SPD und BSW wollen in Brandenburg gemeinsam regieren und betreten damit Neuland in Deutschland. Der Koalitionsvertrag ist fertig – es gab bei den Verhandlungen aber auch Störmanöver.
SPD und BSW sind sich einig: Koalitionsvertrag steht
Die SPD und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) haben sich in Brandenburg auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Damit ist der Weg für das erste Regierungsbündnis dieser Art in Deutschland frei. SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke sagte bei der Vorstellung des fast 70-seitigen Koalitionsvertrags in Potsdam: «Brandenburg braucht Stabilität und Brandenburg braucht Sicherheit».
SPD und BSW streben fünf Jahre gemeinsames Regieren an. «Es wird nicht immer einfach sein», sagte BSW-Landes- und Fraktionschef Robert Crumbach. Beide Seiten sprachen von schwierigen, aber fairen Koalitionsverhandlungen. Sie fanden auch in umstrittenen friedenspolitischen Forderungen von BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht einen Kompromiss. Die zeigte sich zufrieden mit dem Koalitionsvertrag. Das BSW habe Wichtiges erreicht. Kurz vor Abschluss stockten die Gespräche allerdings, weil die Geschlossenheit infrage stand.
Woidke sieht Wirtschaft, Bildung und Integration im Fokus
Ministerpräsident Woidke nannte als zentrale Neuerungen der geplanten Koalition die Stabilisierung der schwächelnden Wirtschaft, eine bessere Bildungsqualität an Schulen und die Integration von Flüchtlingen durch eine rasche Arbeitsaufnahme. Die Besetzung der Ministerposten steht noch aus. Die SPD wird sechs Ministerien plus Staatskanzlei erhalten. Drei Ressorts werden vom BSW übernommen: Finanzen, Infrastruktur und Gesundheit. Crumbach äußerte Enttäuschung darüber, dass die SPD das Bildungsressort behält.
Die beabsichtigte Koalition plant, die Krankenhausstandorte zu erhalten, die Kindergartenjahre gebührenfrei zu lassen, die Anzahl der Polizisten zu erhöhen und illegale Migration einzudämmen. Personen ohne Aufenthaltsrecht müssen Deutschland verlassen. Handys im Unterricht sollen für Grundschüler verboten sein: Sie müssen in Taschen oder Schließfächern aufbewahrt werden. Polizisten sollen flächendeckend Bodycams und Elektroschockgeräte (Taser) erhalten.
BSW sieht Mehrheit für Regierungschef
Das Ziel sei es, Brandenburg voranzubringen, sagte der Regierungschef. «Wir wissen, dass es viele Vorbehalte gibt in der Öffentlichkeit.» Er sei aber fest überzeugt, dass das Bündnis «gelingen kann». Die Landesvorstände und Parteitage von SPD und BSW müssen noch über den Koalitionsvertrag entscheiden. Die Wahl von Woidke als Regierungschef ist für den 11. Dezember geplant.
Der BSW-Fraktionschef zeigte sich überzeugt, dass seine Fraktion im Landtag geschlossen für Woidke als Ministerpräsidenten stimmen wird. Woidke sagte auf die Frage, ob er sich aller Stimmen der Regierungsfraktionen im ersten Wahlgang sicher sei: «Das wird sich zeigen.(…) Natürlich hoffe ich, dass wir zu einer Regierungsbildung kommen.»
Das Bündnis aus SPD und BSW hat im Landtag eine Mehrheit von zwei Stimmen, ohne Hornauf würde sie auf nur noch eine Stimme schrumpfen. «Manchmal disziplinieren enge Mehrheiten auch mehr als große Mehrheiten», meinte Crumbach. Die Mehrheit drohte in den vergangenen Tagen zu bröckeln.
Ärger um BSW-Abgeordneten
Seit einigen Tagen herrscht Unruhe in der BSW-Landtagsfraktion. Aufgrund von Streitigkeiten um den Abgeordneten Sven Hornauf fordert BSW-Fraktionschef Crumbach ihn auf, sein Landtagsmandat niederzulegen. Hornauf hatte gedroht, aufgrund von Kritik an der Stationierung des Raketenabwehrsystems Arrow 3 am Fliegerhorst Holzdorf nicht für den SPD-Regierungschef Woidke im Landtag zu stimmen.
Crumbach sagte: «Ich finde, wir haben auch eine Situation, in der er darüber nachdenken sollte, sein Mandat zurückzugeben. Wenn er das nicht tut, wird die Fraktion die weiteren Schritte beraten.» Bislang sei es nicht gelungen, mit Hornauf ein Gespräch zu führen – er ist im Urlaub. Woidke betonte, beide Parteien stünden zum Bundeswehrstandort Holzdorf und zu den Soldaten.
Umgang mit der AfD
Für den Umgang mit Anträgen von AfD und CDU im Brandenburger Landtag haben SPD und BSW eine Regelung vereinbart: grundsätzlich ablehnen. Davon sind Ausnahmen möglich – aber nicht immer, meint Woidke. «Bei Anträgen der AfD kann ich sie ausschließen.»
Der BSW-Fraktionschef sagte jedoch: «Wenn eine Oppositionspartei allerdings konstruktiv an der Gestaltung Brandenburgs zum Besseren mitwirken will und das tut und sich dort einbringt, dann bin ich mir sicher, werden wir als Koalition uns dem nicht verstellen», sagte Crumbach. Der Verfassungsschutz stuft die AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall ein.
Kritik der Opposition
AfD-Fraktionschef Hans-Christoph Berndt meinte: «Diese Koalition wird eine Koalition des “Weiter so” sein in allen wesentlichen Fragen.» CDU-Fraktionschef Jan Redmann kritisierte, von einer Koalition aus SPD und BSW gehe kein Aufbruchssignal aus. Dagegen sagte Crumbach: «Die Handschrift des BSW ist deutlich erkennbar.»