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Merz‘ EU-Gipfelpremiere: Verhandlungen und Hoffnungen

Trotz schwieriger Themen und harter Verhandlungen fand Merz die Atmosphäre konstruktiv und kollegial. Er strebt eine Führungsrolle für Deutschland in der EU an.

Hat sich «ausgesprochen wohl gefühlt»: Bundeskanzler Friedrich Merz bei seinem ersten EU-Gipfel in Brüssel.
Foto: Ansgar Haase/dpa

Russland-Sanktionen, Gaza-Krieg, Zollstreit mit den USA: Ziemlich genau 16 Stunden lang hat Bundeskanzler Friedrich Merz bei seiner EU-Gipfelpremiere mit den Chefs der 26 anderen Mitgliedstaaten in fensterlosen Räumen verhandelt. Am Ende konnte er trotzdem sagen: «Ich habe mich hier ausgesprochen wohl gefühlt.» Es sei eine «fruchtbare, sehr konstruktive und auch sehr kollegiale Atmosphäre» gewesen, in der es ihm «zu keinem Zeitpunkt irgendwo heute langweilig geworden» sei. 

Für Merz bedeutete der Gipfel die Rückkehr an den Ort, an dem er seine politische Karriere von 1989 bis 1994 als Mitglied des Europäischen Parlaments begonnen hatte. Nun will er Deutschland wieder in eine echte Führungsrolle in der EU bringen. Er wolle seinen «persönlichen Beitrag dazu leisten, dass Europa erfolgreich in die nächsten Jahre geht», sagte er.

Bei seinem ersten Gipfel waren die Erfolge jedoch noch sehr begrenzt.

Keine Einigung bei Zusammenarbeit mit Israel

Keine Einigung konnten Merz und die anderen Staats- und Regierungschefs mit Blick auf die weitere Zusammenarbeit mit Israel erzielen. In der Abschlusserklärung zu dem Thema wurde lediglich ein interner Prüfbericht der EU zur Kenntnis genommen, demzufolge Israel mit seinem Vorgehen im Gazastreifen gegen festgelegte Grundsätze für eine enge Zusammenarbeit mit der EU verstößt. Man wolle die Beratungen «über geeignete Folgemaßnahmen im Juli 2025 unter Berücksichtigung der Entwicklung der Lage vor Ort» fortsetzen, heißt es in dem Papier.

Vor dem Hintergrund des Prüfbericht-Ergebnisses haben mehrere EU-Regierungen ein schärferes Vorgehen gegen Israel gefordert. Spanien beabsichtigt beispielsweise, das seit 2000 geltende Partnerschaftsabkommen zwischen der EU und Israel auszusetzen. Dies würde jedoch eine einstimmige Entscheidung erfordern. Ebenso werden wirtschaftliche Sanktionen oder eine Blockade des israelischen Zugangs zum EU-Forschungsförderungsprogramm Horizon diskutiert.

Bundeskanzler Merz lehnt jedoch entschieden die von Spanien und anderen Ländern geforderten Konsequenzen ab. «Ein Außerkraftsetzen oder gar eine Kündigung dieses Abkommens kommt mit der Bundesregierung nicht infrage», sagte er zuletzt.

Slowakei blockiert Pläne für neue Russland-Sanktionen

Beim Gipfel gab es auch eine Enttäuschung bezüglich der Russland-Sanktionen. Kanzler Merz und viele andere Staats- und Regierungschefs hatten gehofft, eine politische Grundsatzeinigung auf ein neues Paket erzielen zu können. Ministerpräsident Robert Fico kündigte jedoch an, ein Veto einzulegen, falls wie geplant am Freitag über die Strafmaßnahmen abgestimmt werden sollte.

Fico will durch sein Vorgehen sicherstellen, dass sein Land entschädigt wird, falls ein Plan der EU-Kommission, der auf einen vollständigen Importstopp von russischem Gas abzielt, wirtschaftliche Schäden in der Slowakei verursachen sollte. Diesen Plan kann Fico nicht verhindern, da er im Gegensatz zu dem Sanktionspaket auch gegen den Willen der Slowakei durch Mehrheitsentscheidung beschlossen werden kann.

Keine Fortschritte für die Ukraine

Aufgrund von Ungarn konnte der EU-Gipfel zum dritten Mal in Folge keine gemeinsamen Beschlüsse zur Unterstützung der Ukraine fassen. Für das von Russland angegriffene Land bedeutet dies vor allem, dass es weiterhin nicht auf schnelle Fortschritte im EU-Beitrittsprozess hoffen kann. Ein schwacher Trost für die Ukraine könnte sein, dass alle anderen Gipfelteilnehmer ihr Tempo bei beitrittsbezogenen Reformen würdigten und die bereits erzielten als erheblich bezeichneten.

Ungarn lehnt einen EU-Beitritt der Ukraine unter anderem deshalb ab, weil es befürchtet, dass die EU dadurch auch in einen Krieg mit Russland geraten könnte. Immerhin versicherte Ungarn aber, die im Juli anstehende Verlängerung der bereits bestehenden Wirtschaftssanktionen gegen Russland nicht zu blockieren.

Mercosur-Abkommen bald in trockenen Tüchern?

Für Merz dürfte neben einer guten Eingliederung in die gesamte Truppe der EU-Spitzen vor allem der Draht zum französischen Präsidenten Emmanuel Macron wichtig sein. Nachdem sein Vorgänger Olaf Scholz diesen nie fand, will Merz einen «Neustart» in den deutsch-französischen Beziehungen. 

Die beiden scheinen jedoch nicht immer ganz der gleichen Meinung zu sein. Während der deutsche Kanzler mit einem schnellen Abschluss des Handelsabkommens zwischen der EU und den südamerikanischen Mercosur-Staaten rechnet, erklärte der französische Präsident nach dem Gipfeltreffen deutlich, dass Frankreich es in seiner jetzigen Form nicht unterstützen könne.

Gibt es bald einen Deal im Zollstreit mit den USA?

Während des EU-Gipfels wurde in Brüssel ein neues US-Angebot im Zollstreit vorgelegt. Ist es akzeptabel? Die EU-Kommission, die für die Verhandlungen zuständig ist, wollte sich öffentlich nicht zum Inhalt und zur Bewertung des Textes äußern. Merz betonte jedoch nach den Beratungen, dass er den Sack am liebsten schnell zumachen würde.

«Lieber jetzt schnell und einfach, als langsam und hoch kompliziert», sagte er in einer Pressekonferenz. Die von US-Präsident Donald Trump eingeführten Zölle gefährdeten deutsche Unternehmen. Besonders für die Automobilindustrie, die chemische Industrie, die pharmazeutische Industrie, den Maschinenbau und die Stahl- und Aluminiumbranche brauche es eine Lösung.

Merz äußerte sich vor dem Hintergrund, dass US-Präsident Donald Trump ab dem 9. Juli noch mehr Zölle in Kraft treten lassen will, wenn die EU den USA in Handelsfragen nicht entgegenkommt. Der Republikaner begründet seinen Kurs vor allem damit, dass er angebliche Handelsungleichgewichte korrigieren will.

Euro für Bulgarien

Die Staats- und Regierungschefs waren sich einig, dass die Menschen in Bulgarien bald mit dem Euro bezahlen sollen. Sie unterstützten den Vorschlag der EU-Kommission, die die Einführung der Gemeinschaftswährung in dem Balkanland ab dem 1. Januar 2026 ermöglicht. Zuvor hatten dies bereits die EU-Finanzminister getan, die nun noch formell zustimmen müssen. Bulgarien ist seit 2007 Mitglied der Europäischen Union und wäre das 21. Land mit der Gemeinschaftswährung. Es gehört zu den ärmeren EU-Ländern.

dpa