Für die Ukraine ist es lebenswichtig, dass der America-First-Präsident Donald Trump sie weiter unterstützt. Kiew nutzt jede Chance, um mit ihm und seinen Leuten ins Gespräch zu kommen.
Selenskyj: Würde mit Putin reden – «Betrachte ihn als Feind»
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist unter Bedingungen zu direkten Verhandlungen mit Russlands Staatschef Wladimir Putin bereit. An Gesprächen sollten neben der Ukraine und Russland auch die USA und Europa beteiligt sein, sagte Selenskyj dem britischen Journalisten Piers Morgan in einem Interview – wobei unklar war, ob er mit «Europa» die EU oder einzelne Mitgliedstaaten meinte. Morgan steht US-Präsident Donald Trump nahe, und das Interview diente augenscheinlich dem Ziel, das konservative Lager in den USA anzusprechen.
«Wenn dies die einzige Möglichkeit ist, den Bürgern der Ukraine Frieden zu bringen und keine Menschen zu verlieren, werden wir auf jeden Fall zu diesem Treffen mit diesen vier Teilnehmern gehen», sagte Selenskyj. Über Kremlchef Putin sagte er: «Ich werde nicht nett zu ihm sein, ich betrachte ihn als Feind, und offen gesagt, ich glaube, er betrachtet mich auch als Feind.»
Putin hat betont, dass Selenskyj Gespräche mit ihm verboten habe, obwohl er seine angebliche Verhandlungsbereitschaft betont hat. Dies bezieht sich auf einen Erlass des ukrainischen Staatschefs vom September 2022, nachdem Russland die vier teilweise besetzten Regionen Luhansk, Donezk, Saporischschja und Cherson annektiert hatte.
Laut des Erlasses sind Verhandlungen mit Putin zwar nicht verboten, jedoch werden sie aufgrund der Situation als unmöglich erklärt. Selenskyj sagte kürzlich, dass das Dokument dazu dienen sollte, möglichen Separatismus zu verhindern, da Moskau zu dieser Zeit unkontrollierte Gesprächskanäle in die Ukraine suchte.
Kontakte zwischen Kiew und Washington
Trump, der stolz auf seinen guten Draht zu Putin ist, setzt sich für ein Ende des seit fast drei Jahren anhaltenden Krieges ein. Die Verhandlungstaktik seiner neuen Regierung ist jedoch bisher nicht klar. Selenskyj und sein Team haben jedoch in den letzten Monaten viele Wege genutzt, um im Trump-Lager Verständnis für die Ukraine zu gewinnen.
Auch am Dienstag berichtete Selenskyj von Kontakten nach Washington. «Unsere Teams – die Teams der Ukraine und der Vereinigten Staaten – haben bereits begonnen, konkrete Gespräche zu führen», sagte er in seiner abendlichen Videoansprache. Sein Präsidialamtsleiter Andrij Jermak habe mit US-Sicherheitsberater Mike Waltz gesprochen. «Und wir bereiten einen Zeitplan für Treffen vor», sagte Selenskyj.
Dabei könnte es zunächst um einen Besuch von Trumps Ukraine-Beauftragtem Keith Kellogg in Kiew gehen. Dieser hat sich vorgenommen, in den ersten 100 Tagen nach Trumps Amtsantritt Fortschritte zu erreichen. «Wir stimmen den Termin endgültig ab und die Teilnehmer. Wir warten auf das Team und werden miteinander arbeiten», sagte Selenskyj vor Journalisten in Kiew.
Selenskyj: Können Hilfe mit Bodenschätzen entgelten
Trump verband zuletzt die Hilfe für die Ukraine mit dem Zugriff auf ihre Rohstoffe. Dies wurde kritisiert, unter anderem von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Selenskyj wies darauf hin, dass er bereits vor der US-Wahl im November angeboten hatte, sich für westliche Hilfe mit Seltenen Erden und anderen Bodenschätzen erkenntlich zu zeigen.
«Wir sind offen dafür, all dies mit unseren Partnern zu entwickeln, die uns helfen, unser Land zu verteidigen und den Feind mit ihren Waffen, ihrer Anwesenheit und mit Sanktionspaketen zurückzudrängen», sagte der ukrainische Präsident. Er habe mit Trump darüber schon bei einem Treffen im September 2024 gesprochen.
Die Frage von Atomwaffen für die Ukraine
Im Gespräch mit Morgan warf Selenskyj die halb rhetorisch gemeinte Frage nach einer nuklearen Bewaffnung der Ukraine wieder auf. Welche Sicherheitsgarantien bekomme sein Land, wenn sich der erhoffte Nato-Beitritt noch um Jahre oder Jahrzehnte verzögern sollte, fragte er. «Welches Unterstützungspaket, welche Raketen (bekommen wir)? Oder bekommen wir Atomraketen? Dann sollte man uns Atomraketen geben.»
Die Ukraine gab im Jahr 1994 die letzten sowjetischen Nuklearwaffen auf ihrem Gebiet ab, um lose Sicherheitszusagen aus Moskau, London und Washington zu erhalten. Selenskyj bezeichnete dies kürzlich als Fehler.
Russische Kampfdrohnen am Himmel
Die Nacht auf Mittwoch begann für viele Gebiete der Ukraine erneut mit Luftalarm, da russische Kampfdrohnen am Himmel gesichtet wurden. Bürgermeister Vitali Klitschko schrieb auf Telegram, dass Flugabwehr am östlichen Stadtrand von Kiew im Einsatz sei. Medien berichteten auch von Explosionen in Sumy im Norden und in Cherson im Süden.
In Isjum in der Ostukraine wurden am Dienstag mindestens fünf Menschen durch einen russischen Raketenangriff getötet, und Dutzende wurden verletzt. Die Stadt wurde unmittelbar nach der großangelegten russischen Invasion im März 2022 besetzt. Im September 2022 gelang es den ukrainischen Truppen, die Stadt zurückzuerobern. Die Flagge der Ukraine wurde auf dem Rathaus gehisst, das nun bei dem Raketenangriff getroffen wurde.