Innenpolitiker befürchten Sicherheitsrisiken bei Zugriff auf sensible Daten und Zusammenarbeit mit Russland.
Herbstkonferenz der Innenminister: Sorgen um AfD-Regierungsbeteiligung

Drohnenabwehr, Abschiebungen und Gewalt bei Fußballspielen stehen auf der Tagesordnung der Herbstkonferenz der Innenminister von Bund und Ländern (IMK). Doch ein Thema fehlt, das einige Teilnehmer des dreitägigen Treffens, das an diesem Mittwoch in Bremen beginnt, noch mehr bewegt: Was würde eine etwaige Regierungsbeteiligung der AfD nach den im kommenden Jahr anstehenden Landtagswahlen für die Sicherheitsbehörden und ihre Zusammenarbeit auf Bundesebene bedeuten?
Innenpolitiker anderer Parteien sind besorgt, wenn sie danach gefragt werden, was passieren würde, wenn von AfD-Politikern ernannte leitende Beamte Zugriff auf bestimmte Datenbanken des Verfassungsschutzes und der Staatsschutz-Abteilungen der Polizei hätten – und was das in Bezug auf die Russland-Verbindungen einiger Parteimitglieder bedeuten könnte. Nur wenige dieser Innenpolitiker möchten öffentlich sprechen.
Linken-Politikerin: «Antworten für den Ernstfall» vorbereiten
Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Clara Bünger, sagt: «Ich habe ein massives Störgefühl, wie wenig Bund und Länder sich bislang auf den Fall vorbereiten, dass ein Bundesland von der AfD regiert wird.» Die Innenministerkonferenz solle sich bald damit befassen, welche sensiblen Informationen mit einem von der AfD geführten Bundesland überhaupt noch geteilt werden könnten.
Es gehe nun darum, eine Task Force einzusetzen, «die Szenarien durchspielt und Antworten für den Ernstfall vorbereitet». Darüber dürfe nicht erst gesprochen werden, wenn die AfD bereits Zugriff auf Polizei, Verfassungsschutz und sensible Daten habe, sagt Bünger.
Ex-Innenminister: «Unser Föderalismus ist nicht krisenfest»
Der ehemalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) fragt bei der Herbsttagung des Bundeskriminalamts (BKA) im November auf dem Podium: «Was passiert, wenn ein AfD-Mensch Innenminister wird, meinetwegen in einer Koalition AfD-BSW in Sachsen-Anhalt oder in Mecklenburg-Vorpommern?» Das sei schließlich «keine ganz unwahrscheinliche Variante». Und er fragt: «Was macht dann die Polizei?»
Zwar sei nicht jeder Landespolizeipräsident ein politischer Beamter, der ohne weiteres entlassen werden könne, sagt der Ex-Minister. Gegen eine Entlassung könne auch geklagt werden. Doch insgesamt gelte bei dem Thema: «Unser Föderalismus ist nicht krisenfest.»
Denn die Verabredungen, die von den Innenministerinnen und -ministern von Bund und Ländern getroffen würden, hätten keine rechtliche Wirkung – «und wenn jetzt da ein AfD-Innenminister kommt, ist das Ei kaputt». Deshalb sei es wichtig, sich frühzeitig Gedanken zu machen, einen Plan B in der Hinterhand zu haben – für den Fall der Fälle.
«Irgendetwas müssen wir machen, denn unser ganzes Zusammenwirken beruht auf gutem Willen», sagt de Maizière, der einst treu an der Seite von Ex-Kanzlerin Angela Merkel (CDU) stand, die für die 2013 gegründete AfD in den ersten Jahren eine Reizfigur war. Er warnt: Sei der gute Wille unter Demokraten eines Tages nicht mehr da, würde es schwierig. Deshalb müsse man rasch «ein paar institutionelle Sicherungen» einbauen.
Wer hat Zugriff auf welche Daten?
Auch BKA-Präsident Holger Münch drängt zur Eile. Er fragt mit Blick auf die Landtagswahlen im kommenden Jahr: «Haben wir eigentlich genug vorgedacht, was passieren kann und nicht erst in ferner Zukunft – und sind wir darauf vorbereitet?» Auch im BKA werde man darüber noch einmal nachdenken müssen. «Was heißt das eigentlich auch für das Thema: Wer hat eigentlich Zugriff auf welche Daten?»
Das Thema müsse im Arbeitskreis II der Innenministerkonferenz, der unter anderem für Gefahrenabwehr, Bekämpfung des Terrorismus und Angelegenheit der Polizei zuständig ist, «in sehr kurzer Zeit» besprochen werden.
Österreich: Nachrichtendienste schränkten Zusammenarbeit ein
In der Bundesrepublik gibt es bisher keine Erfahrungen mit einem solchen Fall. Die Überlegungen erinnern jedoch an die Zeit zwischen 2017 und 2019 in Österreich, als Herbert Kickl von der rechten FPÖ Innenminister war. In dieser Zeit fand eine kontroverse Razzia beim österreichischen Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung statt, die von Kickl ins Leben gerufen wurde.
Die Durchsuchung hatte schwerwiegende Folgen: Bevriendete ausländische Geheimdienste, darunter auch der deutsche Verfassungsschutz, reduzierten daraufhin ihre Zusammenarbeit mit Österreich. Ein weiterer Grund war der Freundschaftsvertrag, den die FPÖ 2016 mit der Putin-Partei Geeintes Russland geschlossen hatte und dessen Bedeutung sie inzwischen relativiert. Die Hausdurchsuchung sollte angeblich Missstände in der Behörde aufdecken, beschädigte aber das Vertrauen ausländischer Partnerdienste.
Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die AfD im Mai als gesichert rechtsextremistisch eingestuft, woraufhin die Partei vor dem Kölner Verwaltungsgericht geklagt hat. Bis zu einer ausstehenden Gerichtsentscheidung wurde die Höherstufung vom Verfassungsschutz daher vorläufig ausgesetzt. Die Partei war vor Gericht mit einer Klage gegen die Einstufung als Verdachtsfall gescheitert, die bereits eine Beobachtung mit nachrichtendienstlichen Mitteln wie Observation ermöglicht.
Die Innenministerinnen und -minister haben bei ihrer letzten Konferenz im Frühsommer beschlossen, eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur weiteren Behandlung der AfD einzusetzen, die mittlerweile gebildet wurde, aufgrund der neuen Bewertung des Verfassungsschutzes.
Innenminister setzten im Frühjahr Arbeitsgruppe ein
Die Arbeitsgruppe untersucht, welche rechtlichen Konsequenzen eine Bestätigung der neuen Einstufung durch das Gericht für AfD-Mitglieder im öffentlichen Dienst hätte. Ein möglicher Verbotsantrag ist nicht Teil ihres Auftrags. Die Diskussionen der Mitglieder sollen gemäß der Tagesordnung in Bremen präsentiert werden.
Möglich ist es, dass die Bundesregierung, der Bundestag oder der Bundesrat theoretisch einen Antrag auf Verbot einer extremistischen Partei stellen können. Letztendlich muss das Bundesverfassungsgericht darüber entscheiden.








