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Städtetag: Bund könnte Flüchtlingsunterkünfte aufbauen

Die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen und anderen Schutzsuchenden ist zum Dauer-Streit zwischen Bund, Ländern und Kommunen geworden. Die Regierung sieht sich jetzt mit neuen Forderungen konfrontiert.

Blick in den Wohnbereich einer Flüchtlingsunterkunft in Leipzig. «[Der Bund] sollte eigene Unterbringungskapazitäten zur Erstaufnahme aufbauen», meint Helmut Dedy vom Deutschen Städtetag.
Foto: Sebastian Willnow/dpa

Der Bund sollte nach Ansicht des Deutschen Städtetags künftig auch eigene Unterkünfte bereitstellen, um kurzfristig Flüchtlinge aufnehmen zu können. Die Bundesregierung sieht diesen Vorschlag allerdings skeptisch.

Es sei richtig, wenn Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) feststelle, dass rasch mehr Kapazitäten für die Aufnahme weiterer Geflüchteter geschaffen werden müssten, sagte der Hauptgeschäftsführer des kommunalen Spitzenverbandes, Helmut Dedy, der Deutschen Presse-Agentur. Allerdings müsse der Bund hier auch seinen Anteil leisten. «Er sollte eigene Unterbringungskapazitäten zur Erstaufnahme aufbauen, um damit Länder und Kommunen bei hohen Zugangszahlen zu entlasten», schlug er vor. Denn vielerorts gebe es kaum noch kommunale Gebäude oder Flächen, um sie zu Unterkünften umzurüsten, beziehungsweise neue Wohncontainer dort aufzustellen.

Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums verwies darauf, dass es für die Bereitstellung von eigenen Unterkünften des Bundes aktuell keine rechtliche Grundlage gebe. Für die Aufnahme und Unterbringung von Schutzsuchenden seien laut Asylgesetz die Länder zuständig. «Der Bund erkennt aber das Maß der Herausforderungen und die Belastungen von Ländern und Kommunen, die ankommenden Flüchtlinge gut unterzubringen und zu versorgen, an», fügte er hinzu. Daher unterstütze er sie seit 2015 und noch einmal verstärkt seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine durch die mietzinsfreie Überlassung von Bundesliegenschaften.

Auch die Grünen-Migrationsexpertin Filiz Polat hält nichts von der Idee des Städtetags. Die Bundestagsabgeordnete sagte: «Die Unterbringung von Geflüchteten klappt dann, wenn die lokale Bevölkerung gut eingebunden wird und es eine enge Vernetzung mit den lokalen Angeboten und Strukturen gibt.» Daher sei es richtig, dass diese Aufgabe in der Hand der Länder und Kommunen liege. Unterstützung durch den Bund sei notwendig, doch «komplizierte Doppelstrukturen schaffen am Ende nur mehr Bürokratie, anstatt Entlastung zu bringen.»

Aktuell würden den Ländern, Landkreisen und Kommunen dafür 334 Gebäude und Flächen aus dem Portfolio der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben überlassen, in denen mehr als 69.000 Menschen untergebracht werden könnten, hieß es aus dem Bundesinnenministerium. 80 weitere Objekte seien angeboten worden. Der Haushaltsausschuss habe zudem beschlossen, Mittel bereitzustellen, um Kosten für die Herrichtung der Objekte zur Unterbringung von Asylbewerbern und Flüchtlingen zu erstatten.

Dedy: Menschen ohne Bleibeperspektive nicht auf Kommunen verteilen

Faeser hatte bereits beim Flüchtlingsgipfel im Februar angekündigt, auch Liegenschaften des Bundes für die Unterbringung von Flüchtlingen herzurichten. Das könne jedoch nur ein Anfang sein, sagte Dedy. «Neben dem Bund müssen auch die Länder mehr eigene Unterbringungsmöglichkeiten schaffen», forderte der Hauptgeschäftsführer des Städtetags. «Denn allein mit Geld ist den Kommunen nicht geholfen», fügte er hinzu. In den Erstaufnahmeeinrichtungen der Länder müssten auch mehr Plätze bereitgestellt werden. Asylbewerber ohne Bleibeperspektive, die Deutschland also absehbar wieder verlassen müssten, sollten gar nicht erst auf die Kommunen verteilt werden.

Aus Sicht des Städtetages sollten Bund und Länder den Kommunen außerdem Geld dafür geben, wenn diese «Reserveplätze» für Neuankömmlinge bereithielten. «Wir müssen raus aus dem Notfallmodus und brauchen Planungssicherheit», sagte Dedy. Es sei widersinnig, wenn aus Kostendruck nicht belegte Unterkünfte wieder abgebaut werden müssten, die einige Wochen später womöglich wieder gebraucht würden.

Über 26.100 Asylanträge im Februar

Angesichts der zuletzt gestiegenen Zahlen von Flüchtlingen aus der Ukraine und anderen Ländern appellieren auch die Gemeinden, Städte und Kreise in Baden-Württemberg an die Verantwortung des Bundes. Andernfalls sei eine sinkende Akzeptanz der Menschen für die Aufnahme von Schutzbedürftigen zu befürchten. Die Kommunen müssten entlastet sowie die Verteilung neu organisiert werden, heißt es in einer Erklärung der kommunalen Dachverbände im Südwesten.

Der Gemeinde-, Städte- und Landkreistag fordert in seiner «Stuttgarter Erklärung für eine realitätsbezogene Flüchtlingspolitik» unter anderem nationale Ankunftszentren, in denen Flüchtlinge erfasst, registriert und auf die Länder verteilt werden könnten. Dort müsse auch schneller geprüft werden, ob sie überhaupt bleiben dürften. Sei das nicht der Fall, müssten sie direkt aus den Ankunftszentren heraus abgeschoben werden.

Im Februar gingen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) 26.149 Asylanträge ein. Rund 24.000 dieser Anträge betrafen Menschen, die erstmals in Deutschland einen Asylantrag stellten. Zum Vergleich: Im Februar 2022 hatten beim Bamf 13.915 Menschen erstmals einen Asylantrag gestellt. Im Januar 2023 hatte sich die Zahl der Erstanträge im Vergleich zum Vorjahresmonat mehr als verdoppelt – von 13.776 auf 29.072 Anträge. Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine werden in allen EU-Staaten aufgenommen, ohne einen Asylantrag stellen zu müssen.

dpa