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Selenskyj verhandelt ohne Moskau mit Trump über russischen Angriffskrieg

Selenskyj will klarmachen, dass Kiew eine Kapitulation und Diktatfrieden ablehnt.

Selenskyj trifft Trump zwei Stunden früher als ursprünglich geplant. (Archivbild)
Foto: Peter Dejong/AP/dpa

Während seines Treffens mit US-Präsident Donald Trump an diesem Sonntag plant der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj erneut, über eine mögliche Beendigung des russischen Angriffskrieges zu verhandeln. Vertreter aus Moskau werden nicht anwesend sein, daher ist eine Einigung zwischen den Kriegsparteien heute unwahrscheinlich. Selenskyj wird Trump deutlich machen, dass eine Kapitulation und ein Diktatfrieden mit Moskau für Kiew nicht in Frage kommen. Die USA fungieren als Vermittler in diesem Konflikt, während die Ukraine seit fast vier Jahren mit westlicher Unterstützung gegen die russische Invasion kämpft.

Knackpunkt Gebietsabtretungen

«Natürlich gibt es rote Linien für die Ukraine und das ukrainische Volk», sagte Selenskyj in einer Mitteilung in seinem Telegram-Kanal vor dem Treffen in Florida. Der Ukrainer hatte etwa die auch von Trump geforderten Abtretungen jener Teile im Gebiet Donezk, die Russland bisher nicht kontrolliert, stets kategorisch abgelehnt. Es gebe Kompromissvorschläge für die offenen Gebietsfragen, sagte Selenskyj. Der Punkt gehört zu den kritischsten überhaupt auf dem Weg zu einer Einigung. 

Das Weiße Haus hat das bilaterale Treffen in Palm Beach, Florida, um 13.00 Uhr Ortszeit (19.00 Uhr MEZ) angekündigt. Trump befindet sich derzeit in seiner luxuriösen Residenz Mar-a-Lago. In diesem Privatclub hat er in der Vergangenheit regelmäßig hochrangige Politiker empfangen. Laut einem Bericht des öffentlich-rechtlichen ukrainischen Senders Suspilne traf Selenskyj am Samstagabend (Ortszeit) in den USA ein.

20-Punkte-Friedensplan

Der ukrainische Staatschef möchte mit Trump über seine am Heiligabend vorgestellten 20 Punkte für einen möglichen Friedensplan sprechen. Ein zentrales Thema sind die Sicherheitsgarantien für die Ukraine im Falle eines Waffenstillstands, um langfristig vor einem erneuten russischen Angriff geschützt zu sein. Russland betrachtet die meisten Punkte von Selenskyj als im Widerspruch zu seinen Positionen.

Selenskyj betonte, dass Russland durch seine täglichen Luftangriffe deutlich mache, dass es nicht an einem Frieden interessiert sei. Aus diesem Grund strebt er an, sich bei Trump für zusätzliche Flugabwehrsysteme einzusetzen. Aufgrund der täglichen russischen Angriffe mit Drohnen und Raketen betonte Selenskyj die Notwendigkeit von mehr Raketen für die ukrainische Luftverteidigung.

Selenskyj: Dankbar für EU-Hilfe, aber Ukraine braucht mehr

Selenskyj sagte auch, dass es parallel Verhandlungen mit den Europäern über Sicherheitsgarantien gebe. Er zeigte sich dankbar, dass die EU weitere finanzielle Unterstützung in Form von Krediten in Milliardenhöhe für die Ukraine beschlossen hat. «Aber ehrlich gesagt, gibt es immer einen Geldmangel, besonders für die Produktion von Waffen und vor allem von Drohnen», sagte er.

Vor dem Treffen mit Trump sagte der ukrainische Staatschef, dass er mit dem US-Präsidenten auch über Investitionen für einen Wiederaufbau der Ukraine nach Beendigung des Krieges sprechen wolle. Dazu müssten Fonds gegründet werden, aufgebracht werden müssten bis zu 800 Milliarden US-Dollar (679 Milliarden Euro).

Selenskyj erwartet, dass Trump erneut auf Wahlen in der Ukraine bestehen wird. Der ukrainische Präsident, dessen Amtszeit offiziell 2024 endete, aber aufgrund des Kriegsrechts verlängert wurde, könnte durch eine Abstimmung neu legitimiert werden. Selenskyj zufolge fordert der Kreml, dass auch ukrainische Flüchtlinge in Russland – das sind Hunderttausende – an der Abstimmung teilnehmen können. Der Ukrainer kommentierte, dass die Führung Russlands selbst nicht legitim sei. Wahlen in Russland werden weder als fair noch frei kritisiert.

Verbündete sichern Selenskyj Unterstützung zu

Der Verbündeten der Ukraine stärkten Selenskyj vor seinem Treffen mit Trump bei einer Telefonschalte den Rücken. «Die elf Staats- und Regierungschefs aus Europa und Kanada sowie die Spitzen von Nato und der EU sicherten der Ukraine ihre volle Unterstützung zu und unterstrichen, in enger Koordination mit den USA für einen nachhaltigen und gerechten Frieden in der Ukraine einzutreten», teilte ein Sprecher der Bundesregierung in Berlin mit. Ähnlich äußerte sich EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die ebenfalls an dem Gespräch teilgenommen hatte. 

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) lud auf Bitte Selenskyjs zu der Telefonschalte im Format des letzten Berliner Treffens ein. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron betonte, dass die Europäer vollständig in die sie betreffenden Diskussionen eingebunden werden müssten, wie es aus Élysée-Kreisen hieß. Im Januar wird Macron ein weiteres Treffen der Koalition der Willigen in Paris ausrichten.

Selenskyj schrieb nach der Telefonschalte auf Telegram, er wolle das Gespräch mit den Verbündeten am Sonntag nach dem Treffen mit Präsident Trump fortsetzen. «Wir brauchen sowohl an der Front als auch in der Diplomatie eine starke Position, damit (Kremlchef Wladimir) Putin nicht manipulieren und ein echtes und gerechtes Ende des Krieges verhindern kann.»

Putin in Uniform behauptet neue Eroberungen in der Ukraine 

Vor dem bevorstehenden Treffen zwischen Selenskyj und Trump zeigte sich Putin in Uniform und ließ sich demonstrativ von seinem Generalstab über angebliche neue Eroberungen in der Ukraine informieren. Putin äußerte, dass Russland den Donbass – einschließlich der Gebiete Donezk und Luhansk – auch militärisch einverleiben könnte. In einem vom Kreml am Samstagabend veröffentlichten Videoclip warf Putin Selenskyj vor, kein Interesse an einem Friedensabkommen zu haben. Selenskyj lehnt einen Rückzug seiner Truppen aus dem Donbass ab.

«Und wenn der Machtapparat in Kiew nicht bereit ist, die Angelegenheit friedlich zu regeln, dann werden wir alle vor uns liegenden Aufgaben im Rahmen der speziellen Militäroperation mit Waffengewalt lösen», sagte Putin. Spezielle Militäroperation ist die offizielle Bezeichnung in Russland für den 2022 begonnenen Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Moskau will Myrnohrad und Huljajpole eingenommen haben

Diesmal behauptete Russland, dass die Stadt Myrnohrad im Gebiet Donezk eingenommen wurde. Nach der Eroberung von Siwersk im Norden des Gebiets Donezk sei nun der Weg frei auf die Großstadt Slowjansk, behauptete Generalstabschef Waleri Gerassimow. Er sagte, dass die russischen Truppen an der gesamten Frontlinie auf dem Vormarsch seien.

Laut russischen Militärangaben wurde auch die Stadt Huljajpole in der Region Saporischschja erobert. Der ukrainische Generalstab hat am Samstagabend die Berichte des Kremls dementiert, wonach die beiden Städte weiterhin verteidigt würden.

Nicht nur ukrainische Experten, sondern auch Militärblogger, die loyal zu Moskau sind, haben kürzlich mehrmals erklärt, dass das russische Verteidigungsministerium von den unter Druck stehenden Kommandierenden vor Ort über angebliche Erfolge informiert wird, die es in Wirklichkeit nicht gibt. Die Angaben von der Frontlinie sind kaum unabhängig überprüfbar.

dpa