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Showdown im Kanzleramt: Platzt heute die Ampel?

So nah stand die Ampel-Koalition noch nie am Abgrund. Heute könnte sich entscheiden, ob sie abstürzt.

Scholz, Habeck, Lindner: Sie entscheiden heute, was aus der Ampel wird. (Archivbild)
Foto: Kay Nietfeld/dpa

Nach langwierigen Auseinandersetzungen über den Haushalt und die Wirtschaftspolitik werden die Spitzen von SPD, Grünen und FDP heute prüfen, ob es noch eine Grundlage für die Fortsetzung der Zusammenarbeit gibt. In einer Sitzung des Koalitionsausschusses am Abend wird diskutiert, wie das Milliardenloch im Haushalt 2025 geschlossen und die stark angeschlagene deutsche Wirtschaft wieder in Schwung gebracht werden kann.

Vor den Gesprächen treffen sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Robert Habeck (Grünen) zu zwei Vorbereitungsrunden, die von einer Kabinettssitzung unterbrochen werden. Bereits am Montag und Dienstag hatten sie sich getroffen und versuchen nun, eine gemeinsame Vorlage für den Koalitionsausschuss zu erarbeiten. Gelingt ihnen dies, dürfte die große Runde mit allen Partei- und Fraktionschefs am Abend nur noch eine Formalität sein. Falls sie sich nicht einigen können, steht die Ampel vor dem Scheitern.

Die Ausgangslage 

Lindner hat schon vor einiger Zeit den «Herbst der Entscheidungen» für die Koalition ausgerufen. Er meinte damit vor allem den Haushalt für das nächste Jahr, der am 29. November im Bundestag verabschiedet werden soll. Daneben geht es ihm um eine Strategie, wie Deutschland aus der Wirtschaftskrise geführt werden soll. Dazu hat er Vorschläge gemacht, die den Streit in der Koalition eskalieren ließen. In seinem Konzept für eine Wirtschaftswende fordert Lindner unter anderem die endgültige Abschaffung des Solidaritätszuschlags auch für Vielverdiener und einen Kurswechsel in der Klimapolitik. 

Gegen solche Ideen gibt es erheblichen Widerstand bei SPD und Grünen. Habeck ist Lindner aber auch einen Schritt entgegengekommen. Er hat sich bereiterklärt, die nach der Verschiebung des Baus eines Intel-Werks in Magdeburg frei werdenden Fördermilliarden zum Stopfen von Haushaltslöchern zu verwenden. «Nun erwarte ich allerdings auch, dass die anderen auch im eigenen Bereich mal Vorschläge machen», sagte er anschließend.

Szenario eins: Die Ampel rauft sich zusammen

Seit Montag suchen Scholz, Habeck und Lindner unterstützt von Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt (SPD) und zwei Staatssekretären nach Lösungen. Wenn sie heute zu einer Einigung kommen, die dann vom Koalitionsausschuss abgesegnet wird, müsste der Haushalt 2025 noch vom Bundestag verabschiedet werden. Am 14. November findet die entscheidende Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses statt, bei der die letzten Details geklärt werden sollen. Zwei Wochen später wird im Plenum abgestimmt. Wenn beides erfolgreich verläuft, hätte die Ampel die größte Hürde genommen und könnte weiterregieren. Es würden jedoch weitere Differenzen bestehen, zum Beispiel bezüglich des umstrittenen Rentenpakets oder der Migrationspolitik.

Szenario zwei: Die Ampel ist am Ende

Falls es am Mittwoch oder in der Nacht zum Donnerstag keine Einigung gibt, könnte das Ampel-Bündnis enden. Eine Option wäre, dass die FDP die Regierung verlässt. Es wäre auch denkbar, dass Kanzler Scholz die FDP-Minister entlässt, wenn er genervt ist. Allerdings wird dies als weniger wahrscheinlich angesehen.

Scholz macht bisher nicht den Anschein, als würde er die Geduld verlieren. Am Dienstag appellierte er noch einmal auf etwas umständliche Weise an die Koalitionspartner, sich zusammenzureißen. «Klar ist, es ginge», sagte er. «Insofern ist die Frage nicht, ob man es überhaupt hinkriegen kann, sondern es ist möglich, und da müssen jetzt alle arbeiten.»

Nach einem Ampel-Aus: Minderheitsregierung oder Neuwahl 

Und was passiert, wenn die Ampelkoalition platzt? Sollte die FDP aussteigen, stünden SPD und Grüne vor der Entscheidung, ob sie ohne Mehrheit im Parlament regieren oder Neuwahlen anstreben wollen. Im Falle einer Minderheitsregierung wäre Rot-Grün bei jeder Abstimmung im Bundestag auf Unterstützung aus der Opposition angewiesen. Die Union drängt jedoch auf vorgezogene Neuwahlen und wird daher wahrscheinlich wenig kooperativ sein. Es ist also wahrscheinlicher, dass die verbleibende Regierung früher oder später durch eine Vertrauensfrage von Kanzler Scholz Neuwahlen einleitet.

Verhandlungen unter dem Eindruck der US-Wahl

Bei den Verhandlungen am Mittwoch wird eine nicht ganz unwichtige Rolle spielen, wie die Wahlen in den USA ausgehen. Sollte Donald Trump zum zweiten Mal zum Präsidenten gewählt werden, würde das weltweit für Unsicherheit sorgen und könnte die Einigungsbereitschaft in der Koalition erhöhen. Denn ein Neuwahl-Szenario mit einem möglichen Wahltermin Anfang nächsten Jahres würde bedeuten, dass Deutschland in den ersten Monaten einer Regierung Trump erst in der heißen Wahlkampfphase und dann in Koalitionsverhandlungen stecken würde und nur bedingt handlungsfähig wäre.

dpa