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Spannungen im Libanon nach Fristablauf – mindestens 22 Tote

Die Waffenruhe zwischen Israel und der Hisbollah brachte eine lang erhoffte Pause im Krieg. Aber nach Ablauf der 60-Tages-Frist zeigt sich: Längerfristig entschärft ist der Konflikt noch nicht.

Israels Armee dürfte absehbar im südlichen Libanon stationiert bleiben. (Archivfoto)
Foto: Hussein Malla/AP/dpa

Nach Ablauf einer wichtigen Frist zum Rückzug israelischer Truppen kam es erneut zu tödlichen Zwischenfällen im Südlibanon. Laut dem libanesischen Gesundheitsministerium wurden mindestens 22 Menschen durch israelischen Beschuss getötet, darunter ein Soldat. Weitere 124 Personen wurden verletzt, darunter neun Minderjährige und ein Sanitäter. Anwohner versuchten trotz der weiterhin stationierten israelischen Truppen in ihre Wohnorte im Süden zurückzukehren.

Die UN-Friedensmission im Libanon (Unifil) warnte, weitere Gewalt werde die fragile Sicherheitslage untergraben. Das israelische Militär «muss es vermeiden, auf libanesischem Gebiet auf Zivilisten zu feuern», mahnte Unifil. 

Israel und die Hisbollah-Miliz im Libanon hatten Ende November nach über einem Jahr des Beschusses einer Waffenruhe zugestimmt. Ursprünglich war geplant, dass die israelischen Truppen den Libanon innerhalb von 60 Tagen verlassen. Laut aktuellen israelischen Angaben wird sich dieser Zeitplan jedoch verzögern. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu erklärte, dass der Libanon seinen Teil der Vereinbarung noch nicht vollständig umgesetzt habe. Die libanesische Armee, die die Einhaltung der Waffenruhe überwachen und die Rückkehr der Hisbollah in das Gebiet verhindern soll, sei nicht schnell genug vor Ort.

Keine Angabe zu möglichen Opfern von Israels Armee

Das israelische Militär gab auf Anfrage bekannt, dass Verdächtige sich den Truppen genähert hätten und die israelischen Soldaten deshalb Warnschüsse abgegeben hätten, um Bedrohungen abzuwehren. Mehrere Personen seien festgenommen worden und würden vor Ort verhört. Angaben zu möglichen Opfern wurden zunächst nicht gemacht.

Anwohner in Orten im Süden nahe der israelischen Grenze hatten sich seit dem frühen Sonntagmorgen versammelt, wie die Staatsagentur NNA berichtete. Fotos und Videos zeigten Anwohner mit gelben Fahnen der Hisbollah und Auto-Korsos mit Porträts des getöteten Hisbollah-Chefs Hassan Nasrallah.

«Wir sind entschlossen, unsere Dörfer zu betreten – zu welchem Preis auch immer», sagte eine Frau namens Fatima der Deutschen Presse-Agentur. Ein Mann namens Mohammed sagte, er wolle mit seiner Familie sein Haus betreten. «Wir haben das Recht», sagte er. Ein Mann namens Ali sagte, die Frist von 60 Tagen für den vereinbarten Abzug der israelischen Truppen aus dem Libanon sei abgelaufen. «Sie hätten abziehen sollen. Sie sind Besatzer, und dies ist unser Land.»

Ein Video zeigte, wie eine Gruppe von Einwohnern vor einem israelischen Panzer stand, während andere sich vor Blockaden der israelischen Armee auf Landstraßen versammelten. Es wurden auch Aufnahmen von Frauen gezeigt, die sich den Panzern in den Weg stellten und anschließend mit israelischen Soldaten sprachen.

UN: Zustände erlaubten noch keine Rückkehr in den Süden

Die Zustände im Land erlaubten noch keine Rückkehr der Bewohner im Süden, erklärte UN-Sonderkoordinatorin Jeanine Hennis-Plasschaert. Die Gewalt im Land sei zwar deutlich zurückgegangen, es gebe aber immer wieder Verstöße gegen die UN-Resolution 1701. Deren Umsetzung sei der einzige Weg, um «das jüngste dunkle Kapitel des Konflikts zu beenden und ein neues zu öffnen», teilte Hennis-Plasschaert mit. UN-Resolution 1701 sieht unter anderem vor, dass sich die Hisbollah hinter den Litani-Fluss etwa 30 Kilometer nördlich der israelisch-libanesischen Grenze zurückzieht. Die libanesische Armee soll die Einhaltung der Vereinbarung überwachen. 

Die israelische Armee bemühte sich laut Augenzeugen, Anwohner so gut wie möglich aus Orten fernzuhalten, in denen die Truppen weiterhin stationiert sind. Man werde über Orte für eine sichere Rückkehr im Süden informieren, teilte die Armee mit. «Bis dahin bitten wir Sie abzuwarten.» Bisherige Anordnungen über nicht zugängliche Gebiete blieben wirksam.

Libanons Präsident Joseph Aoun erklärte: «Ich teile die Freude der Menschen im Süden über den Triumph der Gerechtigkeit und rufe sie zur Zurückhaltung auf und zum Vertrauen in die (libanesischen) Streitkräfte.»

Die libanesische Armee erklärte, dass sie bisher ihre Truppen im Süden nicht wie vereinbart stationieren könne. Sie würde die Anwohner bei der Rückkehr begleiten. Die Armee beschuldigte das israelische Militär eines Verstoßes gegen die Souveränität des Libanons und auch eines Bruchs der Waffenruhe.

dpa