Vor seinem USA-Besuch hebt der ukrainische Präsident Selenskyj die Wichtigkeit einer Waffenfreigabe durch die Verbündeten hervor – und verweist auf kürzlich angegriffene Waffenarsenale in Russland.
Selenskyj besteht weiter auf Freigabe weitreichender Waffen
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj beharrt auf einer Freigabe weitreichender westlicher Waffen für den Einsatz gegen Ziele tief im russischen Staatsgebiet. «Wir sind dabei, unsere Partner zu überzeugen und werden das auch in der nächsten Woche fortsetzen, dass die Ukraine eine vollwertige Reichweitenfähigkeit benötigt», sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache. Das sei nicht mit den eigenen Drohnen oder den eigenen Raketen möglich, die bisher keine ausreichende Reichweite haben. Kommende Woche reist Selenskyj zu Gesprächen in die USA und wird dort unter anderem US-Präsident Joe Biden treffen.
Der Staatschef dankte dem Militär für ein erfolgreich angegriffenes Munitionslager in Russland. «Das nächste Arsenal in Russland wurde geschädigt und das war ein bedeutendes Arsenal für den Besatzer», unterstrich der Präsident. Zudem hob er hervor, dass dem Geheimdienst SBU ein Schlag gegen ein russisches Arsenal mit taktischen Raketen und Gleitbomben geglückt sei.
«Alles das, was Russland für seinen Terror gegen unsere Städte einsetzt», betonte Selenskyj. Für die Angriffe seien ausschließlich Waffen aus ukrainischer Produktion eingesetzt worden. «Ohne die Mittel, die unsere Partner bereitstellen und die das Ende dieses Krieges durch die Zerstörung des russischen Offensivpotenzials bedeutend beschleunigen könnten», sagte Selenskyj im Hinblick auf die von ihm bemängelte unzureichende Unterstützung durch die westlichen Partner.
Die Munitionsdepots in der Region Twer in Zentralrussland und in der Region Krasnodar im Süden Russlands wurden zuvor von Drohnen angegriffen, die mehrere Hundert Kilometer vom ukrainisch kontrollierten Gebiet entfernt waren. Die russische Armee hat die Drohnenangriffe zugegeben, aber die Schäden heruntergespielt und von Bränden gesprochen, die durch abgestürzte Drohnenteile verursacht wurden.
Verletzte bei Luftangriff auf Charkiw
Durch den russischen Beschuss eines Wohnblocks in der grenznahen Großstadt Charkiw wurden nach ukrainischen Angaben mehr als 20 Menschen verletzt. Unter ihnen seien auch ein achtjähriges Kind und zwei Jugendliche, teilte der zuständige Gouverneur Oleh Synjehubow in der Nacht bei Telegram mit. Auch der Bürgermeister der Stadt berichtete auf Telegram von dem Luftangriff. Mehrere Autos stünden in Flammen, Dutzende Menschen seien evakuiert worden, schrieb Ihor Terechow.
Moskau lehnt Teilnahme an Selenskyjs Friedensgipfel weiter ab
Im Außenministerium in Moskau reagierte man ablehnend auf Selenskyjs Absicht, Vertreter Russlands zu einem zweiten sogenannten Friedensgipfel einzuladen. Vertreter Russlands würden nicht teilnehmen, unterstrich Ministeriumssprecherin Maria Sacharowa. Es sei dabei keine reale Regelung des Konflikts um die Ukraine beabsichtigt. Doch Russland verweigere sich nicht einer politischen und diplomatischen Beilegung der Krise und sei bereit zur Diskussion tatsächlich ernsthafter Vorschläge, betonte Sacharowa. Dabei seien jedoch die Situation «am Boden» und die Interessen Russlands zu berücksichtigen. Sie warf dabei Kiew und dem Westen vor, an einer Fortsetzung des Krieges interessiert zu sein.
Im Juni nahmen zahlreiche Staaten ohne Russland und China an einem ersten Treffen in der Schweiz teil. Das Gipfeltreffen hatte keinen Einfluss auf den Kriegsverlauf. Selenskyj plant bereits im November ein zweites Treffen, zu dem auch Vertreter Russlands eingeladen werden sollen.
Ukrainische Vorwürfe zu russischen Angriffsplänen auf Atomanlagen
Die Ukraine warf Russland Planungen von Raketenangriffen vor dem Winter auf Atomenergieanlagen vor. «Das betrifft insbesondere offene Verteileranlagen in Atomkraftwerken und Umspannwerken, die für den sicheren Betrieb der Kernenergie entscheidend sind», schrieb Außenminister Andrij Sybiha auf der Plattform X. Ein Zwischenfall bei den Atomkraftwerken könnte globale Auswirkungen haben. Die Informationen der ukrainischen Geheimdienste seien bereits der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEA) übermittelt worden.
Russische Raketen- und Drohnenangriffe haben mehrfach Energieanlagen ins Visier genommen. Ukrainischen Angaben zufolge wurden seit März Kraftwerksanlagen mit einer Erzeugungskapazität von über neun Gigawatt beschädigt oder zerstört. Dies führt regelmäßig zu stundenlangen Stromausfällen im Land. Die drei ukrainischen Atomkraftwerke in den westukrainischen Gebieten Riwne und Chmelnyzkyj sowie in der südukrainischen Region Mykolajiw haben zusammen eine Leistung von etwa 7,8 Gigawatt. Somit wird mehr als die Hälfte des ukrainischen Stroms erzeugt.
Nach der Invasion in die Ukraine hatte Russland bereits das größte Atomkraftwerk Europas nahe dem südukrainischen Saporischschja besetzt. Die sechs Reaktoren mit einer Gesamtleistung von sechs Gigawatt wurden aus Sicherheitsgründen komplett heruntergefahren. In der Umgebung des Kraftwerks werden immer wieder Artillerie- und Drohnenangriffe verzeichnet. Mehrere ukrainische Rückeroberungsversuche scheiterten.
Die russischen Besatzungsbehörden gaben erst am Freitag einen weiteren angeblichen Drohnenangriff auf Transformatoren eines Umspannwerks am Kraftwerk bekannt. Die IAEA-Inspektoren vor Ort wurden über die Auswirkungen informiert. Das ukrainische Energieministerium forderte parallel dazu die IAEA auf, auch die Umspannwerke an den drei in Betrieb befindlichen ukrainischen Atomkraftwerken von IAEA-Mitarbeitern überwachen zu lassen.
Die Ukraine wehrt seit Februar 2022 mit Unterstützung aus dem Westen eine russische Invasion ab.
[Selenskyj fordert westliche Waffenlieferungen gegen Russland],Drohnenangriffe auf russische Munitionsdepots und Angriffe auf Energieanlagen in der Ukraine.