Entscheidung eher früher als später erwartet. Für kommenden Montag ist eine reguläre Vorstandssitzung geplant. Das Spitzengremium könnte aber auch früher oder später zusammenkommen, um eine Entscheidung zu treffen.

Wie stehen die Chancen?

Es gibt keine klare Tendenz. In den vergangenen Tagen haben sich erst einzelne Kommunal- und Landespolitiker, später auch drei Bundestagsabgeordnete offen für Pistorius ausgesprochen. Viel Aufmerksamkeit bekam eine Erklärung der beiden Vorsitzenden der nordrhein-westfälischen Bundestagsabgeordneten, Dirk Wiese und Wiebke Esdar, in der von «viel Zuspruch für Boris Pistorius» die Rede war.

Die Parteiführung hat mehrmals ihre Unterstützung für Scholz bestätigt, konnte die Debatte jedoch nicht beenden. Am Dienstagabend, kurz bevor Scholz nach Rio flog, traf sich das enge Führungsgremium zur Vorbereitung des Wahlkampfs. Die K-Frage wurde dabei noch nicht geklärt.

dpa