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Scholz’ Reise ins Ungewisse: Erstmal G20, aber was dann?

Die SPD hat ihre K-Frage immer noch nicht geklärt, aber der Kanzler ist jetzt erst einmal für drei Tage weg. Nach dem G20-Gipfel wird eine Entscheidung fallen.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) reist zum G20. (Archivbild)
Foto: Michael Kappeler/dpa

Es ist sicher: Das G20-Treffen in Rio de Janeiro, zu dem Bundeskanzler Olaf Scholz am Sonntagmittag aufbricht, wird nicht sein letzter Gipfel sein. Am 19. und 20. Dezember steht noch ein EU-Gipfel in Brüssel an, der als Pflichttermin in seinem Kalender vermerkt ist. Zu diesem Zeitpunkt wird er zwar die Vertrauensfrage im Bundestag bereits verloren haben, aber dennoch Kanzler sein.

Ob er dann auch Kanzlerkandidat der SPD wird, ist noch nicht sicher. Obwohl bereits seit zehn Tagen feststeht, dass der Bundestag neu gewählt wird, hat die Parteispitze bisher darauf verzichtet, ihn mit einem Vorstandsbeschluss zu nominieren. Dies hätte am vergangenen Montag möglich sein können. Es geschah jedoch nichts. Dies hat zu einer Debatte über die mögliche Einsetzung des in den Umfragen deutlich beliebteren Verteidigungsministers Boris Pistorius als Kanzlerkandidat geführt, die immer mehr an Fahrt aufnimmt.

Eine Überlebensfrage für die SPD?

Mehrere Kommunalpolitiker haben mittlerweile öffentlich für Pistorius gesprochen. Die Stimmung in der Partei spricht eindeutig für einen Wechsel, sagte kürzlich der Vorsitzende des SPD-Unterbezirks Bochum, Serdar Yüksel, dem «Stern». «Wenn Sie in der SPD die Mitglieder befragen würden, wären 80 Prozent für Pistorius.» Ob Scholz noch einmal kandidiert, ist auch nicht allein seine persönliche Entscheidung. «Es geht jetzt um die Frage, ob die SPD überlebt.»

Die SPD-Spitze versucht seit Tagen vergeblich gegen die anschwellende Debatte anzureden. «Olaf Scholz ist der Kanzler. Und alle, die in der SPD Verantwortung tragen, haben in den letzten Tagen auch deutlich gemacht, dass wir hinter ihm stehen», sagte Parteichef Lars Klingbeil auch am Wochenende wieder am Rande einer SPD-Veranstaltung in Essen.

Müntefering: «Selbstverständlich sind Gegenkandidaturen möglich»

Kurz vor der Abreise des Kanzlers nach Rio meldete sich mit Franz Müntefering aber nun auch noch der wohl beliebteste noch lebende Ex-Parteichef zu Wort. Der 84-Jährige forderte eine Entscheidung auf einem Parteitag, notfalls in einer Kampfabstimmung: «Selbstverständlich sind Gegenkandidaturen in der eigenen Partei grundsätzlich möglich und kein Zeichen von Ratlosigkeit. Sie sind praktizierte Demokratie», sagte er dem «Tagesspiegel». 

Mexiko-Reise abgesagt: «Es ist ja einiges los hier»

In dieser Zeit ist Scholz für fast drei Tage abwesend. Beim Gipfel in Rio geht es um Armutsbekämpfung, die Reform internationaler Institutionen wie UN, IWF und Weltbank, Klimaschutz sowie die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten. Der Kanzler wird auch bilaterale Gespräche führen, darunter mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping.

Eigentlich wollte Scholz am Dienstagabend auch noch weiter nach Mexiko reisen, in das einzige lateinamerikanische G20-Land, das er in seiner knapp dreijährigen Amtszeit noch nicht besucht hat. Dieser Teil der Reise wurde aber «aufgrund der aktuellen Situation» kurzfristig abgesagt, um «frühzeitig wieder hier in Berlin zu sein», wie es in seinem Umfeld hieß. «Es ist ja einiges los hier.» 

Entscheidung bis zum 30. November

Scholz landet am Mittwochmorgen wieder in Berlin. Dann dürfte es nur noch eine Frage von Tagen sein, bis die Entscheidung in der K-Frage fällt. Bis zu dem für den 11. Januar geplanten Parteitag wird die Parteiführung nun nicht mehr warten. Am 30. November ist in Berlin eine «Wahlsiegkonferenz» geplant, auf der der Kanzlerkandidat seinen ersten großen Auftritt haben soll.

Viel hängt an Scholz selbst. Er hatte sich bereits im Juli auf seiner traditionellen Sommerpressekonferenz quasi selbst zum Kanzlerkandidaten gekürt. «Ich werde als Kanzler antreten, erneut Kanzler zu werden», sagte er damals. Für einen Wechsel müsste er nun einen Rückzieher machen. Lange Zeit galt das als undenkbar. 

Scholz macht die Tür einen Spalt auf

In einem am Freitag veröffentlichten Interview der «Süddeutschen Zeitung» öffnete Scholz die Tür aber zumindest einen Spalt. Auf die Frage, ob er sich unter bestimmten Umständen vorstellen könnte, die Kandidatur zu überdenken, antwortete er ausweichend. «Na ja, die Umstände der nächsten Wahl sind doch ziemlich klar», sagte er. Auf die Nachfrage, wie es bei einer Verschlechterung der Umfragewerte wäre, fügte er hinzu: «Die Zuverlässigkeit solcher Umfragen ist überschaubar, wie die letzte Bundestagswahl gezeigt hat, auch wenn das manche schnell vergessen haben.»

Tatsächlich könnten die Umfragen in den nächsten Tagen noch eine Rolle bei der Entscheidung der K-Frage spielen. In einer am Samstag veröffentlichten Insa-Erhebung im Auftrag der «Bild am Sonntag» gewann die SPD einen Prozentpunkt auf 16 hinzu – liegt aber immer noch 16 Punkte hinter der Union mit 32 Prozent.

Ratschlag von Joe Biden in Rio?

In Rio wird Scholz auf jemanden treffen, der ihm möglicherweise einen Rat geben kann: der scheidende US-Präsident Joe Biden. Der 81-Jährige hatte nach Zweifeln an seiner Fitness und massivem öffentlichen Druck seine Kandidatur für eine Wiederwahl zugunsten seiner Vizepräsidentin Kamala Harris zurückgezogen. Es half jedoch nichts. Harris verlor gegen den Republikaner Donald Trump, der am 20. Januar wieder ins Weiße Haus einziehen wird.

dpa