Behandlungsfehler können jeden treffen – tausende Opfer gibt es jedes Jahr in Deutschland. Für die Fälle, in denen lange Rechtsstreitigkeiten folgen, fordern Experten nun Nothilfe für Betroffene.
Stiftung fordert Nothilfe für Opfer von Behandlungsfehlern

Krankheiten, die zu spät entdeckt werden, falsche Medikamente oder fehlerhafte Operationen: Ärztefehler sind jedes Jahr in Deutschland ein Problem für tausende Patienten. Selbst wenn Gutachten einen Fehler als Ursache für weitere oder neue Leiden bestätigen, müssen viele Betroffene laut Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, in Berlin, mit langwierigen Rechtsstreitigkeiten rechnen. Die neue schwarz-rote Koalition sollte daher in Zukunft den Opfern von Behandlungsfehlern schneller zu ihrem Geld verhelfen.
Die Krankenkassen sowie die Kliniken und Ärzte sollten dafür in einen Fonds einzahlen. «Viele Bundesregierungen hatten bisher die Absicht, die Versicherer und Leistungsanbieter mit wenigstens 60 Millionen Euro in die Pflicht zu nehmen», sagte Brysch. Die Betroffenen sollten aus so einem Härtefallfonds entschädigt werden. «Auch wenn die beabsichtigte schwarz-rote Regierung dazu im Koalitionsvertrag schweigt, muss sie dies auf ihre politische Agenda setzen.»
Pflegebedürftig, blind oder gelähmt
Die vorhandenen Möglichkeiten, eine Behandlung im Nachhinein bei vermuteten medizinischen Fehlern überprüfen zu lassen, lobte Brysch: «So ist es möglich, einen vermuteten Behandlungsfehler für die Betroffenen kostenlos begutachten zu lassen.» Allein Gutachter im Auftrag der Krankenkassen kamen nach der jüngsten Jahresstatistik (2023) der Medizinischen Dienste in 2.679 von insgesamt 12.438 untersuchten Fällen zu dem Ergebnis: Ein Schaden ist von einem Behandlungsfehler verursacht worden.
Im Vergleich zum Vorjahr blieb die Anzahl der Vorfälle fast unverändert. Etwa in jedem dritten Fall führte dies zu einem Dauerschaden. Der Medizinische Dienst stufte 180 dieser Dauerschäden als schwer ein – die Patienten waren dann pflegebedürftig, blind oder gelähmt. 75 Patienten starben daher aufgrund von Fehlern des medizinischen Personals.
Hohe Dunkelziffer
Auch in den Ärztekammern können Patienten prüfen lassen, ob bei einer Behandlung etwas falsch gelaufen ist: 7.529 Verdachtsfälle wurden zuletzt von ihren Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen bearbeitet. In 1.162 Fällen wurde ein Behandlungsfehler bestätigt.
Viele Schäden aufgrund von fehlerhaften Behandlungen werden durch Patienten und Krankenhäuser oder Arztpraxen oder durch Haftpflichtversicherungen geregelt oder landen direkt vor Gericht. Die Dunkelziffer ist demnach hoch. Untersuchungen deuten auch darauf hin, dass die Anzahl der tatsächlichen Fehler die Anzahl der daraus resultierenden Vorwürfe um ein Vielfaches übersteigt.
Fehler-Erfassung soll zur Pflicht werden
«Doch selbst wenn diese Stellen zu einem klaren Ergebnis kommen, droht vielen Geschädigten ein jahrelanger Rechtsstreit», kritisierte Brysch. Seit über 20 Jahren werde deshalb von Expertinnen und Experten ein Fonds gefordert, der Nothilfe leisten könne.
«Patientenrechte müssen aber nicht nur politisch-rechtlich gestützt werden», so Brysch weiter. «Auch bei den Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzte gilt es, eine wirksame Fehlerkultur zu etablieren.» Der Stiftungsvorstand forderte, dass die teils schon stattfindende systematische Erfassung sogenannter kritischer Ereignisse verpflichtend wird.