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Selenskyj macht Druck mit Atom-Option – Scholz bleibt hart

Wie weit gehen Gedankenspiele der Ukraine für eine eigene Atombombe? Präsident Selenskyj bringt diese Variante ins Spiel als Alternative zum Nato-Beitritt. Die Partner werden darauf antworten müssen.

Selenskyj stellt seine Partner für eine schwierig abzuwägende Alternative.
Foto: Olivier Matthys/Pool EPA/AP/dpa

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj setzt mit Andeutungen über eine mögliche nukleare Bewaffnung seines Landes die westlichen Verbündeten unter Druck. Bei einem Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel bekräftigte er seine Forderung nach einer raschen Einladung zur Nato-Mitgliedschaft. Sonst bliebe seinem von Russland angegriffenen Land nur eine atomare Wiederbewaffnung. «Welchen Ausweg haben wir? Entweder wird die Ukraine Atomwaffen haben, oder wir müssen in irgendeiner Allianz sein», sagte er. Außer der Nato kenne er keine funktionierenden Allianzen.

Die Forderung nach einer schnellen NATO-Einladung und andere Punkte von Selenskyjs sogenanntem Siegesplan werden voraussichtlich auch beim Kurzbesuch von US-Präsident Joe Biden am Freitag in Berlin diskutiert. Geplant ist ein Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Anschließend stoßen der britische Premierminister Keir Starmer und der französische Präsident Emmanuel Macron zur Runde hinzu.

Scholz sagt Nein zu Kiewer Forderungen 

Bundeskanzler Scholz begründete seine Ablehnung zentraler Punkte in Selenskyjs Siegesplans mit Sorgen vor einer weiteren Eskalation. Man habe Verantwortung dafür, dass der Krieg zwischen Russland und der Ukraine nicht zu einem Krieg zwischen Russland und der Nato werde, sagte Scholz in Brüssel. An seinem Nein zur Weitergabe von reichweitenstarken Marschflugkörpern Taurus gebe es nichts zu ändern. «Das halte ich nicht für eine richtige Lieferung und dabei bleibt es auch.» 

Selenskyj hatte zuvor noch einmal öffentlich Scholz aufgefordert, Taurus-Marschflugkörper zu liefern. Seiner Meinung nach könnte ein abschreckendes Raketenarsenal Russland dazu zwingen, in Friedensverhandlungen einzutreten.

Scholz bremst auch bei einer schnellen NATO-Einladung. Der Kanzler verwies auf die Beschlüsse des letzten NATO-Gipfels in Washington. Die Bündnisstaaten hatten vereinbart, der Ukraine allgemein zu versichern, dass sie auf ihrem Weg in das Verteidigungsbündnis nicht mehr aufgehalten werden könne.

Seit mehr als zweieinhalb Jahren wehrt sich die Ukraine gegen eine großangelegte russische Invasion. Die Nacht auf Freitag begann erneut mit Luftalarm für den Norden des Landes, einschließlich der Hauptstadt Kiew. Die ukrainische Luftwaffe hat zahlreiche russische Kampfdrohnen am Himmel geortet.

Selenskyj: «Wir machen keine Atombomben»

In weiteren Äußerungen in Brüssel versuchte Selenskyj, Befürchtungen über eine nukleare Bewaffnung zu dämpfen. Es gebe keine konkreten Pläne. «Wir machen keine Atombomben», sagte er bei einer Pressekonferenz mit Nato-Generalsekretär Mark Rutte. Zugleich verwies er noch einmal auf nicht eingehaltene Absprachen aus dem Budapester Memorandum von 1994. Damals habe die Ukraine die auf ihrem Gebiet stationierten sowjetischen Atomwaffen abgegeben. Dafür hätten die Atommächte dem Land Sicherheit versprochen, doch dies habe nicht funktioniert, sagte Selenskyj.

Als Sicherheitsgarantie bittet die Ukraine nun um eine schnelle Einladung in die Nato. «Eine Einladung würde die Ukraine diplomatisch unterstützen», sagte Selenskyj. Deshalb sei dies zentral in seinem Siegesplan. Er wies auch darauf hin, wie viele Waffensysteme aus Nato-Ländern bereits in der Ukraine im Einsatz seien und wie eng die Zusammenarbeit sei. Es wäre unangemessen, die Ukraine politisch außen vor zu lassen, wenn sie praktisch bereits integriert ist.

Für die westlichen Partner der Ukraine eröffnet Selenskyj eine schwierige und kaum annehmbare Alternative. Wichtige Nato-Staaten wie die USA und Deutschland wollen sich aus Angst vor einer Eskalation mit Russland vorerst nicht auf einen klaren Weg der Ukraine ins Bündnis festlegen. Zugleich ist die internationale Staatengemeinschaft bemüht, das Entstehen weiterer Atommächte zu verhindern. Der neue Nato-Generalsekretär Rutte verwies darauf, dass die Allianz der Ukraine den Beitritt grundsätzlich versprochen habe. «Die Ukraine wird Nato-Mitglied sein», sagte er. Einen Zeitplan nannte Rutte allerdings nicht.

Trump stellt erneut Ukraine-Hilfen infrage

In den USA machte unterdessen Präsidentschaftskandidat Donald Trump Selenskyj mitverantwortlich für den russischen Angriffskrieg. «Er hätte es niemals zum Ausbruch dieses Krieges kommen lassen dürfen», sagte der Republikaner in einem Podcast mit dem Youtuber Patrick Bet-David. Der Ex-Präsident stellte erneut die US-Hilfen infrage. «Ich denke, Selenskyj ist einer der besten Geschäftemacher, die ich je gesehen habe. Jedes Mal, wenn er kommt, geben wir ihm 100 Milliarden Dollar. Wer sonst hat in der Geschichte so viel Geld bekommen? Das hat es noch nie gegeben.»

Die Vereinigten Staaten sind tatsächlich der wichtigste Unterstützer der Ukraine. Seit Beginn des Krieges im Februar 2022 hat die Regierung von Biden militärische Hilfe in Höhe von über 50 Milliarden US-Dollar für Kiew bereitgestellt – also deutlich weniger, als von Trump behauptet.

Mehr Panzer aus Deutschland 

Deutschland hat der Ukraine zusätzlich 20 Schützenpanzer vom Typ Marder geliefert. Die Ukraine erhielt auch weitere acht Kampfpanzer vom Typ Leopard 1, wie aus der aktualisierten Liste der Bundesregierung zu Waffenlieferungen hervorgeht. Die Bundesregierung listete auch je ein Flugabwehrsystem Iris-T SLM und Iris-T SLS auf. Deren Lieferung war schon vorher bestätigt worden. Die Ukraine bekam außerdem 6 Panzerhaubitzen 2000 sowie 24.000 Schuss Artilleriemunition vom Kaliber 155 Millimeter.

 

Des Weiteren erwartet die Ukraine in naher Zukunft die Ankunft von sechs zugesagten Kampfjets F-16 aus Norwegen. Dies gab Verteidigungsminister Rustem Umjerow nach einem bilateralen Treffen mit seinem norwegischen Amtskollegen Bjørn Arild Gram bei der Nato bekannt. Umjerow schlug auch vor, dass Norwegen ukrainische Rüstungsbetriebe direkt unterstützen könnte, ähnlich wie Dänemark. Die Niederlande, Dänemark, Norwegen und Belgien haben der Ukraine insgesamt über 60 Kampfjets F-16 aus US-amerikanischer Produktion zugesagt.

dpa