Er verkörpert Nähe, Direktheit und Kämpfergeist, während Harris als elitär wahrgenommen wird. Trumps Wähler schätzen seinen Wandelversprechen und Anti-System-Image.
Warum viele Amerikaner Trump unterstützen
Es mag für viele Menschen in anderen Ländern schwer nachvollziehbar sein, warum Millionen Amerikaner Donald Trump erneut in Regierungsverantwortung sehen wollen. Doch es gibt Gründe:
Der persönliche Faktor
Trotz seiner Milliarden und seiner langjährigen Zugehörigkeit zur amerikanischen Elite wirkt Donald Trump für viele US-Bürgerinnen und Bürger zugänglich. Er spricht wie der Typ an der Bar, dem auch mal ein falsches Wort herausrutscht. Er sagt direkt, was er denkt und kann auch mal auf den Tisch hauen. Als Kämpfer ist er bekannt, nicht erst seit den Attentatsversuchen auf ihn. Diese Eigenschaften scheinen Wählerinnen und Wähler auch im Weißen Haus sehen zu wollen. Im Gegensatz dazu wird die Professionalität von Vizepräsidentin Kamala Harris und ihre Fähigkeit, fokussiert zu bleiben, von einigen als elitär und nicht authentisch empfunden.
Das bedeutet jedoch nicht, dass die meisten Amerikaner Trump mögen oder sogar lieben. Tatsächlich zeigen Umfragen, dass die Mehrheit ein ungünstiges Bild von seiner Persönlichkeit hat. Dennoch ist Trump für diese Menschen oft wählbar. Einige wollen keinen Heiligen als Präsidenten haben, während andere seine Standpunkte schätzen.
Die apokalyptische Rhetorik der Demokraten bezüglich einer zweiten Amtszeit des verurteilten Straftäters Trump hat bei vielen nicht funktioniert – schließlich war der 78-Jährige bereits einmal vier Jahre lang im Weißen Haus und hat weder Kriege begonnen noch die amerikanische Wirtschaft zerstört. Frühere Skandale, Chaos und Kontroversen können leichter abgetan werden.
Money, Money, Money
Wohl keine Gesellschaft der Welt hat sich mehr einem Turbokapitalismus verschrieben, der stark auf liberalisierte Märkte, geringe staatliche Eingriffe und die Idee des freien Unternehmertums setzt. Das Thema «Wirtschaft» steht bei vielen Wählerinnen und Wähler stets oben auf der Agenda. Doch im Wahlkampf war damit selten (das starke) Wachstum gemeint oder die allgemeine Ausrichtung der Volkswirtschaft. Es war viel Einfacher: Wie teuer sind Joghurt, Eier, Chips und Bier im Supermarkt – und wie viel kostet das Benzin?
Aufgrund der Corona-Pandemie waren die Preise aufgrund der Inflation gestiegen – nicht nur in den USA. Jeder Wähler spürte dies täglich im Geldbeutel, auch wenn die Löhne allmählich anstiegen. Viele machten die Wirtschaftspolitik von Präsident Joe Biden und seiner Stellvertreterin Harris dafür verantwortlich. Mit ihrer Stimme drückten sie ihren Frust aus und stellten ihre persönlichen Finanzen möglicherweise über Themen wie persönliche Tugenden oder demokratische Werte.
Die Abgehängten
Trumps loyalste Basis besteht hauptsächlich aus weißen Männern ohne Universitätsabschluss. Statistiken zeigen, dass das Einkommen dieser Gruppe in den USA 1980 deutlich über dem amerikanischen Durchschnitt lag – heute liegt es deutlich darunter. In einer Gesellschaft, in der die Techbranche oder die Finanzindustrie den immensen Reichtum des Landes noch stärker in Metropolen vor allem an den Küsten konzentrieren, funktioniert das System für die Arbeiter in den früher industriell geprägten Bundesstaaten wie etwa Pennsylvania nicht mehr.
Doch auch bei anderen Bevölkerungsgruppen konnte Trump zulegen, darunter bei den Latinos, die bisher eine wichtige Zielgruppe für die Demokraten waren. Harris konnte bei diesem großen Wählerblock mit lateinamerikanischem Hintergrund nicht so überzeugen wie erhofft. Sogar bei schwarzen Männern schnitt der amtierende Präsident Joe Biden vor vier Jahren ersten Daten zufolge besser ab als seine Stellvertreterin Harris.
Die Angst vor dem «weiter so»
In den USA gibt es ein Sprichwort: Manchmal muss Eier zerschlagen, um ein Omelette zu braten. Will heißen: Manchmal muss man Dinge kaputt machen, um sie zu reparieren. Harris wurde von vielen als Establishment-Kandidatin gesehen. Trump, der Anti-System-Mann, versprach im Wahlkampf hingegen radikalen Wandel: Unter ihm als Präsident werde alles anders, Harris dagegen stehe als Mitglied der aktuellen Regierung für ein «weiter so», lautete die Argumentation.
Er traf damit ins Schwarze: Viele in den USA haben das Gefühl, dass Veränderungen notwendig sind. Sie fühlten sich angesprochen, als Trump die USA düster als ein Land im Niedergang beschrieb, das von Migranten überrannt werde. Der 78-Jährige scheint ein untrügliches Gespür dafür zu haben, was den Menschen Sorgen bereitet. In Nachwahlbefragungen gaben 73 Prozent seiner Wähler an, dass es ihnen am wichtigsten war, dass Trump einen notwendigen Wandel herbeiführen könne.
Harris, die Vizepräsidentin, konnte sich nicht ausreichend von dem amtierenden Präsidenten Joe Biden abheben. Im Wahlkampf sagte sie, dass es nicht viel gebe, was sie in den letzten vier Jahren anders gemacht hätte. Außerdem hatte sie nicht genug Zeit, um mit eigenen Ideen bekannt zu werden. Es ist gut möglich, dass bei den Demokraten nun die Debatte ausbrechen wird, ob Bidens Rückzug aus dem Präsidentschaftsrennen zu spät kam – und ob Harris letztendlich den Sieg gekostet hat.
Keine schwarze Frau als Präsidentin
Es gibt Bevölkerungsgruppen, die sich noch immer nicht vorstellen können, dass eine Frau das mächtigste Land der Welt führt. Zwar haben in den USA in den vergangenen Jahren mehr Frauen etwa als Gouverneurinnen politische Führung übernommen. Doch vor allem in den Südstaaten und anderen konservativ geprägten und oft ländlichen Teilen des Landes denken viele anders. Im sogenannten Bible Belt («Bibelgürtel») ist evangelikaler Protestantismus integraler Bestandteil der Kultur – und Feminismus für viele fast schon ein Schimpfwort. Dass Harris keine leiblichen Kinder hat, kommt dort auch nicht gut an.
Zusätzlich sind Rassismus und Diskriminierung von Schwarzen und anderen Minderheiten in vielen Teilen der USA strukturell tief verwurzelt, wie Statistiken aus allen gesellschaftlichen Bereichen immer wieder zeigen. Insgesamt ergibt sich eine Art rassistischen Chauvinismus, der Harris wahrscheinlich Stimmen gekostet hat. Trump hat diese Ressentiments gezielt im Wahlkampf bedient.
Gemäß den Nachwahlbefragungen hat Trump bei evangelikalen Christen, Protestanten und Katholiken deutlich mehr Stimmen als Harris erhalten. Viele Wähler von Trump haben ihre Wahlentscheidung davon abhängig gemacht, wem sie das Führen zutrauen. Im Gegensatz dazu war für Wähler von Harris beispielsweise wichtiger, wer über ein gutes Urteilsvermögen verfügt.
Die weltpolitischen Aussichten
Vor der Wahl wurde oft spekuliert, ob der Nahost-Konflikt den Demokraten Stimmen kosten würde. Viele Amerikaner jüdischer Abstammung waren der Meinung, dass Bidens Unterstützung für Israel nicht ausreichte, während viele arabischstämmige Bürger sie als zu weitgehend empfanden. Dies zeigt sich in den Nachwahlbefragungen: Eine überwältigende Mehrheit der Trump-Wähler befürwortete eine stärkere Unterstützung der USA für Israel.
Möglicherweise hat jedoch auch eine Rolle gespielt, dass Trump die USA weitgehend aus internationalen Konflikten heraushalten will. Er sagt beispielsweise zu, den Krieg in der Ukraine schnell zu beenden – was wahrscheinlich schlimme Auswirkungen auf das von Russland angegriffene Land haben wird. Einige US-Bürger sehen jedoch hauptsächlich, dass dadurch weniger ihres Steuergeldes dorthin fließen muss.