Ein Meilenstein für die Zukunft: Die Schweiz und die EU einigen sich auf engere Zusammenarbeit, trotz Widerstand der SVP.
Schweiz und EU: Neue Kooperation und alte Konflikte
Die Grundsatzeinigung auf eine engere Kooperation zwischen der Europäischen Union und der Schweiz gilt als Meilenstein in den teils dornigen Beziehungen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach von einem «Kraftpaket für die Zukunft». Die Schweiz ist auf allen Seiten umgeben von EU-Staaten, möchte aber nicht beitreten. Was man zum EU-Schweiz-Verhältnis wissen muss:
Warum ist die Schweiz nicht EU-Mitglied?
Die wählerstärkste Partei, die rechte SVP, kämpft gegen jede Annäherung. Sie spricht bei dem neuen Verhandlungspaket von einem «Unterwerfungsvertrag». Sie macht Stimmung gegen Ausländer und fürchtet um den Wohlstand des Landes. Die SVP war auch treibende Kraft hinter dem Volksvotum 1992 gegen einen Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), der mit 50,3 Prozent abgelehnt wurde. Die SVP bekam bei der Wahl 2023 knapp 28 Prozent der Stimmen.
Was will sie dann von der EU?
«Für die Schweiz ist ein maßgeschneiderter Zugang zum EU-Binnenmarkt wichtig», so das Außenministerium. Und Michael Grabher, Geschäftsführer des Pharmaunternehmens Swiss Can, sagt: «Wohlstand können wir nur durch das Ausland erreichen, weil wir sonst einfach zu klein sind.» Die Schweiz hat schon weitgehend Zugang zum Binnenmarkt, das neue Verhandlungspaket soll die älteren Abkommen aber modernisieren.
Die Schweiz zahlt der EU dafür aber keine Beiträge?
Nein, aber sie hat natürlich auch keine Mitbestimmungsmöglichkeit. Bisher hat sie jährlich etwa 140 Millionen Euro zur Förderung strukturschwacher Regionen in den östlichen EU-Mitgliedsländern bereitgestellt, wie betont wird. Diese Summe soll nun auf verbindliche 375 Millionen Euro pro Jahr erhöht werden.
Die Personenfreizügigkeit gilt aber doch schon wie unter EU-Ländern?
Ja, als Gegenleistung für den Zugang zum Binnenmarkt dürfen EU-Bürgerinnen und Bürger unter bestimmten Bedingungen in der Schweiz arbeiten und umgekehrt. Neu verpflichtet sich die Schweiz, mit wenigen Ausnahmen, auch zukünftiges EU-Recht zu übernehmen. Eine bestehende Ausnahmeregel wird konkretisiert: Die Freizügigkeit kann bei schwerwiegenden wirtschaftlichen Problemen im gegenseitigen Einvernehmen eingeschränkt werden. Im Falle von Unklarheiten steht ein Schiedsgericht zur Verfügung.
Die Schweiz ist ebenfalls Teil des EU-Schengenraums ohne systematische Grenzkontrollen. Diese und viele andere Kooperationen sind in fünf Binnenmarkt- und rund 20 weiteren bilateralen Verträgen verankert.
Gibt es mit dem neuen Verhandlungspaket weitere Kooperationen?
Ja, europäische Studenten können zukünftig zu den gleichen Bedingungen an Schweizer Universitäten studieren wie Einheimische. Die Schweiz wird in den europäischen Strommarkt integriert, es gibt neue Kooperationen im Gesundheitsschutz und der Weltraumforschung. Obwohl das Paket noch nicht in Kraft ist, können Schweizer Forscher ab dem 1. Januar 2025 wieder an EU-Programmen teilnehmen.
Des Weiteren werden die teilweise 25 Jahre alten Abkommen aktualisiert, beispielsweise durch die dynamische Rechtsübernahme: Das bedeutet, dass EU-Änderungen zukünftig sofort auch in der Schweiz umgesetzt werden.
Was haben die EU und Deutschland von der Kooperation mit der Schweiz?
Die EU will sicherstellen, dass EU-Bürger weiterhin Zugang zum lukrativen Schweizer Arbeitsmarkt haben. Die Löhne in der Schweiz sind wesentlich höher als in Deutschland. Ein Vergleichsdienst für Grenzgänger gibt das durchschnittliche Haushaltseinkommen in der Schweiz mit über 10.000 Euro im Monat an, während es in Deutschland nur die Hälfte beträgt. Jedoch sind die Lebenshaltungskosten in der Schweiz ebenfalls deutlich höher und es gibt beispielsweise keine Arbeitgeberbeiträge zur Krankenkasse. Etwa 60.000 Pendler aus Baden-Württemberg arbeiten in der Schweiz.
Die Schweiz ist nach den USA, China und Großbritannien der viertgrößte Handelspartner der EU. Unternehmen in der Pharma-, Tech- und vielen Zulieferbranchen sind bereits grenzüberschreitend verflochten – je enger die Bindung, desto weniger Bürokratie.
Was hat die Schweiz von der Kooperation mit der EU?
Neben dem Zugang zum Binnenmarkt kann sie beispielsweise am CO2-Emissionshandel der EU teilnehmen, Asylbewerber unter Umständen in EU-Länder zurückschicken und von Polizeizusammenarbeit profitieren. Außerdem möchte sie an Forschungsprogrammen und dem europäischen Strommarkt teilnehmen. Der Handel mit der EU macht 59,2 Prozent ihres gesamten Warenhandelsvolumens aus, wobei Deutschland allein mit 19,8 Prozent den größten Anteil hat, noch vor den USA und China.
Steht die EU-Schweiz-Kooperation dann ab 2025 auf neuen Füßen?
Falsch gedacht. Jetzt wird erst einmal das Kleingedruckte geprüft. Im Frühjahr könnte ein unterzeichnungsbereiter Vertrag vorliegen, dann wäre das Parlament in Bern an der Reihe. Die SVP wird alles tun, um die Angelegenheit so lange wie möglich hinauszuzögern. Danach strebt sie eine Volksabstimmung an. Ob dies vor den Wahlen 2027 geschieht, ist unklar. Erst nach einer Annahme durch das Volk könnte das Abkommen in Kraft treten. Auf EU-Seite muss der Ministerrat zustimmen.