Erneut wird ein Unterseekabel in der Ostsee gekappt. Schweden nimmt Ermittlungen wegen möglicher Sabotage auf und setzt ein Schiff fest. Dessen Eigentümer in Bulgarien verweisen aber auf das Wetter.
Neuer Sabotage-Verdacht in der Ostsee

Weitere Kabelschäden und erneute Sabotage-Ermittlungen: Ein weiteres Schiff steht im Verdacht, ein unterseeisches Kommunikationskabel in der Ostsee mit seinem Anker beschädigt zu haben. Die schwedischen Behörden haben das Schiff beschlagnahmt und untersuchen mutmaßliche schwere Sabotage. Die Küstenwache hat das Schiff für Untersuchungen betreten, während die bulgarischen Eigentümer den Vorwurf der bewussten Sabotage zurückgewiesen haben.
In den letzten Monaten gab es mehrere Vorfälle von Beschädigungen an Stromleitungen und Kommunikationskabeln in der Ostsee, darunter zweimal an einem Glasfaserkabel zwischen Helsinki und Rostock. Die Ursache dafür ist bisher unbekannt, aber Behördenvertreter verschiedener Ostsee-Länder vermuten, dass Schiffe die Kabel am Meeresboden – möglicherweise absichtlich – mit ihren Ankern durchtrennt haben.
Es wird vermutet, dass Russland zumindest im Fall von Kabelschäden im Dezember seine sogenannte Schattenflotte eingesetzt hat. Damit sind Tanker und andere Frachtschiffe mit undurchsichtigen Eigentümerstrukturen gemeint, die der Kreml nutzt, um Sanktionen infolge seines Angriffskriegs gegen die Ukraine, beispielsweise beim Öltransport, zu umgehen. Die EU hat Sanktionen gegen Dutzende dieser Schiffe verhängt, doch ihr tatsächlicher Umfang dürfte weit größer sein.
Kabelschäden trotz Nato-Einsatz
Um Kabel und weitere kritische Infrastruktur in dem Meer besser zu überwachen, hatte die Nato jüngst die Operation «Baltic Sentry» (deutsch: Ostsee-Wachposten) gestartet. Dabei sollen unter anderem Schiffe, Patrouillenflüge, U-Boote, Satelliten und auch Überwachungsdrohnen zum Einsatz kommen. Auch Deutschland beteiligt sich daran.
Ein weiteres Kabel, das zwischen der schwedischen Ostsee-Insel Gotland und der Hafenstadt Ventspils in Lettland verläuft und vom lettischen Rundfunk- und Fernsehzentrum (LVRTC) genutzt wird, zeigt erhebliche Schäden. Diese traten am Sonntagmorgen in der Ausschließlichen Wirtschaftszone Schwedens auf und laut LVRTC könnten die Reparaturen Tage bis Wochen dauern. Endnutzer sind davon jedoch nicht betroffen.
Anders als noch bei Kabelbrüchen im November gehen die Ermittler mittlerweile rigoroser gegen verdächtige Schiffe vor. Wie bereits im Fall der «Eagle S», die von den finnischen Behörden nach den Vorfällen im Dezember festgesetzt wurde und nach EU-Einschätzung Teil der Schattenflotte ist, beschlagnahmten auch die Schweden den nun verdächtigen Frachter. Einsatzkräfte der Küstenwache gingen bereits an Bord des Schiffes, auf dem unter anderem Befragungen der Besatzung geplant waren.
Es gibt bisher keine Hinweise darauf, dass der Frachter Teil der Schattenflotte ist. Allerdings soll er Berichten zufolge in einem russischen Hafen in See gestochen sein. Laut dem lettischen Armee-Chef Kaspars Pudans waren insgesamt mehr als 70 Schiffe in dem betreffenden Meeresgebiet anwesend, als der Schaden am Kabel entdeckt wurde. Davon wurden diejenigen überprüft, die sich in der Nähe der Schadenstelle befanden.
Vorsätzliche Sabotage oder schlechtes Wetter?
Einen Namen des verdächtigen Schiffes nannten die Ermittler bisher nicht. In Bulgarien wurde allerdings bestätigt, dass es sich um die unter maltesischer Flagge fahrende «Vezhen» (deutsche Umschrift: Weschen) handelt. Die bulgarische Seeflotte (BMF) als Eigentümerin des Frachters schloss «vorsätzliche Handlungen» aus. BMF-Exekutivdirektor Aleksandar Kaltschew sagte, zum Zeitpunkt des Vorfalls sei das Wetter «außerordentlich schlecht» gewesen – einer der beiden Anker sei deswegen gefallen. Es sei noch unklar, ob der Frachter den Zwischenfall verursacht habe, da in dem Gebiet auch ein zweites Schiff gewesen sei, sagte Kaltschew.
Die «Vezhen» liegt seit Sonntag südlich von Karlskrona in Südschweden vor Anker, während Schiffe und Boote der schwedischen Küstenwache permanent bei ihm sind. «Dieses Schiff sieht äußerst heruntergekommen aus», berichtete ein Reporter des Rundfunksenders SVT vor Ort. Seinem Sender zufolge sollen Teile des Schiffsankers gebrochen sein. Auch die Nachrichtenagentur TT meldete, dass der Anker auf Backbordseite Schäden aufweise. Offiziell bestätigt wurde dies von Behördenseite bislang nicht.
Laut dem früheren Oberstleutnant Joakim Paasikivi gibt es zwei mögliche Erklärungen für den erneuten Kabelbruch: natürliche Gründe wie Meeresströmungen oder die Einwirkung eines externen Akteurs. Im letzteren Fall sieht Paasikivi zwei mögliche Alternativen: Entweder handelt es sich um einen Unfall oder um Absicht – genau das sollen die Ermittlungen klären, sagte er nach TT-Angaben.
Führende Politiker in Europa glauben jedoch nicht an Zufall, dass immer wieder Kabel in der Ostsee auf ganz ähnliche Weise beschädigt werden. Litauens Außenminister Kestutis Budrys forderte nach dem erneuten Vorfall eine Überprüfung der geltenden Vorschriften für die Schifffahrt. «Die Navigationsregeln in der Ostsee müssen überprüft werden, insbesondere im Hinblick auf die Verwendung von Ankern», schrieb er auf der Plattform X.
Es habe in der Ostsee in jüngster Zeit zu viele Unfälle gegeben, als dass man weiterhin die Unfalltheorie vertreten könne, schrieb Budrys. «Die Schattenflotte ist nicht nur ein Problem im Hinblick auf die Umgehung von Sanktionen. Es ist eine größere Angelegenheit, die unsere Umwelt und unsere kritische Infrastruktur gefährdet.»