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Debatten im Bundestag: Union fordert schärfere Migrationspolitik

Harte Diskussionen über Anträge zur Abstimmung, trotz Warnungen vor Zusammenarbeit mit AfD.

Migration: Bundestag stimmt über Unions-Anträge ab - Scholz gibt Regierungserklärung. (Archivbild)
Foto: Michael Kappeler/dpa

Eine Woche nach dem Messerangriff von Aschaffenburg mit zwei Toten stehen heute im Bundestag (ab 14.15 Uhr) harte Debatten und Abstimmungen über eine verschärfte Migrationspolitik an. Die Union plant zwei Anträge zur namentlichen Abstimmung vorzulegen. Vorher wird Kanzler Olaf Scholz (SPD) eine Regierungserklärung abgeben. SPD und Grüne warnten die Union und deren Kanzlerkandidat eindringlich davor, mit der AfD gemeinsame Sache zu machen. Die AfD hatte angekündigt, den Anträgen und auch einem Gesetzentwurf, der am Freitag zur Abstimmung steht, zuzustimmen.

Was war der Auslöser für die neue Migrationsdebatte? 

Ein Mann aus Afghanistan, der anscheinend psychisch krank war, hat am Mittwoch der vergangenen Woche einen zweijährigen Jungen mit marokkanischen Wurzeln aus einer Kindergartengruppe mit einem Messer getötet. Ein 41-jähriger Familienvater, der sich zwischen Angreifer und Kinder gestellt hatte, ist auch gestorben. Weitere Personen wurden schwer verletzt, darunter ein zwei Jahre altes Mädchen syrischer Herkunft. Der 28-jährige Angreifer war zur Ausreise verpflichtet und befindet sich in einer psychiatrischen Einrichtung. Vor der Tat gab es eine Reihe anderer Angriffe, bei denen auch Ausländer unter Verdacht stehen.

Worüber genau soll im Bundestag abgestimmt werden? 

Ein Antrag bezieht sich auf den von Unionsfraktionschef Friedrich Merz vorgelegten Fünf-Punkte-Plan. Es wird gefordert, dass dauerhafte Grenzkontrollen zu allen Nachbarländern durchgeführt werden, ein Einreiseverbot für alle Personen ohne gültige Einreisedokumente verhängt wird, auch wenn sie ein Schutzgesuch stellen. Personen, die zur Ausreise verpflichtet sind, sollen inhaftiert werden und Abschiebungen müssen täglich erfolfolgen. Der Bund soll die Länder bei der Durchsetzung der Ausreisepflicht unterstützen – es sollen Bundesausreisezentren eingerichtet werden. Ausreisepflichtige Straftäter und Gefährder sollen in unbefristeter Ausreisungshaft bleiben, bis sie freiwillig in ihr Heimatland zurückkehren oder abgeschoben werden können.

Der zweite Antrag trägt den Titel «Für einen Politikwechsel bei der Inneren Sicherheit». Die Unionsfraktion listet hier 27 Punkte auf, etwa Mindestspeicherfristen für IP-Adressen, mehr technische Befugnisse für Ermittler etwa zur elektronischen Gesichtserkennung, einen verbesserten Datenaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden, eine Stärkung der Nachrichtendienste sowie härtere Strafen für Angriffe auf Polizisten, Rettungskräfte und Helfer. 

Am Freitag wird das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz der Unionsfraktion zur finalen Abstimmung stehen. Die Neuregelung zielt darauf ab, den Familiennachzug zu Geflüchteten mit eingeschränktem Schutzstatus zu beenden. Die Bundespolizei soll befugt sein, aufenthaltsbeendende Maßnahmen durchzuführen, wenn sie Ausreisepflichtige in ihrem Zuständigkeitsbereich antrifft.

Wie stehen die Chancen bei den Abstimmungen? 

Falls es bei CDU/CSU, FDP, AfD und BSW keine Abgeordneten gibt, die sich enthalten, dagegen stimmen oder abwesend sind, würden bei der Abstimmung über den Gesetzentwurf insgesamt 372 Stimmen zusammenkommen. Der Bundestag hat derzeit 733 Abgeordnete. Es wäre also ausreichend. Wenn nicht alle Abgeordneten dieser Parteien mit Ja stimmen, könnte das Abstimmungsverhalten der neun Fraktionslosen entscheidend sein. Die meisten von ihnen waren früher Mitglieder der AfD-Fraktion.

SPD, Grüne und Linke lehnen keines der drei Vorhaben ab. Die AfD hingegen plant, ihnen zuzustimmen, obwohl kritische AfD-Passagen in den beiden Anträgen enthalten sind.

Es könnte am Freitag am einfachsten für den Gesetzentwurf sein. Neben der Union wollen auch die AfD, FDP und BSW zustimmen.

Den Fünf-Punkte-Plan wollen AfD und FDP mittragen. Von BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht hieß es gestern hingegen, sie würde nach aktuellem Stand «nicht von einer Zustimmung ausgehen» – dies sei aber noch offen, ergänzte eine Parteisprecherin. Der zweite Antrag zur Sicherheitspolitik findet zwar Zustimmung bei Union und AfD, nicht aber von FDP und BSW. 

Dringende Warnungen von Scholz und Habeck 

Auch wenn die Anträge am Mittwoch durchkämen, hätten sie nur appellatorischen Charakter. Kanzler Scholz sagte gestern Abend bei einer Wahlkampfveranstaltung in Berlin, sie würden «erstmal gar nichts bewirken». Umso mehr sei es «empörend», dass die Union entgegen früherer Aussagen in Kauf nehme, dass eine Mehrheit nur mit Stimmen der AfD zustande komme, sagte der SPD-Kanzlerkandidat. Scholz warnte zugleich vor einer schwarz-blauen Mehrheit im Bundestag nach der Wahl. 

SPD-Chef Lars Klingbeil sagte in der ZDF-Sendung «Wie geht’s, Deutschland?», er sei «bestürzt», dass wahrscheinlich erstmals in der Geschichte des Landes Union und AfD gemeinsame Sache im Parlament machen. «Das wird unser Land verändern», sagte Klingbeil. 

«Tun Sie es nicht, Herr Merz»

Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck appellierte via Instagram an seinen Konkurrenten von der Union: «Tun Sie es nicht, Herr Merz.» Habeck sprach von einem «Scheideweg in der politischen Kultur unseres Landes». Die Union begäbe sich in die Fänge der AfD. «Dieses Verhalten jetzt macht Europa kaputt.» 

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: «Dass Friedrich Merz just in Zeiten, in denen Europa eigentlich zusammenstehen muss, unsere europäischen Nachbarn vor den Kopf stößt, schadet Deutschland massiv.» 

AfD-Chefin Alice Weidel sieht sich hingegen mit der Union auf einer Linie. Sie sagte in der ZDF-Sendung «Wie geht’s, Deutschland?», der Antrag mit fünf Punkten sei «von der AfD abgeschrieben» und enthalte Forderungen, die ihre Partei bereits seit Jahren vorgebracht habe. 

Rückendeckung für Merz‘ Vorgehen – Keine Zusammenarbeit mit AfD

Die Vize-Chefin der CDU, Karin Prien, verteidigte ihren Parteichef hingegen. «Ich stehe in der Sache an der Seite von Friedrich Merz», sagte Prien, die dem liberalen Lager der Partei angehört, dem «Stern». «Nur wenn eine Mitte-Rechts-Partei wie die CDU das Migrations-Problem in Deutschland gelöst bekommt, kann das die Erosion unserer Demokratie und den Aufstieg radikaler Kräfte noch abwenden», sagte sie. 

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann sagte der «Rheinischen Post», das Land brauche eine «Kehrtwende in der Migrationspolitik» und vor allem einen Stopp der illegalen Migration. Er betonte zugleich: «Ich werde nicht eine Sekunde mit der AfD oder ihren Verantwortlichen zusammenarbeiten. Sonst bin ich nicht mehr hier. Das gilt auch für Friedrich Merz.» 

CSU-Chef Markus Söder verteidigte ebenfalls Merz’ Kurs und das Vorgehen der Union gegen Kritik, für eine Mehrheit Stimmen der AfD in Kauf zu nehmen. Es gehe im Bundestag nun um eine sachlich gebotene Entscheidung. «Es ist auch keine Zusammenarbeit, deswegen wird auch keine Brandmauer fallen», sagte der bayerische Ministerpräsident in der ARD-Sendung «Maischberger».

dpa
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