Die Austrittserklärung schiebt die Lage aufs Eis, während eine Neuwahl von den Grünen gefordert wird.
Unsichere Zukunft der SPD/BSW-Koalition in Brandenburg

Die Zukunft der SPD/BSW-Koalition in Brandenburg – der einzigen dieser Art bundesweit – ist nach dem Parteiaustritt von vier BSW-Abgeordneten unsicher. Auch wenn es noch keine konkreten Anzeichen für ein Ende des Bündnisses gibt, bleibt die Lage instabil.
Wie geht es nach dem Parteiaustritt weiter?
Die Kuh sei schon vom Eis gewesen, sagte der Vorsitzende der BSW-Landtagsfraktion, Niels-Olaf Lüders. «Die Austrittserklärung schiebt sie ein Stück weit jetzt wieder aufs Eis.» Die vier aus der Partei ausgetretenen Abgeordneten wollen der Fraktion aber weiter angehören. Sollte dies auf längere Sicht so sein, würden sich die Parteiaustritte nicht auf die Mehrheitsverhältnisse im Landtag auswirken. Die SPD/BSW-Koalition könnte dann mit der knappen Mehrheit von 46 der 88 Abgeordneten weiterarbeiten.
Müssen die vier Abgeordneten noch mit einem Fraktionsausschluss rechnen?
Es ist theoretisch möglich, aber es gibt bisher keine Anzeichen für einen solchen Schritt. Nicht nur der Vorstand könnte darüber entscheiden, sondern nur die gesamte BSW-Fraktion, möglicherweise in einer Sondersitzung in den nächsten Tagen. Es ist denkbar, dass die vier Abgeordneten im Falle eines Ausschlusses eine parlamentarische Gruppe bilden. Sie würden dann mit eigenen Rechten und Geld- sowie Sachleistungen ausgestattet. Sie möchten jedoch in der Fraktion bleiben und stehen zur Koalition, wie sie angekündigt haben.
Welche anderen Modelle wären für die Mehrheitsfindung im Landtag denkbar?
Sollte es zu einem Bruch der Koalition kommen, könnte die SPD in einer Minderheitsregierung weitermachen, so wie beispielsweise CDU und SPD in Sachsen. In solchen Konstellationen sind wechselnde Mehrheiten erforderlich. «Letztlich müsste man sich flexible Mehrheiten suchen, aber das ist ja dann wieder nur das BSW bzw. die abtrünnigen Abgeordneten», sagte der Potsdamer Politikwissenschaftler Jan Philipp Thomeczek der dpa. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) setzt aber auf ein stabiles Bündnis. Auch deshalb und weil es die CDU nicht wollte, kam eine SPD/CDU-Koalition mit Patt nicht zustande.
Was sagt die Opposition?
Die AfD, mit 30 Abgeordneten zweitstärkste Fraktion, ist der Meinung, dass die Regierung am Ende ist. Die CDU ist bereit zu Gesprächen, jedoch stellt sich die Frage derzeit nicht. Die nicht im Landtag vertretenen Grünen fordern eine Neuwahl und hoffen darauf, schneller als erwartet wieder eine Chance für den Einzug ins Landesparlament zu bekommen.
Müssen sich die Brandenburger auf eine vorgezogene Landtagswahl einstellen?
Woidke ist zuversichtlich, dass die Koalition weiterbestehen kann. Daher sind weitere Konsequenzen wie die Auflösung des Landtags und eine vorzeitige Neuwahl des Landesparlaments nicht zu erwarten. Eine Zwei-Drittel-Mehrheit wäre für die Auflösung des Parlaments erforderlich – das ist eine hohe Hürde.
Für wen könnte eine Neuwahl von Vorteil sein?
SPD und BSW dürften nach Ansicht des Politikforschers Thomeczek kein Interesse daran haben. «Den BSW-Abgeordneten kann nicht daran gelegen sein, dafür zu stimmen, denn womöglich würde das BSW bei Neuwahlen aus dem Landtag fliegen – und die Linke wieder reinkommen», sagte er dem «Tagesspiegel». Das gelte auch für die SPD. Die AfD dürfte einer Neuwahl zuversichtlich entgegensehen und hoffen, stärkste Kraft zu werden. Im September sprachen sich in einer Insa-Umfrage 34 Prozent für die AfD aus.
Wann wird regulär neu gewählt?
Am 22. September 2024 stimmten die Brandenburger zuletzt über einen neuen Landtag ab. Die Legislaturperiode in Brandenburg beträgt fünf Jahre. Der nächste reguläre Wahltermin wäre demnach im Jahr 2029.
Was ist in vergleichbaren Fällen in anderen Bundesländern in der Vergangenheit passiert?
Massive Auswirkungen hatte der Parteiwechsel – also nicht nur wie jetzt in Brandenburg der Austritt, sondern gleichzeitig der Wechsel zu einer anderen Partei. In Niedersachsen verlor die rot-grüne Koalition von Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) im Jahr 2017 ihre Mehrheit, weil eine Grünen-Abgeordnete zur CDU wechselte, was Neuwahlen zur Folge hatte. In Thüringen hingegen führte der Wechsel einer SPD-Abgeordneten zur CDU im Jahr 2017 zwar nicht zum Sturz der rot-rot-grünen Regierung, machte die Koalition unter Bodo Ramelow (Linke) jedoch mit nur noch einer Stimme Mehrheit recht instabil.
Parteiwechsel führten auch auf Bundesebene zu politischen Turbulenzen, insbesondere weil einige Abgeordnete der sozialliberalen Koalition unter Kanzler Willy Brandt (SPD) aufgrund seiner Ostpolitik nach und nach zur CDU übertraten. Dadurch kam es 1972 im Bundestag zu einer Pattsituation zwischen der SPD/FDP-Koalition und der oppositionellen Unionsfraktion aus CDU und CSU. Einige Monate später fand eine vorgezogene Neuwahl statt, bei der SPD und FDP erneut eine Mehrheit erlangten.








