Der ukrainische Präsident ist in den USA und hat einen geheimnisvollen Plan in der Tasche: Sein Land sucht Hilfe für einen Sieg und einen gerechten Frieden. Allmählich werden die Details klarer.
Selenskyj: Müssen Moskau zu einem Ende des Kriegs zwingen
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat im UN-Sicherheitsrat seine Verbündeten beschworen, gemeinsam ein Ende des russischen Angriffskrieges zu erzwingen. Kremlchef Wladimir Putin habe «so viele internationale Gesetze und Regeln gebrochen, dass er nicht von allein damit aufhören wird. Russland kann nur zum Frieden gezwungen werden, und genau das ist nötig», sagte Selenskyj in einer Sitzung des höchsten Gremiums der Vereinten Nationen in New York. Dort wird er heute auch in der UN-Generaldebatte das Wort ergreifen und versuchen, politische und militärische Unterstützung für sein Land zu mobilisieren.
In der Zwischenzeit kamen aus der Heimat schlechte Nachrichten. Nach einem russischen Luftangriff mit Gleitbomben auf die Stadt Charkiw stieg die Zahl der Opfer bis Dienstagabend auf mindestens 3 Tote und 34 Verletzte. Bei den Bodenkämpfen im Osten der Ukraine sind die Verteidiger weiterhin stark unter Druck. Russische Truppen rücken auf die Stadt Wuhledar im Gebiet Donezk vor und drohen, sie einzukreisen. In der Nacht zum Mittwoch gab es in der Osthälfte der Ukraine Luftalarm. In den Gebieten Sumy, Poltawa sowie in der Hafenstadt Odessa waren nach Behördenangaben Explosionen zu hören.
Selenskyj arbeitet auf Siegesplan hin
Selenskyj bereitete die diplomatische Initiative vor, die Ziel seiner US-Reise ist, indem er im UN-Sicherheitsrat auftrat. Am Donnerstag plant er, dem scheidenden US-Präsidenten Joe Biden einen Plan vorzustellen, wie ein Sieg der Ukraine und ein gerechter Frieden erreicht werden können. Auch dessen mögliche Nachfolger Kamala Harris und Donald Trump sollen informiert werden.
Russland begeht mit dem Krieg ein internationales Verbrechen, sagte Selenskyj. «Deshalb kann dieser Krieg nicht einfach verschwinden. Deshalb kann dieser Krieg nicht durch Gespräche beruhigt werden.» Er fügte hinzu: «Es muss gehandelt werden.» Er sei «allen Nationen dankbar, die wirklich auf eine Weise helfen, die das Leben unserer Menschen rettet». Während Selenskyj sprach, blätterte der russische Botschafter Wassili Nebensja demonstrativ in seinen Unterlagen und schaute aufs Handy. In seiner Erwiderung warf Nebensja dem ukrainischen Präsidenten vor, sein eigenes Land und Volk zu zerstören.
Ukraine will keine vorübergehende Besatzung akzeptieren
Die einzelnen Schritte, die Selenskyj vorschlagen will, sind bislang nicht bekannt. Dazu gehört aber die Forderung nach einem Nato-Beitritt der Ukraine, wie Selenskyjs Stabschef Andrij Jermak bei einem Auftritt in New York sagte. Ein weiterer «obligatorischer Punkt» sei, dass die Ukraine auf dem Weg zu einem Frieden keine vorübergehende russische Besatzung ihrer Gebiete akzeptieren werde. Das teilte das Außenministerium in Kiew mit. Russland müsse vollständig aus dem international anerkannten Hoheitsgebiet der Ukraine abziehen. Russland hält etwa ein Fünftel des Nachbarlandes besetzt und beansprucht mindestens fünf Verwaltungsgebiete im Südosten des Landes und die schon 2014 annektierte Halbinsel Krim.
Die Ukraine bittet die USA seit Monaten militärisch darum, die Beschränkungen für den Einsatz gelieferter Waffen bis mehrere hundert Kilometer tief nach Russland hinein aufzuheben. Dort befinden sich Munitionsdepots, Kommandostellen und Luftwaffenstützpunkte, von denen aus russische Kampfjets zu Bombenabwürfen auf die Ukraine starten. Die Besetzung von etwa 1000 Quadratkilometern im russischen Gebiet Kursk durch die ukrainische Armee könnte ein Faustpfand für die Räumung ukrainischer Gebiete sein, so Selenskyjs Überlegungen.
Bombentreffer auf Charkiw
Durch den Einschlag mehrerer russischer Gleitbomben in der ostukrainischen Großstadt Charkiw gab es zivile Opfer. «Die Ziele russischer Bomben sind ein Wohnhaus, eine Brotfabrik, ein Stadion. Das heißt, das normale Leben einfacher Leute», schrieb Selenskyj auf Telegram. Mindestens drei Menschen seien getötet worden. Außerdem gab es 34 Verletzte. Bürgermeister Ihor Terechow sprach von Bombeneinschlägen in vier Stadtvierteln und von zwei beschädigten Hochhäusern. Die Millionenstadt Charkiw liegt nur etwas mehr als 20 Kilometer von der russischen Grenze entfernt und wird nahezu täglich vom russischen Militär mit Raketen und Bomben angegriffen.
Russlands Haushalt 2025 auf Krieg ausgerichtet
Trotz westlicher Sanktionen plant Russland für 2025 mit hohen Einnahmen aus Öl und Gas. Ministerpräsident Michail Mischustin gab in Moskau bekannt, dass die staatlichen Einnahmen um 12 Prozent auf 40,3 Billionen Rubel (ca. 390 Milliarden Euro) steigen sollen. Der Anteil des Energiesektors an den Einnahmen wird auf knapp drei Viertel steigen. Die Ausgaben sollen weniger stark wachsen, auf 41,4 Billionen Rubel (ca. 400 Milliarden Euro). Ein Defizit von 0,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes wird erwartet.
Nach Berichten der Medien ist auch der kommende Haushalt auf den Krieg gegen die Ukraine und eine umfangreiche Rüstungsproduktion ausgerichtet. Laut der Finanznachrichtenagentur Bloomberg aus Moskau sind 13,2 Billionen Rubel für das Militär vorgesehen. Insgesamt sind 40 Prozent aller Ausgaben für Verteidigung und Sicherheit vorgesehen – mehr als die Ausgaben für Bildung, Gesundheit, Soziales und Wirtschaft in Russland zusammen.
Das wird heute wichtig
Bei der UN-Generaldebatte in New York werden unter anderem Selenskyj und der französische Präsident Emmanuel Macron sprechen.