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Spannung vor Richterwahl: Was im Bundestag passieren könnte

Die Besetzung von Stellen an Bundesgerichten geht üblicherweise ohne Komplikationen über die Bühne. Doch diesmal gibt es Konfliktpotenzial.

Spannung im Bundestag am letzten Tag vor der Sommerpause. (Archivbild)
Foto: Monika Skolimowska/dpa

Nach langen Diskussionen soll es am Freitag endlich soweit sein: Der Bundestag wird über die Besetzung von drei Richterposten am Bundesverfassungsgericht entscheiden. Was normalerweise eine Routineentscheidung sein sollte, führte dieses Mal zu einer doppelten Kontroverse.

Möglicherweise wird der Kandidat der CDU/CSU für seine Wahl auf Stimmen der AfD angewiesen sein. Einige Unionsabgeordnete halten eine der beiden SPD-Kandidatinnen für nicht wählbar – sollte sie scheitern, wäre ein Koalitionskrach absehbar.

Wie die Wahlen ablaufen

Die Wahlen sind geheim. Die Abgeordneten betreten einzeln die Wahlkabinen und werfen ihre Stimmkarten in die Urnen. Währenddessen beginnt die nächste Debatte. Das Ergebnis wird im Verlauf der weiteren Tagesordnungspunkte verkündet, wofür diese kurz unterbrochen werden. Mitgeteilt werden Ja-Stimmen, Nein-Stimmen und Enthaltungen. Welche Fraktion wie abgestimmt hat, lässt sich also nur aus öffentlichen Äußerungen am Rande ableiten.

Um kurz nach 10 Uhr wird zunächst über den Kandidaten der Union, Günter Spinner, abgestimmt. Die Abstimmungen über die beiden SPD-Kandidatinnen Ann-Katrin Kaufhold und Frauke Brosius-Gersdorf sind für mittags geplant. Es wird getrennt über sie abgestimmt.

Gegen Brosius-Gersdorf gibt es in der Union Vorbehalte, unter anderem, weil sie sich in der Corona-Pandemie für eine Impfpflicht aussprach und einem Teil der Unionsabgeordneten in Abtreibungsfragen zu liberal ist. Auch die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Irme Stetter-Karp, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): «Ich würde sie aufgrund dieser Position nicht wählen können.»

Es wird eine Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen benötigt. Wenn alle 630 Abgeordneten anwesend wären, würde dies 420 Stimmen entsprechen. Einige Parlamentarier sind jedoch immer verhindert. Um gewählt zu werden, benötigt ein Kandidat auch die Mehrheit der Stimmen der Bundestagsmitglieder, also mindestens 316.

Warum die AfD eine wichtige Rolle spielt

Wenn alle Fraktionen gemäß ihrer relativen Stärke vertreten sind, reichen die Stimmen der drei Regierungsparteien CDU, CSU und SPD sowie der Grünen nicht aus für eine Zweidrittelmehrheit. Es bräuchte dann noch Stimmen der AfD oder der Linken. Die CDU/CSU-Fraktion lehnt eine Zusammenarbeit sowohl mit der Linken als auch der AfD ab.

Die Empfehlung der AfD-Fraktionsspitze an ihre Mitglieder lautet, für den Unionskandidaten Spinner zu stimmen. Alice Weidel, die Fraktionschefin der AfD, lehnt hingegen die beiden SPD-Kandidatinnen ab.

Welche Mehrheiten möglich wären

Der Kandidat der Union, Spinner, kann auf die Unterstützung der Union, SPD und Grünen hoffen. Wenn alle drei Fraktionen für ihn stimmen, würden nur noch hauchdünne 7 Stimmen zur Zweidrittelmehrheit fehlen, vorausgesetzt, alle Abgeordneten sind anwesend. Wenn diese Fraktionen überproportional vertreten sind, könnte es ausreichen. Andernfalls stellt sich die Frage, ob ein Teil der Linken-Fraktion Spinner unterstützt. Andernfalls könnten am Ende die Stimmen der AfD entscheidend sein. Die anderen Parteien im Bundestag wollen solche Abhängigkeiten jedoch eigentlich vermeiden.

Wenn alle Fraktionen entsprechend ihrer relativen Stärke vertreten sind und SPD, Grüne und die Linke geschlossen für die beiden SPD-Kandidatinnen stimmen und die AfD dagegen – dann sind immer noch die Stimmen von knapp drei Vierteln der Unionsfraktion erforderlich, um die notwendige Zweidrittelmehrheit zu erreichen.

Was die Linke will

Die Linke möchte in die Gespräche einbezogen werden und hat von der Union verlangt, noch vor der Wahl zu sprechen. Langfristig möchte die Fraktion auch Vorschläge für die zukünftige Besetzung von Richterstellen machen können.

Gemäß der bisherigen Vereinbarung im Bundestag haben Union, SPD und Grüne die Möglichkeit, Richterkandidaten vorzuschlagen. Diese müssen zuerst vom Wahlausschuss bestätigt werden.

Was passiert, wenn die nötige Mehrheit fehlt

Falls die erforderliche Zweidrittelmehrheit für einen oder mehrere Kandidaten nicht erreicht wird, hat der Bundesrat das Recht, eine Entscheidung zu treffen. Der Bundesrat kann ohnehin über die Hälfte der Richter in jedem Senat des Bundesverfassungsgerichts bestimmen, es würden dann in diesem Fall noch weitere hinzukommen. Dies würde jedoch erst am Ende eines längeren Verfahrens mit mehreren Stufen geschehen.

Für die schwarz-rote Koalition wäre das blamabel, wenn sie so wichtige Entscheidungen aus der Hand geben muss. Kanzler Friedrich Merz (CDU) sagte dazu: «Ich hoffe, dass sich der Deutsche Bundestag als entscheidungsfähig erweist.» Auch Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) äußerte im «Playbook Podcast» von «Politico» die Erwartung, dass die Wahl «ohne Beanstandung» über die Bühne geht. Sie mahnte zugleich, die Entscheidung nicht dem Bundesrat zu überlassen

Was die Entscheidung für das Bundesverfassungsgericht bedeutet

Das Bundesverfassungsgericht ist das oberste Gericht in Deutschland und kann durch seine Urteile teilweise einen weitreichenden Einfluss auf die Richtung des Landes haben. Dies geschah beispielsweise im Jahr 2021, als die Richter die Politik dazu verpflichteten, mehr Anstrengungen im Bereich Klimaschutz zu unternehmen, um die Freiheitsrechte zukünftiger Generationen zu schützen. Infolgedessen wurde das Klimaschutzgesetz verschärft.

Das Bundesverfassungsgericht besteht aus 16 Richterinnen und Richtern. Ein Senat besteht jeweils aus acht Richterinnen und Richtern. Die Amtszeit beträgt zwölf Jahre, das Mindestalter beträgt 40 Jahre und das Höchstalter 68 Jahre.

dpa