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Schwangerschaftsabbruch: Wird Paragraf 218 noch reformiert?

Seit Jahrzehnten ringt die deutsche Politik um den Umgang mit Abtreibung. Aktuell gilt ein Kompromiss, der Experten zufolge oft abschreckend wirkt. Hat der Bundestag noch Kraft für eine Änderung?

Bisher steht Schwangerschaftsabbruch im Strafgesetzbuch.
Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Es ist für Betroffene oft eine schwierige Entscheidung, die sie treffen müssen, und für die Gesellschaft ein sehr sensibles Thema: Abtreibung. In Deutschland ist der Schwangerschaftsabbruch illegal – auch wenn er unter bestimmten Bedingungen straffrei ist. Hunderte Abgeordnete verschiedener Fraktionen im Bundestag wollen dies nun ändern. Heute wird ihr Antrag erstmals im Parlament diskutiert. Es könnte das Ende einer langjährigen Debatte sein – es sei denn, das Ampel-Aus verhindert das Vorhaben.

Was gilt bisher bei Schwangerschaftsabbrüchen?

Derzeit gibt es in Paragraph 218 des Strafgesetzbuches in Deutschland eine Art Kompromiss: Abtreibung ist grundsätzlich rechtswidrig, da das ungeborene Leben gemäß Grundgesetz geschützt werden muss. Innerhalb der ersten zwölf Wochen und nach einer Beratung ist sie jedoch nicht strafbar. Ein Schwangerschaftsabbruch bleibt ebenfalls straffrei, wenn medizinische Gründe vorliegen oder er aufgrund einer Vergewaltigung durchgeführt wird.

Warum wollen Abgeordnete mehrerer Fraktionen das ändern?

Ihrer Meinung nach werden Frauen, die eine Abtreibung wünschen, aufgrund des Gesetzes schlechter versorgt. Die strafrechtliche Regelung schreckt Ärztinnen und Ärzte davon ab, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen. Darüber hinaus gehen die Parlamentarier davon aus, dass die Kosten für den Eingriff von den Krankenkassen übernommen würden, wenn die Illegalität aufgehoben wird.

Gemäß dem Statistischen Bundesamt gab es in Deutschland im Jahr 2023 etwa 106.000 gemeldete Schwangerschaftsabbrüche – rund 2,2 Prozent mehr als im Vorjahr. Häufig sind junge Frauen betroffen, die meisten im Alter zwischen 18 und 34 Jahren. 96 Prozent der Abtreibungen wurden nach der Beratungsregelung durchgeführt. Medizinische Gründe und Sexualdelikte waren nur in vier Prozent der Fälle der Grund für den Abbruch.

Was schlagen sie genau vor?

Der Entwurf, der maßgeblich von Grünen und SPD vorangetrieben wird, sieht vor, dass Schwangerschaftsabbrüche aus dem Strafgesetz gestrichen werden. Abtreibungen sollen bis zur 12. Woche legalisiert werden. Die Beratungspflicht bleibt bestehen, jedoch entfällt die aktuelle Wartezeit von drei Tagen zwischen Beratung und Abtreibung. Wenn ein Abbruch ohne Beratungsbescheinigung durchgeführt wird, soll nur der Arzt oder die Ärztin strafrechtlich verfolgt werden. Die Frau bleibt straffrei. Die Kosten sollen von den Krankenkassen übernommen werden.

Welche Erfolgsaussichten hat das?

Der Bundestag hat bis zur geplanten Neuwahl am 23. Februar noch die Möglichkeit, Gesetze zu verabschieden – es gibt also genügend Zeit. Allerdings verfügen SPD und Grüne allein nicht über eine Mehrheit im Parlament. Daher wird versucht, die Reform durch einen sogenannten Gruppenantrag umzusetzen. Solche Anträge werden bei ethisch komplexen Fragen über Fraktionsgrenzen hinweg gestellt. In der Regel sind die Abgeordneten bei einer Abstimmung nicht an die Linie ihrer Fraktion gebunden, sondern können frei entscheiden.

Aktuell sind 733 Abgeordnete im Bundestag vertreten, um eine Mehrheit zu erreichen, werden 367 Stimmen benötigt. Bisher unterstützen 327 Parlamentarier die Legalisierung der Abtreibung, insbesondere von SPD, Grünen und Linken. Es bleibt jedoch unklar, ob der Bundestag vor der Neuwahl über den Antrag abstimmen wird. Zunächst wird er heute an den zuständigen Rechtsausschuss überwiesen – und die Entscheidung, wann er zur Abstimmung auf die Tagesordnung des Bundestags kommt, liegt bei diesem Ausschuss.

Wie werden sich Union, AfD und FDP verhalten?

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Irene Mihalic, befürchtet, dass Union und FDP den Antrag im Rechtsausschuss «versenken», ihn also so lange nicht zum Beschluss freigeben, bis neu gewählt wird. 

Der Unionsfraktionschef Friedrich Merz hat bereits kritisiert, dass das Thema im Eilverfahren durchgeboxt werden soll. Bis zur Wahl bleibt keine Zeit für eine seriöse Beratung eines so grundlegenden Themas, argumentiert er. Auch der neue FDP-Generalsekretär Marco Buschmann lehnt eine Reform vor der Neuwahl ab. Vor dem Ampel-Bruch hatten auch einige FDP-Politikerinnen und -Politiker den Antrag unterstützt. Die AfD ist grundsätzlich gegen eine Legalisierung von Abtreibungen.

Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann warb vor der Bundestags-Beratung noch einmal um Zustimmung: «Wer jetzt wieder die Verschiebung auf die nächste Wahlperiode fordert, ignoriert nicht nur den Rat der Expertinnen, sondern auch den Wunsch so vieler Frauen und der Mehrheit in unserem Land zu einer Änderung des Paragraf 218», erklärte sie.

dpa