Die ukrainischen Streitkräfte haben erhebliche Gebietsgewinne gemacht, um die Grenze vom russischen Militär zu befreien. Selenskyj betont die Wichtigkeit der Erlaubnis zum Einsatz von Langstreckenwaffen gegen Ziele in Russland.
Ukrainische Truppen erobern russisches Territorium – Selenskyj erklärt Offensive als Sicherheitsmaßnahme
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die Offensive seiner Truppen über die Grenzen hinweg in die westrussische Region Kursk als Sicherheitsmaßnahme bezeichnet. Die bisher eroberten Gebiete dort seien Regionen, aus denen Russlands Streitkräfte die ostukrainische Region Sumy wiederholt angegriffen hätten. Allein seit Anfang Juni seien dort rund 2.100 Angriffe registriert worden. «Deshalb sind unsere Operationen eine reine Sicherheitsfrage für die Ukraine, um die Grenze vom russischen Militär zu befreien», sagte Selenskyj in seiner allabendlichen Videoansprache.
Kursk werde zum Symbol vom Anfang und Ende des russischen Präsidenten Wladimir Putin, sagte Selenskyj mit Blick auf die Katastrophe beim Untergang des modernsten russischen Atom-U-Boots «Kursk», das im August 2000 mit 118 Besatzungsmitgliedern an Bord gesunken war. «Vor 24 Jahren gab es die Kursk-Katastrophe, die den symbolischen Beginn seiner Herrschaft darstellte; jetzt sehen wir das Ende davon – und es ist wieder Kursk.»
Ukrainischer Kommandeur berichtet von Gebietsgewinn
Die ukrainischen Streitkräfte haben laut eigener Aussage bereits beträchtliche Gebietsgewinne bei ihrem Vormarsch auf russisches Territorium erzielt. Oberkommandeur Olexander Syrskyj gab bekannt, dass bereits rund 1.000 Quadratkilometer unter ukrainischer Kontrolle seien, während er in einer Sitzung der Stawka, des Oberkommandos in Kiew, sprach. Präsident Selenskyj übertrug den Beginn der Sitzung und Syrskyjs Worte auf der Plattform X.
Zuvor hatte bereits der amtierende Gouverneur der Region Kursk von Gebietsverlusten berichtet. Nach seinen Angaben drangen die ukrainischen Truppen auf einer Breite von 40 Kilometern etwa 12 Kilometer weit vor, was ungefähr der Hälfte der von Syrskyj angegeben Quadratkilometer-Zahl entspricht. Der russische Militärblog «Rybar» sprach von schweren Kämpfen und einer teilweise unübersichtlichen Lage. Unabhängig waren die Angaben beider Seiten zunächst nicht zu überprüfen.
Selenskyj hat die Innenbehörde der Ukraine und die Streitkräfte angewiesen, einen humanitären Plan für das Einsatzgebiet in Westrussland zu entwickeln. Laut russischer Darstellung wurden nicht alle Zivilisten aus dem Kampfgebiet evakuiert.
Russland klagt über Einsatz westlicher Waffen
Die Ukraine wird beschuldigt, schwere Waffen aus westlichen Lieferungen im Kampf um die Region Kursk einzusetzen. Neben Artillerie und Raketenwerfern sind auch gepanzerte Fahrzeuge im Einsatz, die von westlichen Partnern erhalten wurden. Trotzdem gibt es von den westlichen Partnern keine Einschränkungen für den Einsatz dieser Waffen durch die ukrainischen Streitkräfte.
Selenskyj unterstrich einmal mehr, wie wichtig die von ihm erhoffte Erlaubnis zum Einsatz der vom Westen gelieferten Langstreckenwaffen gegen Ziele in Russland sei. «Wir brauchen entsprechende Genehmigungen unserer Partner für den Einsatz von Langstreckenwaffen», betonte Selenskyj. «Es ist nur fair, die russischen Terroristen dort zu vernichten, wo sie sind, wo sie ihre Angriffe starten – russische Militärflugplätze, russische Logistik.» Russland müsse gezwungen werden, Frieden zu schließen, wenn Kremlchef Putin so erpicht darauf sei, weiterzukämpfen.
Kiew hat seit Wochen versucht, die Erlaubnis zu erhalten, weitreichende Raketen gegen Ziele in Russland einzusetzen. Bisher können die ukrainischen Streitkräfte für solche Angriffe nur Drohnen aus eigener Produktion verwenden – jedoch mit einer deutlich geringeren Sprengkraft.
Schwere Kämpfe im Donbass
Abseits des Kriegsgeschehens in der westrussischen Region Kursk haben russische Truppen ihre Angriffe im Osten der Ukraine rund um den Donbass fortgesetzt. Der Generalstab in Kiew teilte in seinem abendlichen Lagebericht mit, dass die russischen Truppen erneut versuchten, die ukrainischen Stellungen bei Torezk und Pokrowsk zu durchbrechen. Bei Torezk wurden die russischen Bodentruppen auch von zwölf Luftangriffen unterstützt.
Schwere Gefechte lieferten sich russische Angreifer und ukrainische Verteidiger rund um Pokrowsk. Insgesamt seien im Tagesverlauf rund 25 Vorstöße russischer Einheiten registriert worden, von denen ein Großteil abgeschlagen worden sei. «Die feindlichen Verluste werden noch geklärt», hieß es seitens des Generalstabs. Nach russischer Darstellung wurden im Verlauf der Kämpfe mehrere ukrainische Siedlungen eingenommen. Auch diese Angaben konnten nicht unabhängig geprüft werden.