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Neues Selbstbestimmungsgesetz in Kraft: Einfachere Änderung von Geschlechtseintrag und Vornamen

Mehr Freiheit für transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen – ohne langwierige Prozeduren und Gutachten.

(Symboldbild)
Foto: Jacob Schröter/dpa

Das Selbstbestimmungsgesetz, das heute in Kraft getreten ist, ermöglicht es Menschen, ihren Geschlechtseintrag und Vornamen einfacher zu ändern. Dafür müssen sie nur noch eine Erklärung beim Standesamt abgeben. Hier sind die wichtigsten Fragen und Antworten:

Wen betrifft das Gesetz?

Laut Familienministerium stehen drei Gruppen im Fokus: Transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen. Transgeschlechtliche Menschen – auch als Transmenschen oder Transpersonen bekannt – identifizieren sich nicht oder nicht nur mit dem Geschlecht, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. Viele von ihnen leben mit dem Gefühl, im «falschen Körper» zu sein.

Bei intergeschlechtlichen Personen ist es etwas anders: Sie haben angeborene körperliche Merkmale, die sich nicht eindeutig als männlich oder weiblich einordnen lassen. Das betrifft neben den Geschlechtsmerkmalen auch den Chromosomensatz oder die Hormonproduktion. Menschen, die sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen, werden als nicht-binär bezeichnet.

Was galt bislang?

Vor dem Selbstbestimmungsgesetz galt das Transsexuellengesetz, das 1981 in Kraft getreten war. Betroffene mussten eine langwierige und kostspielige Prozedur mit Gutachten und Gerichtsbeschluss über sich ergehen lassen, wenn sie ihren Geschlechtseintrag samt Vornamen ändern lassen wollten. Bis 2011 mussten sich transgeschlechtliche Menschen dafür sogar noch sterilisieren lassen. Mit dem neuen Selbstbestimmungsgesetz werde «staatliches Unrecht» beseitigt, heißt es im Gesetzestext. 

Was ändert sich jetzt?

Wer eine Änderung seines Geschlechtseintrags vornehmen möchte, muss dies mindestens drei Monate im Voraus ankündigen. Der frühestmögliche Zeitpunkt für die Anmeldung von Änderungen war der 1. August dieses Jahres. Laut Familienministerium dient die dreimonatige Wartezeit auch als Bedenkzeit für die betroffene Person. Außerdem kann der Geschlechts- und Vornamenseintrag frühestens nach zwölf Monaten erneut geändert werden.

Nach drei Monaten kann der neue Geschlechtseintrag im Personenstandsregister bei einem Termin im Standesamt geändert werden. Zur Auswahl stehen männlich, weiblich, divers oder die Option, keinen Geschlechtseintrag zu haben. Weder ein Gerichtsbeschluss noch ein ärztliches Attest sind erforderlich. Es gibt keine gesetzlichen Regelungen für Eingriffe wie geschlechtsangleichende Maßnahmen.

Aufgrund des Feiertags am 1. November in einigen Bundesländern und dem darauf folgenden Wochenende verschiebt sich das Startdatum für die ersten Termine in einigen Standesämtern.

Muss der Vorname immer mitgeändert werden?

Wichtig ist: Der Vorname muss zum neuen Eintrag passen. Das heißt, dass er dem Geschlechtseintrag entsprechen muss. Wer also beispielsweise den Eintrag «männlich» wählt, kann als Namen nicht Bettina oder Julia eintragen lassen. Eine separate Änderung des Vornamens ohne Änderung des Geschlechtseintrags ist auf Basis des Selbstbestimmungsgesetzes nicht möglich. Bei der Angabe «divers» oder dem Verzicht auf einen Eintrag besteht eine freiere Wahl. 

Was passiert mit dem Personalausweis?

Sobald der Geschlechtseintrag und Vorname geändert wurden, sind Personalausweis und Reisepass ungültig. Zumindest der Personalausweis muss daher sofort neu beantragt werden. Gleiches gilt für einen Reisepass, sofern er benötigt wird. In diesem ist neben dem neuen Vornamen auch ein Geschlechtseintrag zu finden, wer nicht als männlich oder weiblich gemeldet ist, erhält an dieser Stelle ein «X».

Wie viele Anträge werden erwartet?

Derzeit wird von rund 4.000 Anträgen pro Jahr ausgegangen, wie das Familienministerium schreibt. Zunächst könnten die Zahlen höher sein, da viele Menschen auf das Inkrafttreten des Gesetzes gewartet haben. Es mangelt generell an verlässlichen Erhebungen. Die letzten verfügbaren Daten stammen aus dem Jahr 2021, in dem es laut Bundesjustizamt 3232 Verfahren zur Änderung des Geschlechtseintrags gab.

Was gilt für Minderjährige?

Minderjährige unter 14 Jahren können nicht eigenständig den Antrag stellen. Auf Wunsch des Kindes können dies die Eltern oder andere Sorgeberechtigte übernehmen. Minderjährige über 14 Jahren dürfen den Antrag selbst stellen, benötigen jedoch die Zustimmung der Eltern oder Sorgeberechtigten. Des Weiteren müssen sie erklären, dass sie sich umfassend informiert haben. Laut dem Ministerium besteht keine Beratungspflicht und es muss kein Nachweis vorgelegt werden.

Falls die Eltern oder Erziehungsberechtigten nicht zustimmen, kann das Familiengericht angerufen werden. Es soll dann im Sinne des Wohls des Kindes entscheiden.

Was steckt hinter dem «Offenbarungsverbot»?

Ein Abschnitt zum sogenannten Offenbarungsverbot soll Personen mit einem geänderten Geschlechtseintrag vor einem ungewollten Outing schützen. Es ist Dritten nicht gestattet, ohne Erlaubnis die frühere Identität oder den früheren Namen zu verbreiten.

Für enge Angehörige gibt es Sonderregeln. Nur in offiziellem Schriftverkehr etwa mit Ämtern müssen diese sich zwingend auf den geänderten Namen und Geschlechtseintrag beziehen. Für sie gilt die Vorgabe des Offenbarungsverbots ansonsten nicht – es sei denn, sie handeln «in Schädigungsabsicht», wie es im Gesetz heißt. Dann droht ein Bußgeld von bis zu 10.000 Euro. Eltern dürfen im privaten Rahmen beispielsweise den früheren Namen ihres Kindes erwähnen – ohne dass sie mit rechtlichen Konsequenzen rechnen müssen. 

Auch bei speziellen Gründen eines öffentlichen oder rechtlichen Interesses gibt es Ausnahmen vom Offenbarungsverbot.

Führt das neue Gesetz zu Problemen – etwa in der Sauna?

Immer wieder gab es Kritik am Selbstbestimmungsgesetz. Dabei ging es auch um die Frage, ob sich Gefahren für Frauen ergeben könnten, wenn Menschen ihren Geschlechtseintrag auf «weiblich» ändern und somit etwa Zutritt zu Frauensaunen erhalten könnten. Dem setzte die Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, bereits im vergangenen Jahr entgegen: «Wir haben in Deutschland überwiegend gemischtgeschlechtliche Saunen. Kein Mann muss seinen Geschlechtseintrag ändern lassen, um in Deutschland eine nackte Frau zu sehen.»

Laut Gesetz bleibt das private Hausrecht unberührt. Das bedeutet, dass der Inhaber das Recht hat zu entscheiden, wer seine Wohnung oder Geschäftsräume betritt. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz schützt jedoch transgeschlechtliche Personen vor Diskriminierung aufgrund ihrer Geschlechtsidentität, was bedeutet, dass sie nicht aufgrund ihres Geschlechts abgelehnt werden dürfen.

dpa