Deutschland hat sein Klimaziel erreicht, aber das EU-Klimaziel um zwölf Millionen Tonnen CO2 verfehlt. Fortschritte fehlen in den Bereichen Gebäude und Verkehr.
Deutschland erreicht Klimaziel, verfehlt EU-Vorgaben
Laut einer Analyse von Agora Energiewende hat Deutschland im letzten Jahr sein nationales Klimaziel erreicht, jedoch die europäischen Vorgaben verfehlt. Der Bericht, der in Berlin veröffentlicht wurde, nennt fehlende Fortschritte in den Bereichen Gebäude und Verkehr als Grund dafür.
Im letzten Jahr hat Deutschland insgesamt 656 Millionen Tonnen an CO2-Äquivalenten ausgestoßen – um andere Treibhausgase in Kohlendioxid (CO2) umzurechnen und die Vergleichbarkeit zu verbessern. Dies entspricht knapp drei Prozent weniger als im Vorjahr mit 674 Millionen Tonnen und würde einen neuen historischen Tiefstand darstellen. Die Emissionen sind somit das dritte Jahr in Folge gesunken. Ähnlich niedrig waren sie zuletzt in den 1950er Jahren. Im Vergleich zu 1990 ist der deutsche Treibhausgas-Ausstoß um 48 Prozent gesunken.
Wenig Fortschritte bei Gebäuden und Verkehr
Zugleich hat die Bundesrepublik nach Einschätzung der Denkfabrik allerdings sein EU-Klimaziel um zwölf Millionen Tonnen CO2 gerissen. Die Nachfrage nach klimafreundlicheren Technologien wie Wärmepumpen und Elektroautos brach im vergangenen Jahr ein. «Ein zentraler Grund für den Mangel an strukturellem Klimaschutz in den Sektoren Industrie, Gebäude und Verkehr ist die Verunsicherung bei Haushalten und Unternehmen», erklärte der Direktor von Agora Energiewende Deutschland, Simon Müller. Das habe zu Zurückhaltung bei Investitionen geführt.
Die Emissionen sanken sowohl im Gebäude- als auch im Verkehrsbereich um jeweils zwei Millionen Tonnen im Vergleich zum Vorjahr. Dies war hauptsächlich auf das milde Wetter mit geringerem Heizbedarf und den geringeren Lkw-Verkehr aufgrund der Wirtschaftsflaute zurückzuführen. Der Pkw-Verkehr hingegen nahm zu. Das im deutschen Klimaschutzgesetz festgelegte Unterziel für den Gebäudebereich wurde um neun Millionen Tonnen CO2 überschritten, während es im Verkehrsbereich sogar 19 Millionen Tonnen waren. Trotz der schlechten Wirtschaftslage stiegen die Emissionen in der Industrie um drei Millionen Tonnen CO2 an, was Agora vor allem auf einen höheren Verbrauch fossiler Brennstoffe in der energieintensiven Industrie zurückführt. Der Sektor hat das deutsche Klimaziel jedoch um zehn Millionen Tonnen CO2 unterschritten und somit erreicht.
Deutschland hat das Ziel, bis 2030 seinen Ausstoß an Treibhausgasen im Vergleich zum Jahr 1990 um 65 Prozent zu reduzieren. Bis 2045 strebt Deutschland Klimaneutralität an, das heißt, es sollen nicht mehr Treibhausgase emittiert werden, als wieder absorbiert werden können. Gemäß den europäischen Vorgaben muss Deutschland seine Emissionen bis 2030 um die Hälfte reduzieren – allerdings im Vergleich zu 2005.
Warum der Treibhausgas-Ausstoß gesunken ist
Die Autoren des Berichts verorten den Löwenanteil von 80 Prozent an den fallenden Emissionen in der Energiewirtschaft durch die Umstellung auf Erneuerbare. Im letzten Jahr wurden Kohlekraftwerke mit einer Gesamtkapazität von 6,1 Gigawatt stillgelegt, was 16 Prozent der installierten Kohle-Kapazität entsprach. Gleichzeitig wurden 55 Prozent des Bruttostromverbrauchs durch Erneuerbare gedeckt, die auch bei den gestiegenen Importen knapp die Hälfte ausmachten. Das milde Wetter und die schwächelnde Wirtschaft spielten ebenfalls eine Rolle.
Versäumnisse beim Klimaschutz könnten teuer werden
Der CO2-Preis führt bereits heute in Deutschland zu höheren Kosten für das Tanken und Heizen mit fossilen Brennstoffen. Experten gehen davon aus, dass es ab 2027 zu Preissprüngen kommen könnte, wenn Unternehmen CO2-Emissionsrechte besitzen müssen und damit handeln können.
Und auch das Verfehlen des EU-Ziels würde die Bundesregierung voraussichtlich Milliarden kosten. «Wenn Deutschland sein europäisches Emissionsbudget bis 2030 reißt, drohen Strafzahlungen nach Brüssel», sagte Müller. «Zwar könnte die Bundesregierung Rechte zum CO2-Ausstoß von anderen Staaten kaufen, aber es ist unklar, wie teuer solche Zertifikate sein werden und ob sie überhaupt im nötigen Ausmaß zur Verfügung stehen. Deutschland sollte sich nicht auf der Erwartung ausruhen, dass andere Länder ihre Ziele übererfüllen.»
Deutschland muss sich noch besser auf Erneuerbare einstellen
Die schwankende Erzeugung von Energie aus Wind und Sonne ist eine Herausforderung, insbesondere durch sogenannte Dunkelflauten, in denen weder die Sonne scheint noch der Wind weht. «Zeiten mit viel Wind und Sonne führen zu viel Erneuerbarem Strom, der zu niedrigen bis negativen Strompreisen führen kann», sagte Müller. Unter dem Strich passiere das häufiger als Dunkelflauten. «Insgesamt fällt aufs Jahr gerechnet der preissenkende Effekt solcher Grünstromphasen doppelt so stark ins Gewicht wie die Preisspitzen der Dunkelflauten.»
Es müssten jedoch zusätzliche Anpassungen vorgenommen werden angesichts des steigenden Anteils Erneuerbarer: mehr Stromspeicher, ein beschleunigter Einbau digitaler Stromzähler, mit denen sich der Verbrauch leichter dem Preis anpassen lässt, sowie Anreize für eine flexiblere Nachfrage bei industriellen Großverbrauchern.
Privatleute können mit Stromanbieter-Wechsel sparen
Die Strompreise an den Börsen sind im Vergleich zum Vorjahr deutlich gesunken. Auch für Verbraucher wurde es nach den hohen Preisen von 2022 und 2023 günstiger. Mit neuen Verträgen könnten Privathaushalte teilweise mehrere Hundert Euro sparen. Bei der Industrie ergibt sich ein gemischtes Bild: Für kleinere Industrie- und Gewerbebetriebe liegt der Strompreis wieder auf dem Niveau von 2021, so Agora. Große Verbraucher zahlen jedoch weiterhin deutlich mehr als vor der Krise.
Die zukünftige Bundesregierung sollte nach Meinung Müllers Anreize schaffen, um den Klimaschutz zu fördern. Zum Beispiel könnten Betreiber von Wärmepumpen weniger Netzentgelte für Strom zahlen müssen. Die Steuerregelungen für Elektroautos könnten vorteilhafter gestaltet werden: Insbesondere kleine E-Autos sind im Vergleich zu Verbrennungsmotoren über die gesamte Lebensdauer hinweg noch teurer, hier könnte eine gezielte Förderung helfen. Durch eine Kaufprämie auch für gebrauchte Elektroautos könnten sich mehr Menschen Elektroautos leisten.
Wie Agora rechnet
Agora Energiewende basiert für den Bericht auf Daten der AG Energiebilanzen, die bis in die zweite Dezemberhälfte reichen, ergänzt durch Schätzungen für die verbleibende Zeit bis zum Jahresende. Die AG Energiebilanzen ist ein Zusammenschluss von Energieverbänden und Forschungsinstituten, der regelmäßig Daten zur Erzeugung und zum Verbrauch von Energie in Deutschland veröffentlicht.