Ein brutaler Mord wird im Weißen Haus zur politischen Waffe, um Kritik an der umstrittenen Abschiebung eines Migranten nach El Salvador zu ersticken. Die Sorge vor einer Verfassungskrise wächst.
Streit um Trumps Abschiebepolitik: Härtetest für Rechtsstaat

Im Fall des irrtümlich nach El Salvador abgeschobenen Migranten gerät die Regierung von US-Präsident Donald Trump immer mehr unter Druck. Während der demokratische US-Senator Chris Van Hollen persönlich für die Rückkehr des Mannes warb, der nun in einem berüchtigten Gefängnis sitzt, erlitt die Trump-Regierung vor Gericht eine Niederlage und steht vor einem Strafverfahren. Gleichzeitig versuchte das Weiße Haus durch einen medienwirksamen Auftritt, die Öffentlichkeit auf seine Seite zu ziehen.
Der abgeschobene Kilmar Abrego Garcia stammt aus El Salvador und war US-Medien zufolge 2012 auf der Flucht vor Bandengewalt illegal in die USA eingereist. Obwohl sein Asylantrag 2019 abgelehnt wurde, erhielt er Schutz vor Abschiebung wegen drohender Verfolgung. Dennoch wurde der 29 Jahre alte Familienvater dann Mitte März im Bundesstaat Maryland – den der Senator Van Hollen im Senat vertritt – festgenommen und kurz darauf abgeschoben. Die US-Regierung sprach zunächst von einem «administrativen Fehler», bekräftigte jedoch gleichzeitig den Vorwurf, er sei selbst Mitglied der berüchtigten Bande MS-13. Abregos Anwälte bestreiten das.
Eine Bundesrichterin hat entschieden, dass die Trump-Regierung den Mann zurückholen muss. Der Fall wurde vorübergehend vor dem Obersten Gericht der USA verhandelt. Seitdem wird darüber gestritten, wie es weitergehen soll.
US-Senator in El Salvador: Trump-Regierung lügt
Bei seinem Besuch in El Salvador sprach der Demokrat Van Hollen mit dem salvadorianischen Vizepräsidenten. Er erklärte, dass ihm jedoch weder ein persönliches Treffen noch ein Telefongespräch mit Abrego Garcia ermöglicht wurde. Zuvor hatte Trumps Heimatschutzministerin Kristi Noem das Gefängnis besucht und sich vor den Zellen fotografieren lassen, in denen die Gefangenen sitzen.
Auch der republikanische Kongressabgeordnete Riley Moore erhielt Zugang. Ein Foto, das er selbst auf X veröffentlichte, zeigt ihn mit hochgerecktem Daumen vor einer Gefängniszelle. Van Hollen betonte, dass er keine Gefängnistour machen wollte, sondern nur ein Gespräch mit dem Inhaftierten führen.
«Wenn man Präsident Trump und der Trump-Regierung zuhört, könnte man meinen, dass US-Gerichte festgestellt haben, dass Herr Abrego Garcia zu MS-13 gehört, aber das ist nicht der Fall», sagte Van Hollen vor Reportern in El Salvador. Er warf Trump, Justizministerin Pam Bondi sowie Vizepräsident JD Vance vor, in dem Fall zu lügen.
Weißes Haus lässt Mutter eines Mordopfers sprechen
Das Weiße Haus kündigte inmitten der aufgeheizten Debatte spontan einen Presseauftritt mit einem «Ehrengast» an, verriet aber nicht, wer kommt. Vor die Kameras trat schließlich die Mutter einer im Bundesstaat Maryland getöteten Frau. Sie war von einem illegal in die USA eingereisten Mann aus El Salvador brutal ermordet worden. Der Fall hat nichts mit der Abschiebung von Abrego Garcia zu tun, lediglich das Herkunftsland des Täters und Maryland als Schauplatz dienen als Verbindung.
Das Weiße Haus hat seit Tagen Fragen zur Rechtmäßigkeit der Abschiebung mit Verweis auf die brutale Ermordung der Joggerin beantwortet und versucht, Medien und Demokraten als empathielos darzustellen.
«Dies ist die Art von Kriminellen, die Präsident Trump aus unserem Land entfernen möchte», sagte die völlig aufgelöste Mutter im Briefing-Raum des Weißen Hauses vor Journalisten und schilderte die schreckliche Tat im Detail. Sie monierte die Reise von Senator Van Hollen nach El Salvador auf Steuerkosten, «um jemanden zurückzubringen, der nicht einmal amerikanischer Staatsbürger ist». Im Anschluss an ihren Auftritt herrschte Schweigen im Briefing-Raum. Trumps Sprecherin Karoline Leavitt umarmte die Mutter, die beiden verließen zügig das Podium.
«Es ist scheußlich (…) dass so viel Zeit für die Berichterstattung über diesen mutmaßlichen Menschenhändler und dieses Bandenmitglied aufgewendet wurde», sagte Leavitt bereits Anfang der Woche über Abrego Garcia. Der schrecklichen Ermordung der Frau aus Maryland werde hingegen keine Beachtung geschenkt.
Nun betonte sie, Abrego Garcia sei ein «illegaler Ausländer, Mitglied der MS-13-Bande und ausländischer Terrorist, der in sein Heimatland abgeschoben wurde». Sie zitierte aus Gerichtsdokumenten, wonach Abrego Garcia bei seiner Festnahme eine größere Menge Bargeld und Drogen bei sich gehabt habe und gemeinsam mit zwei mutmaßlichen Bandenmitgliedern festgenommen worden sei. Außerdem habe es in der Vergangenheit Vorwürfe wegen häuslicher Gewalt gegen ihn gegeben.
Vorgehen der Trump-Regierung bei Abschiebungen im Fokus
Die betroffene Frau – seine Ehefrau – verteidigte Abrego Garcia daraufhin öffentlich gegen die Vorwürfe. Auch Van Hollen zeichnete bei seinem Besuch in El Salvador ein völlig anderes Bild. «Es gibt keinerlei Beweise dafür, dass er eine Straftat begangen hat, und auch von den Vereinigten Staaten wurden keine Beweise dafür vorgelegt», sagte der Demokrat. Deshalb habe er gegenüber dem salvadorianischen Vizepräsidenten deutlich gemacht, dass die Trump-Regierung «offensichtlich gegen Anordnungen amerikanischer Gerichte» verstoße – und infrage gestellt, wie El Salvador unter diesen Umständen weiterhin an der Inhaftierung festhalten könne.
Der Fall symbolisiert eine größere Debatte über die Vorgehensweise der US-Regierung bei Abschiebungen – insbesondere in Bezug auf zwei umstrittene Abschiebeflüge von etwa 200 Personen Mitte März, darunter auch Abrego Garcia. Die US-Regierung hat begonnen, Migranten – vor allem aus Venezuela -, die sie als kriminell einstuft, nach El Salvador abzuschieben, wo sie im Hochsicherheitsgefängnis namens Cecot untergebracht werden. Im Gegenzug zahlt Washington dem mittelamerikanischen Land eine Millionensumme.
Trump will Fälle nicht einzeln prüfen lassen
Die Rechtmäßigkeit dieser Transfers ist umstritten. Während die US-Regierung von Schwerkriminellen spricht, die sie außer Landes gebracht habe, schüren Recherchen von mehreren US-Medien – darunter die «New York Times» – Zweifel an der angeblich kriminellen Vergangenheit der Betroffenen. Trump monierte nun juristische Vorgaben, wonach die Abgeschobenen juristisch nicht «als Gruppe» betrachtet werden dürften, sondern dass jeder Fall einzeln geprüft werden müsse. Das würde hundert Jahre dauern, die Gerichte seien völlig «außer Kontrolle», so der Republikaner.
Kritiker wie Van Hollen werfen der Trump-Regierung vor, sich über richterliche Anordnungen hinwegzusetzen. Beobachter fürchten eine Verfassungskrise. Die Entscheidung eines Richters in der US-Hauptstadt Washington schlug nun in eine ähnliche Kerbe. Richter James Boasberg kam zu dem Schluss, dass Trumps Regierung generell mit Abschiebeflügen nach El Slavador wohl vorsätzlich gegen seine Anordnung verstoßen hat.
Vor ein paar Wochen hatte er angeordnet, die Abschiebungen vorerst zu stoppen, solange die rechtliche Grundlage noch gerichtlich geprüft wird. Die Flieger – auch der mit Abrego Garcia – hoben dennoch ab. Jetzt sagte Boasberg, es gebe einen hinreichenden Anfangsverdacht für ein mögliches Strafverfahren wegen Missachtung des Gerichts gegen Regierungsmitglieder. Die Regierung von Trump habe nun die Möglichkeit, sich zu erklären, hieß es weiter. Wenn dies nicht geschehe, werde das Gericht den Fall zur Anklage an die Staatsanwaltschaft übergeben, kündigte Boasberg an.