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Schuldenpaket im Bundesrat – wie es danach weitergeht

Pforten auf für eine riesige Schuldenaufnahme? Ganz so einfach ist es nicht, auch wenn der Bundesrat heute zustimmen dürfte.

Der Bundesrat ist die letzte große Hürde für das von Union und SPD angestoßene Schuldenpaket. (Archivbild)
Foto: Kay Nietfeld/dpa

Das historische Paket mit Milliardenschulden für Verteidigung, Infrastruktur und Klimaschutz soll heute im Bundesrat die letzte große Hürde nehmen. Stimmen die Länder mit Zweidrittelmehrheit zu, ist es beschlossen. Das dürfte für Erleichterung beim voraussichtlich nächsten Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und den Koalitionsverhandlern von Union und SPD sorgen – denn diese Milliarden sollen die Grundlage für ihre schwarz-rote Bundesregierung bilden.

Was soll geändert werden? 

Es gibt Änderungen an drei Artikeln des Grundgesetzes zur Abstimmung. Deutschland könnte dann theoretisch unbegrenzt viel Geld in Verteidigung, Zivilschutz, Nachrichtendienste und Cybersicherheit investieren. Die Schuldenbremse gilt nur noch für einen Teil dieser Ausgaben, alles darüber hinaus kann beliebig durch Kredite finanziert werden.

Des Weiteren wird ein separater Fonds umgangen, der mit Krediten von bis zu 500 Milliarden Euro gefüllt wird. Aus diesem sollen die Reparatur der maroden Infrastruktur – also Brücken, Energienetze, Straßen oder Schulen – finanziert werden. 100 Milliarden Euro sind fest für den Klimaschutz und den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft vorgesehen.

Die Finanzierung ist jedoch nur möglich, wenn im regulären Haushalt eine angemessene Investitionsquote eingehalten wird. Dies soll sicherstellen, dass Union und SPD keine Wahlgeschenke über Umwege finanzieren.

Kann noch was schiefgehen?

Im Bundesrat ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Das bedeutet, dass mindestens 46 der 69 Stimmen Ja-Stimmen sein müssen. Es ist üblich, dass ein Bundesland nur zustimmt, wenn die Regierungskoalition vor Ort einig ist. Regierungen mit Beteiligung von BSW, Linken und FDP müssen sich daher wahrscheinlich enthalten. Die entscheidenden sechs Stimmen für eine Mehrheit werden wahrscheinlich aus Bayern kommen, wo sich CSU und Freie Wähler Anfang der Woche auf eine Zustimmung geeinigt haben.

Die Länder profitieren auch deutlich von dem Paket: Sie erhalten nicht nur 100 der 500 Milliarden Euro für Infrastruktur und Klimaschutz. Sie können nun gemeinsam Schulden in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufnehmen – bisher galt für die Länder eine Schuldengrenze von null.

Ab wann sind die Änderungen in Kraft?

Nach der Zustimmung des Bundesrats steht nur noch die Unterzeichnung des Gesetzes durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier aus. Diese wird in der nächsten Woche erwartet.

Es wird berichtet, dass die Juristen im Bundespräsidialamt bereits damit begonnen haben, zu prüfen, ob die Grundgesetzänderung gemäß den Verfassungsvorschriften zustande gekommen ist. Die Tatsache, dass das Bundesverfassungsgericht das Verfahren vor der Abstimmung im Bundestag für rechtens erklärt hat, wird es Bundespräsident Steinmeier wahrscheinlich erleichtern, seine Unterschrift unter das Gesetz zu setzen.

In einigen Ländern muss die Verfassung geändert werden, um die Schuldenbremse zu lockern – nur in Nordrhein-Westfalen, Berlin, Thüringen und im Saarland ist keine Schuldenbremse in der Landesverfassung verankert.

Wie viele Schulden werden dann dieses Jahr aufgenommen?

Das ist noch nicht entschieden. In ihrem Haushaltsplan für 2025 hatte die Ampel-Regierung Verteidigungsausgaben von 53 Milliarden Euro vorgesehen. Gemäß den neuen Regeln müssten nur etwa 44 Milliarden davon auf die Schuldenbremse angerechnet werden, während die restlichen neun Milliarden über Kredite finanziert werden könnten.

Die Lockerung für Ausgaben in den Bereichen Zivilschutz, Cyberabwehr, Nachrichtendienste und Hilfen für völkerrechtswidrig angegriffenen Staaten erhöht den Spielraum zusätzlich. Tobias Hentze vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) nennt in einer Berechnung, die dem «Handelsblatt» vorliegt, weitere 13 Milliarden Euro. 

Es besteht die Möglichkeit, dass die neue Bundesregierung entscheidet, das Bürgergeld für Geflüchtete aus der Ukraine über Kredite zu finanzieren oder den Verteidigungsetat deutlich zu erhöhen. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte im November erklärt, dass die Bundeswehr etwa 58 Milliarden Euro benötige, um Fähigkeitslücken schnell zu schließen, da es nun grundgesetzlich keine Begrenzung der Ausgaben in diesen Bereichen mehr gibt.

Bedeutet das unbegrenzte Möglichkeiten?

„Nein, aber die zukünftige Einschränkung wird wahrscheinlich weniger das Geld sein. Es wird mehr um die Kapazitäten der Industrie und im Fall des Infrastruktur-Sondertopfes um die Verfügbarkeit von Handwerkern und Rohstoffen sowie die Planungskapazität in Behörden gehen. Die Höhe der neuen Schulden wird also davon abhängen, was überhaupt so schnell beauftragt werden kann.“

In der Regel gilt bei Verteidigungsausgaben das Prinzip: „Bezahlt wird erst bei Lieferung – und so weit muss man ja erstmal kommen.“

Wer entscheidet, wofür wie viel Geld ausgegeben wird?

Pistorius hebt hervor, dass dies nicht nur in der Verantwortung der Bundesregierung liegt. Letztendlich entscheidet das Parlament über den Haushaltsplan und somit auch über die Höhe der Verteidigungsausgaben. Für das Sondervermögen muss noch ein sogenannter Wirtschaftsplan erstellt werden, der festlegt, welche Projekte finanziert werden. Obwohl ein Vorschlag von den entsprechenden Ministerien kommt, hat auch hier der Bundestag das letzte Wort.

Es wird voraussichtlich noch viel über Details gestritten werden. Ein Beispiel ist der Klimaschutz: Einige Politiker und Bundesländer betrachten Maßnahmen zur Klimaanpassung, wie einen verbesserten Hochwasserschutz, als Teil davon. Andere argumentieren, dass man zwar gegen die Folgen des Klimawandels vorgehe, ihn aber nicht bekämpfe.

Auch die Verteilung der neuen Schuldenmöglichkeiten der Länder zwischen den verschiedenen Bundesländern muss noch in einem weiteren Gesetz festgelegt werden.

Wann werden die Schulden zurückgezahlt?

Auch dies ist noch nicht geklärt. Es muss ein Tilgungsplan für das Infrastruktur-Sondervermögen erstellt werden. Ob die Verteidigungskredite, die durch die Lockerung der Schuldenbremse möglich sind, jemals zurückgezahlt werden, ist ungewiss. Denn die Verschuldung eines Staates ist zunächst nicht problematisch – vorausgesetzt er wird als kreditwürdig angesehen. Dabei spielt vor allem die erwartete Wirtschaftsleistung eine Rolle, aber auch beispielsweise eine stabile Demokratie.

In der Regel wird das Verhältnis von Schulden zur Wirtschaftsleistung betrachtet. Aufgrund des überwiegenden Wachstums der Wirtschaft in der langfristigen Betrachtung wird der Schuldenberg im Verhältnis dazu immer kleiner. Allerdings können jährlich anfallende Zinszahlungen schmerzhaft sein.

Welchen Einfluss hat das Paket auf die Koalitionsverhandlungen?

Wer denkt, dass alle finanziellen Probleme einer neuen Bundesregierung gelöst sind, der täuscht sich. Zwar sind die Milliarden dringend erforderlich, aber im Haushalt wird immer noch eine große Lücke bestehen. Denn CDU, CSU und SPD haben teure Vorhaben beschlossen wie die Ausweitung der Mütterrente, die Erhöhung der Pendlerpauschale und eine Steuersenkung für die Gastronomie.

Sie dürfen das Geld aus dem Infrastrukturtopf nur verwenden, wenn gleichzeitig angemessen in den normalen Haushalt investiert wird. Merz hat bereits angekündigt, dass an anderer Stelle gespart werden muss. Daher verlaufen die Gespräche in vielen Gruppen, die am Koalitionsvertrag arbeiten, momentan auch zäh.

dpa