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Steinmeier entlässt Scholz: Was bedeutet das?

Der Kanzler und seine 14 verbliebenen Minister erhalten heute ihre Entlassungsurkunden. Damit beginnt der letzte Akt des Ampel-Dramas. Bis der Vorhang fällt, dauert es aber noch ein paar Wochen.

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Einst war Scholz zur Ernennung als Kanzler im Schloss Bellevue - nun beginnt dort der Anfang vom Ende. (Archivbild)
Foto: Bernd Von Jutrczenka/dpa

1203 Tage und ein paar Stunden: So lange wird Olaf Scholz Bundeskanzler sein, wenn er heute am frühen Abend zusammen mit seinen 14 verbliebenen Ministern im Schloss Bellevue von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier seine Entlassungsurkunde bekommt. Damit ist aber noch nicht ganz Schluss für die Regierung, die 2021 als «Fortschrittskoalition» gestartet ist. Ein paar Wochen muss das Team Scholz noch die Stellung halten. 

Warum wird die Regierung gerade jetzt entlassen?

Weil Artikel 69 des Grundgesetzes das so vorschreibt: «Das Amt des Bundeskanzlers oder eines Bundesministers endigt in jedem Falle mit dem Zusammentritt eines neuen Bundestages», heißt es da. Der neue Bundestag tritt am Dienstag um 11.00 Uhr zusammen – genau 30 Tage nach der Wahl. Deswegen erhalten Scholz und seine Minister gleich nach der Sitzung, deren Ende für 16.00 Uhr geplant ist, im Schloss Bellevue ihre Entlassungsurkunden.

Ist Deutschland dann ohne Regierung?

Steinmeier wird Scholz und seine Minister nicht bitten, die Amtsgeschäfte bis zur Ernennung einer neuen Regierung fortzuführen. Die Regierung ist nach Artikel 69 des Grundgesetzes verpflichtet, dies auch zu tun. Sie ist dann aber nur noch geschäftsführend im Amt.

Was bedeutet das? 

Seit der Wahl vor 30 Tagen trifft die Regierung Scholz keine weitreichenden Entscheidungen mehr, ohne sich mit der Union als künftig wohl stärkster Kraft in der Regierung abzustimmen. In der Praxis ändert sich mit dem Überreichen der Entlassungsurkunden also nicht viel. Mit der Konstituierung des neuen Parlaments verliert die Regierung jedoch ein weiteres Stück Legitimation.

Was kann Scholz jetzt überhaupt noch machen?

Er wird weiterhin als Kanzler Termine wahrnehmen. Allerdings nur die dringendsten. Am Donnerstag wird er beispielsweise zum Ukraine-Gipfel nach Paris fliegen, jedoch nicht ohne vorher seinen wahrscheinlichen Nachfolger Friedrich Merz zu konsultieren.

Wie lange hält dieser Schwebezustand noch an?

Es ist schwer zu sagen. Wenn alles nach Plan läuft, könnten Merz und sein Kabinett noch vor Ostern im Schloss Bellevue ihre Ernennungsurkunden erhalten. Dafür müssten die Verhandlungen über einen Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD aber in der nächsten Woche abgeschlossen werden. Das ist möglich, aber ehrgeizig. Sollte es nicht klappen, könnte die Regierung erst Ende April oder Anfang Mai gebildet werden. Es glaubt jedoch niemand so richtig, dass die Verhandlungen scheitern werden, da es keine Alternative gibt.

Wer gehört der neuen Regierung sicher nicht mehr an? 

Olaf Scholz steht nicht für ein Kabinett eines Kanzlers Merz zur Verfügung und hat mit den Koalitionsverhandlungen nichts zu tun. Er plant jedoch, sein in Potsdam gewonnenes Direktmandat wahrzunehmen und die gesamte Wahlperiode im Bundestag zu bleiben.

Was wird aus den scheidenden Ministern?

Alle fünf Minister und Ministerinnen der Grünen sowie Verkehrsminister Volker Wissing, der mit dem Koalitionsbruch der FDP den Rücken kehrte und in der Regierung blieb, treten zurück. Außenministerin Annalena Baerbock plant im September Präsidentin der UN-Generalversammlung zu werden. Cem Özdemir, Agrar- und zuletzt auch Bildungsminister, wechselt in die Landespolitik. Sein neues großes Ziel ist es, Ministerpräsident in Stuttgart zu werden. Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck wurde in den Bundestag gewählt, will aber nun auf eine führende Rolle in seiner Partei verzichten. Es wird erwartet, dass Wissing nach seinem Ausscheiden aus der Politik wieder als Anwalt arbeiten wird.

Wer könnte einer neuen Regierung weiter angehören?

Grundsätzlich sind alle acht bisherigen SPD-Ministerinnen und -Minister für Posten im neuen Kabinett im Gespräch. Bisher hat keiner von ihnen einen freiwilligen Verzicht erklärt. Die SPD wird jedoch höchstens sechs Ministerposten in der neuen Regierung erhalten. Es ist wahrscheinlich, dass es auch Neulinge geben wird. Daher werden sich nur einige der bisherigen Minister im neuen Kabinett befinden.

Wer hat die besten Chancen?

Laut allen Umfragen ist der beliebteste Politiker Deutschlands, Verteidigungsminister Boris Pistorius, wahrscheinlich in der Lage, seinen Posten zu behalten. Innenministerin Nancy Faeser hat es jedoch schwerer: Es wird angenommen, dass ihr Ministerium in den Koalitionsverhandlungen an die Union übergeht. Sie könnte jedoch beispielsweise Justizministerin werden. Der ebenfalls beliebte Arbeitsminister Hubertus Heil hat das Problem, dass er wie Pistorius und der mögliche zukünftige Vizekanzler Lars Klingbeil aus Niedersachsen stammt. Der Proporz spielt bei der Postenverteilung immer eine wichtige Rolle.

Was ist mit den anderen?

Für Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt wird es wahrscheinlich keinen Platz mehr in der neuen Regierung geben. Möglicherweise muss Finanzminister Jörg Kukies dem Parteichef Lars Klingbeil weichen, wenn dieser sich um ein Kabinettsposten bemüht. Die Zukunft von Karl Lauterbach (Gesundheit), Klara Geywitz (Bauen und Wohnen) und Svenja Schulze (Entwicklung) ist noch offen.

dpa