Vizekanzler warnt vor Enthaltung der Linken und fordert eigene Mehrheit für die Koalition, Unionsführung ebenfalls optimistisch.
Schwarz-Rot setzt auf eigene Mehrheit bei Abstimmung über Rentenpaket

Die Spitzen der schwarz-roten Koalition setzen bei der Abstimmung über das umstrittene Rentenpaket im Bundestag am Freitag auf eine eigene Mehrheit. Vizekanzler Lars Klingbeil warnte davor, sich auf die angekündigte Enthaltung der Linksfraktion zu verlassen. «Es geht jetzt darum, bis Freitag auch eine eigene Mehrheit zu organisieren», sagte der SPD-Vorsitzende in der ARD-Sendung «Maischberger».
Er sei «wirklich dankbar», wie verantwortungsvoll die Linke sich verhalte. «Aber mein Anspruch ist schon, dass wir eine eigene Mehrheit haben.» Diese Koalition werde in den nächsten dreieinhalb Jahren sehr viele Entscheidungen zu treffen haben, «und wir können nicht immer davon ausgehen, dass die Linken oder dass die Grünen uns da zur Seite springen», mahnte Klingbeil.
Auch die Unionsführung setzt darauf, die Mehrheit für das Gesetz selbst zu beschaffen. «Wir wollen eine eigene Mehrheit sicherstellen und verlassen uns nicht darauf, was die Opposition tut oder nicht tut», sagte Parlamentsgeschäftsführer Steffen Bilger (CDU) dem Nachrichtenportal «t-online».
Linken-Fraktion kündigt Enthaltung an
Seit einigen Tagen gibt es Diskussionen über mögliche Abweichler in der Unionsfraktion. Die Junge Gruppe hatte mit einem Nein gedroht wegen der zu erwartenden Milliardenkosten – jedoch könnte ein Scheitern des Rentenpakets den Zusammenbruch der gesamten Koalition bedeuten, so die Besorgnis.
Durch die am Mittwoch angekündigte Enthaltung der Linksfraktion dürfte die Verabschiedung des umstrittenen Gesetzes im Bundestag für die Koalition nun erheblich leichter werden als zunächst befürchtet. Bei der Berechnung einer einfachen Mehrheit im Bundestag werden die Enthaltungen nicht mitgezählt. Es werden also nur die Ja-Stimmen gegen die Nein-Stimmen aufgerechnet.
Wenn alle 64 Linken-Abgeordneten sich enthalten würden, würde die notwendige Mehrheit bei Anwesenheit aller anderen Abgeordneten auf 284 Stimmen sinken. Die Koalition verfügt über 328 Stimmen und hätte somit einen komfortablen Puffer von 44 Stimmen.
SPD optimistisch
Einen Tag vor der entscheidenden Abstimmung zeigte sich die SPD im Bundestag optimistisch, dass es eine Mehrheit für die Koalitionspläne gibt. «Ich erwarte für Freitag, dass wir eine Mehrheit haben», sagte die sozialpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Annika Klose, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.
Im Sozialausschuss des Bundestags, wo Klose als Obfrau ihrer Fraktion sitzt, wurde das kontroverse Gesetz von Sozialministerin Bärbel Bas (SPD) am Mittwoch mit den Stimmen der Koalition angenommen. Im Plenum am Freitag ist jedoch eine namentliche Abstimmung geplant.
Gesetz für 48-Prozent-Niveau und Mütterrente
Die SPD-Fraktionsführung erwartet, dass alle 120 sozialdemokratischen Abgeordneten zustimmen werden. In der Fraktionssitzung der Union gab es bei einer Testabstimmung am Dienstag 10 bis 20 Gegenstimmen und ungefähr eine Handvoll Enthaltungen. Diese wären jedoch verkraftbar, wenn die Linken sich enthalten.
Der Gesetzentwurf, für den auch Kanzler Friedrich Merz (CDU) geworben hatte, sieht vor, dass das Rentenniveau bis 2031 bei 48 Prozent liegt, was in der Koalition unstrittig ist. Allerdings soll das Rentenniveau auch nach 2031 höher sein als ohne Gesetz. Dies wird von den Kritikern der Union abgelehnt, da es Milliarden kosten würde. Zusätzlich soll mit dem Gesetz die Mütterrente erweitert werden, was besonders der CSU wichtig war.
Grünen-Sozialpolitiker: «Kanzler ohne eigene sichere Mehrheit»
Eine Unterstützung der Linken bei der Verabschiedung des Gesetzes wäre für die Union durchaus heikel. Die CDU hat im Jahr 2018 eine koalitionsähnliche Zusammenarbeit mit der Partei durch einen Parteitagsbeschluss ausgeschlossen.
Der Grünen-Sozialexperte Armin Grau sagte: «Friedrich Merz ist ein Kanzler ohne sichere eigene Mehrheit. Das ist ein schlechtes Zeichen für die politische Lage im Land, insbesondere weil es sich beim Rentenpaket um ein zentrales Vorhaben der Koalition handelt.»
Neue Nahrung für Kritiker
Eine neue Darstellung des Centrums für Intergenerative Finanzwissenschaft (CIF) und der Otto Beisheim School of Management (WHU) im Auftrag der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung stützt die Argumentation der Kritikerinnen und Kritiker. Das Rentenpaket sei «faktisch der Einstieg in eine dauerhafte Staatsumlage als Stütze der Unterrendite des Umlageverfahrens», heißt es.
Bereits heute fließe rund ein Viertel der Steuereinnahmen des Bundes in die Rentenversicherung. «Das Rentenpaket würde diesen Anteil auf über 30 Prozent erhöhen», so die Studie. «Das bedeutet: Fast jeder dritte Euro im Bundeshaushalt wäre künftig fest für die Rentenversicherung reserviert.» Die «Rheinische Post» berichtete zuerst über den auch der dpa vorliegenden Text.
Ausblick: Die Rentenkommission
Die Bundesregierung plant, bis zum kommenden Sommer eine Politiker- und Expertenkommission einzusetzen, die bis Dezember Vorschläge für eine umfassende Rentenreform erarbeiten soll. Klose betonte, dass die SPD reformorientiert an die Aufgabe herangehe. Die Junge Gruppe hatte am Reformwillen der SPD gezweifelt.








