Die schwarz-rote Regierung steht vor einer Mammutaufgabe: Dauerwahlkampf und umstrittene Reformprojekte könnten die Koalition belasten und ihre Zukunft gefährden.
Dauerwahlkampf und Reformprojekte: Schwarz-Rot vor großen Herausforderungen

Die schwarz-rote Regierung hatte bei ihrer Vereidigung am 6. Mai 2025 ideale Bedingungen, um die wichtigsten Projekte aus dem Koalitionsvertrag ohne Profilierungskämpfe und Wahlkampfgetöse in aller Ruhe abzuarbeiten. Bis dahin lagen mehr als neun Monate ohne eine einzige Landtagswahl vor ihr.
Es kam zu keinem Erfolg. Der Beginn mit einem Fehlstart – der Wahl des Kanzlers erst im zweiten Wahlgang – setzte sich mit einer misslungenen Richterwahl und einem monatelangen Rentenstreit fort. Schwarz-Rot präsentierte in den ersten siebeneinhalb Monaten der Amtszeit ein ähnlich zerstrittenes Bild wie zuvor die Ampel-Koalition.
Wie wird es erst im nächsten Jahr sein, wenn die Koalition im ständigen Wahlkampf steht und Reformprojekte umsetzen will, die viel größer sind als bisher? 2026 stehen fünf Landtagswahlen an. Insbesondere die SPD muss um den Ministerpräsidentenposten bangen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass am Ende des Jahres erstmals die AfD einen Ministerpräsidenten stellt. So verläuft das Wahljahr:
Auftakt ihn Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz im März
Baden-Württemberg eröffnet am 8. März den Wahlreigen. Nach drei Amtszeiten tritt der langjährige Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) nicht mehr an. Seine Nachfolge bei den Grünen treten der ehemalige Bundesminister Cem Özdemir und bei der CDU der erst 37-jährige Landespartei- und Fraktionschef Manuel Hagel an. In den Umfragen liegt die CDU seit vielen Monaten recht deutlich vor den Grünen. Wenn es bis zur Wahl keine größeren Veränderungen gibt, werden wahrscheinlich wieder CDU und Grüne die nächste Landesregierung bilden – dann jedoch unter umgekehrten Vorzeichen.
Die Folgen der Wahl in Baden-Württemberg für die Bundespolitik werden voraussichtlich begrenzt sein. Dies könnte sich ändern, wenn am 22. März in Rheinland-Pfalz gewählt wird, wo die SPD, die seit 34 Jahren regiert, Gefahr läuft, den Ministerpräsidentenposten zu verlieren. Dies würde den ohnehin angeschlagenen Parteichef Lars Klingbeil weiter unter Druck setzen. In den neuesten Umfragen liegt die SPD deutlich hinter der CDU. Bei den vergangenen Wahlen 2016 und 2021 schaffte Ministerpräsidentin Malu Dreyer in letzter Minute die Wende. Dieses Mal wird Dreyers Nachfolger Alexander Schweitzer zeigen müssen, ob er das auch schaffen kann.
AfD-Showdown in zwei Ost-Ländern im September
Die Wahlen, die die Republik verändern könnten, finden jedoch erst im September statt. In Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern liegt die AfD in Umfragen bei etwa 40 Prozent. Besonders in Sachsen-Anhalt, wo am 6. September gewählt wird, wird der AfD zugetraut, erstmals einen Ministerpräsidenten mit absoluter Mehrheit zu stellen. Zwar zeigen die Umfragen das bisher noch nicht, aber ausgeschlossen ist es nicht.
Die CDU in Sachsen-Anhalt lehnt weiterhin entschieden eine Zusammenarbeit mit der AfD ab. Laut den aktuellen Umfrageergebnissen wäre eine Mehrheit ohne die AfD nur noch in einem Vierer-Bündnis mit SPD, BSW und der Linken möglich. Die CDU hat auf ihrem Parteitag beschlossen, dass sie Koalitionen oder ähnliche Formen der Zusammenarbeit nicht nur mit der AfD, sondern auch mit der Linken ausschließt. Auch die Linke lehnt eine formelle Koalition mit der CDU ab.
In Mecklenburg-Vorpommern ist laut den neuesten Umfragen auch eine Regierungskoalition ohne die Linke neben der AfD nicht möglich. Die SPD unter Ministerpräsidentin Manuela Schwesig ist dort die zweitstärkste Partei hinter der AfD, jedoch mit großem Abstand. Am 20. September wird dort gewählt – parallel zu Berlin, wo die sogenannten Mitte-Parteien – CDU, SPD und Grüne – immer noch eine klare gemeinsame Mehrheit haben. Die AfD erreicht nur 15 bis 16 Prozent.
Sozialreformen: Wie groß wird der Wurf?
Der neunmonatige Dauerwahlkampf wird voraussichtlich bereits bei den Partei- und Fraktionsklausuren im Januar eingeläutet. Gleichzeitig plant die Koalition, die seit langem angekündigten Sozialreformen auf den Weg zu bringen. Kommissionen tagen zunächst für Krankenversicherung und Rente – Ausgang ungewiss. Allerdings zweifeln Beobachter bereits daran, dass am Ende gemeinsame große Reformschritte gelingen werden.
In der Rentenkommission sind sowohl Professorinnen und Professoren als auch Koalitionspolitiker vertreten. Es wird auch über Themen verhandelt, die bisher für einige inakzeptabel waren. Zum Beispiel über eine potenzielle Verlängerung der Lebensarbeitszeit und speziell über ein anderes Renteneintrittsalter. Viele Ökonomen befürworten dies, während die SPD es bisher immer abgelehnt hat.
Oder ob Beamtinnen und Beamte in naher Zukunft in die gesetzliche Rente einbezogen werden sollen. Sind Union und SPD noch stark genug für teilweise auch unangenehme Reformbotschaften? In der Kommission oder spätestens im Gesetzgebungsverfahren, das sich ab Mitte des Jahres anschließen soll, könnten Konfliktlinien in der Koalition wieder aufbrechen.
Umfrage: Jeder Zweite rechnet mit vorzeitigem Ende der Koalition
Ein Großteil der Bevölkerung geht auch davon aus. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur glauben nur 9 Prozent der Deutschen, dass Union und SPD im kommenden Jahr weniger streiten werden. 49 Prozent sind der Meinung, dass es so bleibt wie bisher, und 21 Prozent erwarten zunehmenden Streit.
Das Vertrauen in den Bestand der Koalition bis zum nächsten regulären Wahltermin in gut drei Jahren ist gering. Fast die Hälfte der Deutschen (49 Prozent) glaubt an ein vorzeitiges Ende von Schwarz-Rot. 17 Prozent erwarten es bereits im kommenden Jahr, weitere 32 Prozent erst später. Aber nur etwa jeder Dritte (34 Prozent) geht davon aus, dass das Bündnis bis 2029 durchhält.








