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Angriffe auf ukrainische Atomkraftwerke: Sorge um Sicherheit wächst

Stromausfall in Tschernobyl nach russischem Luftangriff. AKW Saporischschja seit einer Woche ohne externe Stromversorgung.

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Der Sarkophag von Tschernobyl wurde im schon Februar durch eine Drohne beschädigt. (Archivbild)
Foto: Uncredited/Ukrainian Emergency Service/dpa

Die Besorgnis um die Sicherheit der Atomanlagen in der Ukraine wächst erneut, nachdem Russland angegriffen hat. Laut Regierungsangaben aus Kiew ist die Schutzhülle um den zerstörten Reaktorblock des Kernkraftwerks Tschernobyl vorübergehend aufgrund eines russischen Luftangriffs ohne Strom gewesen.

Im Süden des Landes ist das AKW Saporischschja, das von russischen Truppen besetzt ist, seit vergangener Woche vollständig vom Netz getrennt. Europa’s größte Nuklearanlage wird derzeit ausschließlich mit Dieselgeneratoren gekühlt. Laut Angaben der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA reicht der Treibstoff dieser Generatoren noch etwa zehn Tage lang.

Ukraine abhängig von Atomkraft 

Die Ukraine ist so stark von Kernkraft abhängig wie kaum ein anderes Land in Europa. Derzeit liefern neun Reaktorblöcke in den Kraftwerken Riwne, Chmelnyzkyj und Süd-Ukraine Strom. Das russisch besetzte AKW Saporischschja mit sechs Reaktoren ist außer Betrieb. Tschernobyl, wo sich 1986 der schwerste Unfall in der Geschichte der Atomkraft ereignete, ist endgültig stillgelegt.

IAEA-Beobachter haben wiederholt Drohnen in der Nähe von ukrainischen Kernkraftwerken gesichtet, die zu großen Spannungsschwankungen und zur Abschaltung der Anlagen führten. Zuletzt wurde eine Drohne in der Nähe des Kernkraftwerks Süd-Ukraine im Gebiet Mykolajiw gesichtet.

Treffer auf Umspannwerke im Norden

Laut dem Energieministerium wurde der Blackout am sogenannten Sarkophag von Tschernobyl durch einen Treffer auf ein Umspannwerk in der Stadt Slawutytsch im Norden verursacht. Die Kleinstadt liegt etwa 50 Kilometer vom AKW entfernt; dort lebten früher die Bedienungsmannschaften. Präsident Wolodymyr Selenskyj schrieb auf Telegram, Russland müsse gewusst haben, dass dieser Angriff solche Auswirkungen habe.

Der Sarkophag über dem explodierten vierten Block, der 100 Meter hoch ist, wurde vorübergehend mit Dieselgeneratoren versorgt. Ministerin Switlana Hryntschuk teilte mit, dass die Versorgung spät abends wiederhergestellt wurde. Die gemessene Strahlung entspricht der Norm. Im Februar 2025 wurde die doppelwandige Konstruktion von einer russischen Drohne beschädigt.

Die Angriffe aus Russland trafen auch andere Bereiche von Tschernihiw im Norden, was zur Einführung von stundenweisen Stromsperren führte.

Letzte Leitung nach Saporischschja gekappt

Am besetzten AKW Saporischschja ist seit dem 23. September die letzte Hochspannungsleitung außer Betrieb. «Europas größtes Atomkraftwerk hat jetzt seit mehr als einer Woche keinen Strom von außen, was mit Abstand der längste Fall in mehr als dreieinhalb Jahren Krieg ist», erklärte IAEA-Generaldirektor Rafael Grossi in Wien. Er sei mit Russland wie der Ukraine in Kontakt, um die Stromversorgung wiederherzustellen.

Solange die Generatoren die abgeschalteten Reaktoren versorgten, bestehe keine unmittelbare Gefahr, sagte Grossi. «Aber es ist eindeutig kein Dauerzustand mit Blick auf die nukleare Sicherheit.» Der Diesel reiche nach Angaben der von Moskau eingesetzten Werksleitung noch für etwa zehn Tage. 

Greenpeace vermutet russische Sabotage

Die Hochspannungsleitung verband das AKW mit dem von Kiew kontrollierten Teil des ukrainischen Stromnetzes. Laut Greenpeace in Kiew sei sie nicht durch Beschuss unterbrochen worden. Die Umweltorganisation berief sich auf die Analyse von Satellitenfotos durch Sicherheitsexperten. Greenpeace beschuldigte die Moskauer Seite, die Leitung sabotiert zu haben, um Saporischschja an das russische Netz anzuschließen und die Reaktoren wieder hochzufahren.

dpa