Moskau schert mit Bedingungen aus, Trump vermutet Zeitgewinn bei Putin.
Deeskalation des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine stockt
Die Bemühungen um eine schrittweise Deeskalation des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine zeigen weiterhin wenig Erfolg. Obwohl die USA als Vermittler angekündigt haben, dass beide Kriegsparteien die sichere zivile Schifffahrt im Schwarzen Meer gewährleisten würden, hat Moskau mit einer Reihe von Bedingungen gebrochen. Der Kreml erklärte, dass eine solche Vereinbarung erst nach der Aufhebung vieler Sanktionen gegen Russland in Kraft treten könne. US-Präsident Donald Trump schloss nicht aus, dass Russlands Präsident Wladimir Putin absichtlich Zeit schindet.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wird heute nach Paris reisen und dort von Präsident Emmanuel Macron empfangen. Das Treffen dient der Vorbereitung eines Gipfels der sogenannten Koalition der Willigen, zu dem Macron Unterstützer der Ukraine für Donnerstag eingeladen hat. Sie arbeiten unter der Leitung Frankreichs und Großbritanniens an einem Konzept für Sicherheitsgarantien, die gewährleisten sollen, dass eine mögliche Waffenruhe in der Ukraine auch hält und Russland nicht erneut angreift.
Trump hält es für möglich, dass Putin die laufenden Bemühungen um eine Waffenruhe gezielt herauszögert. Noch wisse er es zwar nicht genau, sagte der US-Präsident dem Fernsehsender Newsmax. Er selbst habe das aber auch manchmal gemacht, wenn er sich bei einem Vertrag unsicher war – um nicht gleich unterschreiben zu müssen und «sozusagen im Spiel zu bleiben». Zugleich betonte Trump, er sei sich sicher, dass sowohl die russische als auch die ukrainische Führung den Krieg beenden wollten.
Wieder russische Drohnenangriffe in der Nacht
Die Ukraine verteidigt sich seit mehr als drei Jahren mit Unterstützung des Westens gegen Russlands großangelegte Invasion. In der Nacht zum Donnerstag griff die russische Armee die Ukraine erneut mit Schwärmen von Kampfdrohnen an, wie die ukrainische Luftwaffe mitteilte. Besonders betroffen war Selenskyjs Heimatstadt Krywyj Rih: In der Industriestadt im Süden gab es etwa 15 Explosionen, berichtete der Rundfunksender Suspilne. Es liegen noch keine Informationen über Opfer und Schäden vor.
Moskau fordert Zugang zum Abrechnungssystem Swift
Nach getrennten Gesprächen mit Vertretern Russlands und der Ukraine in Saudi-Arabien teilten die USA zunächst die Einigung auf sicheren Schiffsverkehr im Schwarzen Meer mit. Moskau fordert jedoch, dass der russischen staatlichen Landwirtschaftsbank und anderen Geldinstituten vorher wieder Zugang zum internationalen Finanztelekommunikationssystem Swift gewährt wird, der ihnen aufgrund westlicher Sanktionen entzogen wurde.
Zusätzlich verlangt Russland das Ende des Embargos für den Import von Landwirtschaftstechnik und anderen Waren, die für die Produktion von Lebensmitteln und Dünger benötigt werden. Der Kreml möchte auch verschiedene Handelsbeschränkungen und Sanktionen aufheben.
Die USA haben zugesagt, Moskau bei der Ausfuhr von Getreide und Düngemitteln zu unterstützen. Allerdings müssten auch Absprachen mit der EU und anderen Ländern getroffen werden, die ebenfalls Strafmaßnahmen aufgrund des Angriffskriegs verhängt haben, um die Sanktionen aufzuheben. Eine Abschwächung der Russland-Sanktionen wäre ein großer Sieg für Moskau.
Selenskyj wirft Russland Manipulation vor
Selbst am Tag der Verhandlungen versuche Russland noch zu manipulieren, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videobotschaft. Dabei sei die Aussage der USA zu der Teilwaffenruhe auf See sehr klar gewesen. «Es gibt etwas, worüber der Kreml wieder lügt: dass die angebliche Waffenruhe im Schwarzen Meer von der Frage der Sanktionen abhängt», sagte der ukrainische Präsident.
Unklarheit bei Angriffen auf Energieanlagen
Auch nachdem der Kreml am Dienstagabend eine Liste solcher Objekte vorgelegt hat, ist unklar, ob die gegenseitigen Angriffe auf Energieanlagen gestoppt wurden. Der Angriffsstopp betrifft Ölraffinerien, Pipelines, Pumpstationen, Öl- und Gasspeicher, Kraftwerke, Umspannwerke, Atomkraftwerke und Wasserkraftwerke.
Der Kreml behauptete, dass Moskau seit dem 18. März an dieser Beschränkung festhalte. An diesem Tag hatten US-Präsident Donald Trump und Kremlchef Wladimir Putin miteinander telefoniert.
«Aber die Wahrheit ist, dass sie auch seit dem 18. März unsere Energieanlagen mit Bomben, Kampfdrohnen und FPV-Drohnen beschossen haben», schrieb der Selenskyj-Berater Dmytro Lytwyn im Netzwerk X – es gebe mindestens acht solche Fälle. Lytwyns Angaben ließen sich nicht überprüfen. Das Kürzel FPV steht für «First Person View» und bedeutet, dass die Drohne von einem Piloten mittels Bordkamera aus einer Perspektive gesteuert wird, als wenn er selbst im Cockpit säße.
Die Ukraine ist trotzdem bereit für diese teilweise Waffenruhe, obwohl Drohnenangriffe auf Militärobjekte und Ölraffinerien tief im russischen Hinterland in den letzten Monaten ihre effektivste Waffe waren.
Europäische Sicherheitsgarantie wohl nur als Luftraumüberwachung
In Bezug auf die diskutierten Sicherheitsgarantien für die Ukraine prüfen die westlichen Unterstützer derzeit hauptsächlich die Möglichkeit, eine – noch zu schaffende – entmilitarisierte Zone zwischen den Feindeslinien mithilfe technischer Mittel wie Satelliten und Drohnen aus der Luft zu überwachen. Darüber hinaus könnten laut Informationen der Deutschen Presse-Agentur Marineeinheiten eingesetzt werden, um die Freiheit der Schifffahrt im Schwarzen Meer zu überwachen.
Eine Friedenstruppe im eigentlichen Sinne würde möglicherweise über die Vereinten Nationen mobilisiert werden und ausschließlich aus Soldaten unparteiischer Drittstaaten bestehen. Europäische Streitkräfte könnten dann an der ukrainischen Westgrenze stationiert werden und Ausbildungsprogramme für die ukrainischen Partner anbieten. Der oberste Sicherheitsgarant wäre daher die atomare Supermacht USA, die eine solche Verpflichtung jedoch bisher abgelehnt hat.
Russland bekräftigt Anspruch auf AKW Saporischschja
Mit Blick auf jüngste Vorstöße Trumps bekräftigte Russland seinen Anspruch auf das besetzte ukrainische Kernkraftwerk Saporischschja. «Das AKW Saporischschja ist eine russische Nuklearanlage», schrieb das Außenministerium in Moskau in einer Mitteilung. Eine Rückgabe der größten Atomanlage Europas an die Ukraine oder eine Abgabe der Kontrolle an ein anderes Land sei unmöglich. Auch eine gemeinsame Nutzung komme nicht infrage.
Trump hat in den letzten Tagen mehrmals Interesse an der Atomindustrie in der Ukraine gezeigt. Er sagte auch, dass die USA aufgrund ihrer Erfahrung in der Lage wären, ein ukrainisches Kernkraftwerk gut zu betreiben. Selenskyj bestätigte lediglich, dass er Washington um Hilfe gebeten hat, um Saporischschja zurückzuerhalten.