Ein harmonisches Miteinander sieht anders aus: Wochenlang hat die Ampel über zahlreiche Themen gestritten. Das Gezerre bleibt aber nicht ohne Folgen für das Ansehen der Regierung.
Ampel verliert weiter an Zustimmung
Der wochenlange Streit in der Ampel lässt die Zustimmungswerte zur Politik der Koalition weiter sinken. Nach einer Insa-Umfrage im Auftrag der «Bild am Sonntag» sind 70 Prozent der Menschen in Deutschland mit der Arbeit der Bundesregierung unzufrieden. Nur 23 Prozent der Befragten zeigten sich zufrieden. Grünen-Chef Omid Nouripour sagte der Zeitung selbstkritisch: «Die letzten Wochen waren sicher kein Glanzstück.» Die Ampel habe viel hinbekommen, aber «manches war zuweilen etwas anstrengend und aufreibend für alle, da ist sicherlich Luft nach oben».
Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz attackierte die Koalition scharf. «Ich habe in meinen fast 20 Jahren im Parlament viel handwerklich schludrige Arbeit erlebt. Aber mit dem, was Sie hier machen, beschädigen Sie nicht nur Ihr Ansehen. Sie beschädigen unsere Demokratie», sagte er in einem Doppelinterview mit der zweiten Grünen-Vorsitzenden Ricarda Lang in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung». Die Koalition habe «ein unausgereiftes Gesetz durchs Parlament peitschen» wollen. Lang räumte ein, dass das Verfahren
«kein Glanzstück» gewesen sei. «Wir haben als Ampel offensichtlich zu wenig Verlässlichkeit ausgestrahlt. Die Frage des sozialen
Ausgleichs hätte ganz vorne stehen müssen.»
Gute Vorsätze
FDP-Fraktionschef Christian Dürr sah die heftigen Debatten zwischen den Ampel-Parteien gelassener. «Wir müssen vielleicht in Deutschland wieder ein Stück weit lernen, dass Parlamentarismus auch mit Auseinandersetzung zu tun hat», sagte er im Interview der Woche des Deutschlandfunks. Aus dem Streit sei eine Lehre zu ziehen: «Um es auf den Punkt zu bringen, wir sollten von Anfang an bessere Gesetze machen, bevor wir sie in den Bundestag einbringen.»
Die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion, Katja Mast, rief zu Mäßigung und Rückkehr zur Sachlichkeit auf – nahm dabei aber vor allem die Union in den Blick. «Es nützt uns demokratischen Kräften nichts, wenn sich die politische Auseinandersetzung weiter verschärft. Nur denjenigen, die unsere Demokratie verachten und zersetzen wollen», sagte sie der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Zugleich warf sie Merz vor, es gehe ihm «offensichtlich nur um populistischen Krawall».
SPD, Grüne und FDP hatten monatelang über das Gebäudeenergiegesetz (GEG) mit den Heizungsregelungen gestritten. Dessen Verabschiedung im Bundestag am vergangenen Freitag wurde vom Bundesverfassungsgericht gestoppt. Nun soll in der ersten Sitzungswoche nach der Sommerpause am 8. September darüber entschieden werden. Weitere aktuelle Streitthemen waren und sind der Haushalt 2024 wegen der Sparvorgaben von Finanzminister Christian Lindner (FDP), die davon betroffene Kindergrundsicherung und das Elterngeld.
Weiter Kritik von Merz
CDU-Chef Merz kritisierte in seinem wöchentlichen Rundschreiben, dass die Ampel den GEG-Gesetzentwurf in unveränderter Form bereits auf die Tagesordnung der ersten Sitzungswoche nach der Sommerpause gesetzt habe. «Mit anderen Worten: Weitere Beratungen unerwünscht, Änderungen nicht vorgesehen», hieß es in der «Merz-Mail» vom Sonntag.
Kritisch zum Koalitionsstreit um das Heizungsgesetz äußerte sich Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig. «Ich kann mich nicht erinnern, dass es ein Gesetz gab, wo man so viel Arbeit aufwenden musste, um es überhaupt zu erklären», sagte die SPD-Politikerin der «Süddeutschen Zeitung». Viele Bürger hätten große Sorgen, was da auf sie zukomme. «Es ist sehr unglücklich, dass das ganze Thema Klimaschutz damit beschädigt worden ist. Eine große Mehrheit möchte Klimaschutz, aber die Maßnahmen müssen machbar und gerecht sein.»
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung», das Hin und Her beim Heizungsgesetz und die teils überzogene Debatte hätten zur Verunsicherung der Bevölkerung beigetragen. «Aber die Situation ist für die Politik auch sehr schwierig, und dieses Verständnis für die Komplexität der Dinge fehlt mir bei aller berechtigten Kritik oft.»